Das Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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Die Stadt Thun plant eine Steuersenkung, und zwar von 1.72 auf 1.66 Einheiten. Eine solche Steuersenkung muss im Rahmen einer Volksabstimmung bestätigt werden – so verlangt es die Verfassung. Deshalb stimmen die Stimmberechtigten in Thun am 24. November 2024 über das Budget 2025 und die vorgeschlagene Steuersenkung ab.
Das Budget 2025 der Stadt Thun umfasst 127 Seiten, denn Finanzpolitik ist komplex. Um das Thema für die Thuner:innen greifbarer zu machen, organisierte die Organisation UND Generationentandem mit Unterstützung der Thuner Parteien am 16. Oktober 2024 im Bistro des Gymnasiums Thun-Schadau das Politpodium «Steuern runter: Tut das Thun gut?». Moderator Elias Rüegsegger sprach mit Gemeinderätin Andrea de Meuron (Grüne) und den Stadträten Martin Allemann (SP), Jonas Baumann (EVP), Alois Studerus (Die Mitte) und Thomas Bieri (SVP).
Der Stadtrat steht dahinter, oder?
Die geplante Steuersenkung von 1.72 auf 1.66 Einheiten wird vom Gemeinderat getragen und vom Stadtrat mit klarer Mehrheit – 34 zu 2 Stimmen – angenommen. Die Diskussion am Abend des 16. Oktobers zeigt jedoch: Ganz zufrieden sind die Parteien und Fraktionen mit dem Ergebnis nicht.
Thomas Bieri, Stadtrat und Mitglied der Budget- und Rechnungskommission sowie Vertreter der SVP-Fraktion, hätte sich eine stärkere Senkung gewünscht: «Angesichts der hohen Überschüsse in den letzten fünf Jahren, insbesondere bei den Steuereinnahmen, sind wir von einem tieferen Steuersatz ausgegangen.» Trotzdem, betont Bieri, steht die Fraktion hinter der vorgeschlagenen Senkung – sie sei ein «guter Kompromiss».
Ähnlich sieht es auch Alois Studerus, der an diesem Abend die FDP/Die Mitte-Fraktion vertrat. Für ihn geht es vor allem darum: «Wir dürfen nicht Steuern auf Vorrat eintreiben. Die Kassen sind voll, und wir können nicht ständig Überschüsse erzielen und immer neue Rücklagen bilden – das entspricht nicht unserem Finanzrecht.»
«Wir dürfen nicht Steuern auf Vorrat eintreiben.»
Alois Studerus
Jonas Baumann, Stadtrat und Vertreter der EVP/EDU/GLP-Fraktion, akzeptiert die vorgeschlagene Steuersenkung ebenfalls, jedoch «ohne Begeisterung». Er findet, dass der Vorschlag «zum Teil überbewertet wird» und betont: «Wir haben noch Aufgaben zu erledigen.» Dabei spielt er auf die Tatsache an, dass die Attraktivität des Standorts Thun nicht allein vom Steuersatz abhängt, sondern auch von anderen Faktoren. Er verweist auf Ökonomen, die jetzt zu Investitionen raten – denn wenn die finanziellen Möglichkeiten plötzlich wegfallen, sollte die Stadt weiterhin attraktiv genug sein, um Menschen zum Bleiben zu bewegen.
Martin Allemann, ebenfalls Stadtrat und Mitglied der Budget- und Rechnungskommission, nickt zustimmend und erklärt: «Die SP-Fraktion war eigentlich gegen die Steuersenkung.» Zwei Gründe nennt er: Erstens ist 13 Prozent der Thuner Bevölkerung für 60 Prozent des Steuersubstrats verantwortlich – diese Steuerzahler:innen würden in Zukunft 300 bis 450 Franken pro Jahr weniger zahlen. Das sei Geld, das die Stadt dringend brauche. Zweitens sei die Verschuldung der Stadt im letzten Jahr um 4 Millionen auf 94 Millionen gestiegen, obwohl Überschüsse erzielt wurden. Warum werden diese Schulden nicht erst abgebaut, bevor über eine Steuersenkung diskutiert wird?
Wie sieht es mit den Schulden aus in der Stadt Thun?
Im Gespräch wurde insbesondere von Alois Studerus und Thomas Bieri wiederholt betont, dass die Stadt Thun in Bezug auf ihre Schuldenlage sehr gut dasteht. Im Jahr 2023 hatte die Stadt Thun Gesamtschulden in Höhe von 216,9 Millionen Franken. Gleichzeitig verfügte die Stadt über ein Finanzvermögen von 340,9 Millionen Franken, was zu einem Nettovermögen von 124 Millionen Franken führt. Zum Vergleich: Die Stadt Bern hatte im Jahr 2022 ein Fremdkapital von etwa 1,5 Milliarden Franken. Andrea de Meuron hob in diesem Zusammenhang hervor: «Die Stadt Thun ist die einzige Stadt im Kanton Bern, die ein Nettovermögen und keine Nettoschulden pro Kopf der Bevölkerung aufweist.»
