Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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Es ist eine etwas anderes Publikum, das sich am 31. Oktober im Bistro des Schadauschulhauses des Gymnasiums Thun versammelte: Wo sonst jeweils vorallem SchülerInnen sitzen, sass an diesem Abend ein unerwartet grosses, alterdurchmischtes Publikum. Interessiert verfolgten sie das erste und einzige Politpodium zu den Thuner Stadtpräsidiumswahlen.
Drei KandidatInnen stellten sich den Fragen der Co-Moderatoren und Co-Organisatoren Elias Rüegsegger, Initiant des Vereins UND Generationentandem, und Stefan Geissbühler, Chefredaktor des «Thuner Tagblatt»: Raphael Lanz (54), Kandidat SVP/FDP/Die Mitte/EDU, seit 2011 Thuner Stadtpräsident, Andrea de Meuron (49), Kandidatin Grüne/SP, seit 2019 Thuner Gemeinderätin, und der Parteilose Dalyan Paolo Tramacere (31), der im Frühjahr 2021 bereits einmal als Kandidat für den Berner Regierungsrat antrat.
Krisenbewährtes Stadtpräsidium
«Warum etwas auswechseln, das sich bewährt hat?», meinte Raphael Lanzauf die Frage, warum er für weitere vier Jahre gewählt werden sollte. Thun geht es gut, die Menschen leben gerne hier und das sei für ihn das Wichtigste.
«Ich möchte diese Erfahrungen weiterhin für das Wohl von Thun einsetzen.»
Raphael Lanz
Ausserdem leite er einen Gemeinderat, der auch Krisenzeiten souverän gemeistert hat. Und weitere Krisen werden auf Thun zukommen: Klimaschutz, steigende Asylzahlen, die Energiekrise. Da brauche es Erfahrung, sagte Raphael Lanz und ergänzte: «Ich möchte diese Erfahrungen weiterhin für das Wohl von Thun einsetzen.»
Eine Alternative bieten
Dalyan Paolo Tramacere ist der Aussenseiterkandidat. Ursprunglich war er Sanitärmonteur, heute heute ist er von Sozialhilfebeiträgen abhängig. Mit einigen kontroversen Geschehnissen erhielt er eine gewissen Bekanntheit im Thun. Die bekannteste Kontroverse: Auf Facebook veröffentlichte er ein Bild, auf dem auf seinem Velo eine Hackenkreuz-Kleber zu sehen ist. Dafür entschuldigt hat er sich nie. Wollte er damit einfach provozieren? Nein, erklärte Dalyan Paolo Tramacere, er verstehe die historische Bedeutung und werde in Zukunft keine solche anstössigen Symbole mehr benutzen.
«Ich möchte niemandem etwas wegnehmen, sondern einfach zu dem was bereits exisitert eine Alternative bieten.»
Dalyan Paolo Tramacere
Nachdem diese Thema abgehackt war, erhielt Dalyan Paolo Tramacere die Möglichkeitin seine Pläne für das Stadpräsidium auszulegen: Er sprach viele Probleme an, konkrete Lösungsvorschläge präsentierte er keine. «Ich möchte niemandem etwas wegnehmen, sondern einfach zu dem was bereits exisitert eine Alternative bieten», erklärte er. Sein Versprechen, unheilbare Krankheiten zu heilen, entlockte einigen Menschen im Publikum zögerlichen Applaus. Bei den Schlussabstimmungen erhält er 8 von 92 Stimmen. Allen war wohl klar: Der Aussenseiterkandidat ist chancenlos.
Unter Absprache mit ihm ging die Podiumdiskussion danach ohne ihn weiter.
Eine Prise Klima?
Die Erfahrung von Erfahrung ist unumstritten. Aber, wie Andrea de Meuron betonte: «Die Thuner sollen eine Wahl haben.» Sie vertrete andere Werte als der amtierende Stadtpräsident und insbesondere das Klima würde sie als Stadtpräsidentin zur Priorität machen. Ihr ist wichtig: Klima ist ein QuerschnittDafür erntete sie Applaus.