Diese Zahlen zeigen, dass Thun im Vergleich zu anderen Städten wie Bern oder auch Zürich (mit 7,5 Milliarden Franken Schulden) deutlich geringere Schulden hat. Dies spiegelt eine stabilere Finanzsituation und eine vorsichtigere Finanzpolitik wider – auch wenn es wichtig ist, solche Vergleiche mit Bedacht anzustellen. Die finanzielle Situation einer Stadt hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Grösse der Stadt, die wirtschaftliche Struktur und die spezifischen finanziellen Herausforderungen, denen sie gegenübersteht.
Diese Frage stellt sich die SP Thun – dennoch stimmte ihre Fraktion der geplanten Senkung im Stadtrat zu. Ob die SP Thun ihre Mitglieder letztlich zu einem JA beim Budget aufrufen wird, entscheidet sich in einer kommenden Delegiertenversammlung.
«Die SP-Fraktion war eigentlich gegen die Steuersenkung.»
Martin Allemann
Wenn das Budget abgelehnt wird: Die Folgen für eine Stadt
Am 24. November 2024 stimmt die Thuner Stimmbevölkerung nicht nur über die Steuersenkung Die Ablehnung des Budgets einer Stadt kann erhebliche Auswirkungen haben. Ohne ein genehmigtes Budget muss die Stadt möglicherweise ein Notbudget verwenden, was nur die notwendigsten Ausgaben abdeckt. Es können nur sogenannte gebundene Ausgaben getätigt werden. Dies schränkt die Handlungsfähigkeit ein und verzögert neue Projekte und Investitionen. Öffentliche Dienstleistungen könnten beeinträchtigt werden, da die Stadt nicht über die notwendigen Mittel verfügt, um alle geplanten Aktivitäten durchzuführen.
Die Stadtverwaltung muss das Budget überarbeiten und erneut zur Abstimmung vorlegen, was zusätzliche Zeit und Ressourcen erfordert und zu politischen Spannungen führen kann. In einigen Fällen kann die Ablehnung des Budgets auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein Beispiel dafür ist die Gemeinde Köniz, die 2023 ihr Budget ablehnte und daraufhin erhebliche Einschränkungen hinnehmen musste.
Wer profitiert?
Die Stimmberechtigten entscheiden am 24. November 2024 über das Budget 2025 und die darin enthaltene Steuersenkung. Automatisch stellt sich die Frage, wie die Bevölkerung von dieser Senkung profitieren würde. Moderator Elias Rüegsegger fragte hierzu bei Andrea de Meuron, Vorsteherin der Abteilung «Finanzen, Ressourcen und Umwelt» und offizielle Vertreterin der Stadt Thun, nach.
Die Zahl lässt wohl kaum ein Thuner Herz höher schlagen: Bei einem Durchschnittseinkommen von 60.000 Franken spart man 146 Franken pro Jahr, höhere Einkommen, wie das auch Martin Allemann ausgeführt hat, profitieren etwas mehr. «Die Stadt Thun lädt also die Bevölkerung jährlich zu einem zusätzlichen Restaurantbesuch ein?», fasst Elias Rüegsegger zusammen. Schnell wird klar: Der Steuersenkung fehlen für die Thuner:innen echte, spürbare Vorteile. Auch Gemeinderätin Andrea de Meuron gibt dies zu, betont jedoch gleichzeitig, dass der Schritt «historisch» sei – denn die letzte Steuersenkung in Thun liegt 30 Jahre zurück.
Nur für die Stadt Thun hat die Senkung einschneidende Konsequenzen: Die erwarteten Mindereinnahmen belaufen sich auf etwa 4 Millionen Franken pro Jahr. Dies könnte den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt in den kommenden Jahren erheblich einschränken und, wie insbesondere Jonas Baumann und Martin Allemann betonen, dazu führen, dass die Stadt Thun ihre notwendigen Aufgaben nicht mehr vollständig erfüllen kann. Ein Beispiel, das in diesem Zusammenhang häufig genannt wird, sind die dringend nötigen Renovationen an verschiedenen Schulhäusern in Thun.
Die wichtigsten Fragen, die sich Thuner:innen vor der Abstimmung stellen sollten:
Thomas Bieri (SVP): Vertraue ich darauf, dass der Gemeinde- und Stadtrat eine nachhaltige Entscheidung getroffen hat, die die Thuner:innen entlasten soll?
Alois Studerus (Die Mitte): Möchten wir weiterhin Steuern auf Vorrat einziehen, obwohl die Kassen bereits gefüllt sind?
Jonas Baumann (EVP): Wie gross sind die tatsächlichen Effekte dieser Steuersenkung? Sind diese Effekte vertretbar?
Martin Allemann (SP): Möchte ich der öffentlichen Hand noch mehr finanzielle Mittel entziehen, oder soll sie ihren Handlungsspielraum behalten, um notwendige Aufgaben zu erfüllen?
Andrea de Meuron (Grüne): Kann ich darauf vertrauen, dass sich das Parlament ausreichend mit der Thematik befasst und einen sinnvollen Weg beim Budget und den Steuern eingeschlagen hat?