Die Antwort von Raphael Lanz erzeugte auch Applaus: «Es braucht keinen Wechsel im Stadtpräsidium, um diesem Thema Priorität zu geben.» Er verweist auf die Umweltdirektion, die während seiner Amtszeit geschaffen wurde. Andrea de Meuron nutzte seine Antwort, um zu betonen, dass Klima ein Querschnittthema sei, das eben nicht in einer einzelnen Direktion bearbeitet werden kann. Als Stadtpräsidentin würde sie dafür sorgen, dass dieses Thema von verschiedenen Fachstellen bearbeitet werden würde.
Und neben dem Klima? Andrea de Meuron versprach, sich für mehr Angebote für junge Menschen einzusetzen, um auch sie zu motivieren, in Thun zu bleiben: ein besseres Nachtleben, Kulturförderung, Quartiertreffpunkte oder Jugendhäuser.
Staufreies Thun?
Zahlreiche Publikumsfragen zeigten, die herausfordernde Verkehrssituation bewegt die Thuner WählerInnen. Raphael Lanz akzeptierte die Kritik, und betonte, dass es Optimierungsmöglichkeiten gibt, an denen er aktuell arbeitet Er erklärte aber auch, dass der Verkehr immer noch wächst. Eine Erweiterung der Infrastruktur wird deshalb langfristig unumgänglich sein.
«Wir müssen unser Verhalten ändern und das fördern und stärken, was unserem Klima gut tut.»
Andrea de Meuron
Und was würde eine grüne Stadtpräsidentin tun? «Neue Infrastrukturen sind nur Anreize für den motorisierten Verkehr», sagte Andrea de Meuron. Als Stadtpräsidentin würde sie den öffentlichen Verkehr verdichten und das Bikesharing ausbauen. 40% des Verkehrs ist Freizeitverkehr. Sie plädierte: «Wir müssen unser Verhalten ändern und das fördern und stärken, was unserem Klima gut tut.» Das Publikum applaudiert.
Sorgenkind Bahnhof Thun
Der Bahnhofplatz Thun, laut Moderator Stefan Geissbühler eine «grottenschlechte Visitenkarte für eine solch schöne Stadt.» Die Kandidierenden wurden gefragt: Wie würde sich der Bahnhof unter ihrer Führung in den nächsten vier Jahren verändern? Das Hauptproblem sei der Busbahnhof, so Raphael Lanz. Da die Lösungsfindung extrem komplex ist, wurde ein Charrette-Verfahren einberufen, ein innovatives Verfahren, dass die Bevölkerung in die Entscheidungsprozesse miteinbindet. Eine mögliche Lösung: Gewisse Busse sollen zukünftig an der Frutigenstrasse parkieren. Andrea de Meuron unterstützte dieses Vorhaben, ergänzte aber, dass das Schaffen von mehr Grünfläche und Sitzmöglichkeiten auf dem Bahnhofplatz eine ebenso hohe Priorität erhalten sollte. Das Publikum schien ihr beizustimmen.
Die Abstimmung
Und wenn das Publikum der/die StadtpräsidentIn an diesem Abend hätte wählen können? Raphael Lanz gewann 50, Andrea de Meuron 34, und Dalyan Paolo Tramacere 8 der 92 Stimmen, die über das Abstimmungstool Mentimeter eingingen. Der 27. November wird zeigen, wie repräsentativ dieses Resultat ist.
Veranstaltungen zu den Wahlen in Thun
UND Generationentandem lädt gleich zweimal zur Debatte. Neben diesem Podium zur Wahl des Stadtpräsidiums, das der Verein in Kooperation mit dem «Thuner Tagblatt» veranstaltet, findet am 11. November eine weitere Veranstaltung statt.
Thun wählt: Die Parteien, die Köpfe und die Machtfrage: Freitag, 11. November 2022, 19 Uhr.