Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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«Ich spüre da in der Mitte eine gewisse Spannung», untertreibt der Moderator Elias Rüegsegger nach der Hälfte eines hitzigen Politabends. Denn inzwischen ist ein Zweikampf zwischen Daniela Huber-Notter (Die Mitte) und Jonas Baumann-Fuchs (EVP) ausgebrochen: Beide rechnen sich Chancen auf einen Sitz zwischen Links und Rechts im Gemeinderat aus. Spätestens jetzt wird klar: Es bleibt nicht bei Phrasen an diesem Abend. Es wurde bis bissig. Doch der Reihe nach.
Thun wählt – die Parteien, die Köpfe und die Machtfrage – die Thuner Wahlarena und Wahlbörse am Freitag, 11. November 2022, organisiert von UND Generationentandem zog über 120 Politinteressierte in ihren Bann.

Am Gymnasium Thun versuchten die Kandidierenden zu überzeugen. Das tönte dann etwa so: Die FDP sei «ohne ideologische Färbung», meint Stadt- und Gemeinderatskandidat Reto Beutler, der als Newcomer zum Sprung in die Thuner Politik ansetzt.


«Die GLP ist ein verlässlicher Partner – wir wollen nachhaltige, verständliche Politik mit der Wirtschaft und Bevölkerung», sagt Nicole Krenger von der GLP.
Der Parteiwechsel des Thomas Rosenberg
Gelitten habe die Partei aber, weil man plötzlich zwei statt drei Sitze hatte. Nicole Krenger spricht den Parteiwechsel von Thomas Rosenberg zu den Grünen an: «Klar ist das ein Frust.» Dieser meint: «Ein Parteiwechsel ist nicht eine leichte Sache – jetzt bin ich aber am richtigen Ort.» Die Grünliberalen zu schwächen sei nicht sein Ziel gewesen.

Der linke Fuss des Reto Schertenleib
«Ich liebe den Dorfcharakter Thuns, gleichzeitig hat das Dörfliche etwas Konservatives», so Alice Kropf (SP), die Gemeinderätin werden und Thun «urbaner» machen möchte. Reto Schertenleib (SVP) steht am anderen Ende des Podiums.
Er mag Alice Kropf persönlich sehr, doch in der Sache, sei die SVP natürlich «konsequent bürgerlich – aber nicht stur». Schertenleib, der vor einem Jahr die Wahl in den Gemeinderat verpasste, will sich nicht als Verlierer bezeichnen.
«Konsequent bürgerlich – aber nicht stur.»
Reto Schertenleib (SVP)
«Dass ich bei den Wahlen 2022 neben Raphael Lanz als kumulierter Kandidat antrete, hat eine Geschichte», vor siebeneinhalb Jahren hätten sie das miteinander aufgegleist. Der vorzeitige Rücktritt von Roman Gimmel aus dem Gemeinderat 2021 habe die SVP dann zugegebenermassen eher auf dem linken als dem rechten Fuss erwischt. Lacher im Publikum.


Die Macht der Linken?
Was Schertenleib ärgert: Die Linke Mehrheit im Gemeinderat. Die sei vereinzelt spürbar. Etwa wenn jetzt mit dem geplanten Budget, das Stellenmoratorium aufgehoben und 22 neue Stellen geschaffen werden sollen: «Zweiundzwanzig». «Das Moratorium war wegen Corona», entgegnet Kropf und süffisant: «bei der Wahrheit bleiben, gäu!». Der freundliche Zweikampf zwischen links und rechts geht noch etwas weiter. Bei der Wahrheit wollen beide sein.
Der Angriff der Daniela Huber-Notter
Ein anderer Zweikampf ist weniger freundlicher. Und einer hat daran gar keine Freude: «Das ist eine Niederlage bevor wir angetreten sind», so Manfred Locher von der EDU fast emotional. Der Versuch eine «Allianz für Thun» zwischen EVP, GLP, EDU, Die Mitte und FDP zu schliessen, scheiterte. Der erfahrene Polithase Locher, der sich als «die Mitte der Mitte» sehe, habe bis am Schluss dafür gekämpft, dass es gemeinsam geht: «Wir waren auf der Zielgeraden für zwei Sitze im Gemeinderat.»

«Eine Chance verpasst?», fragt Moderator Rüegsegger bei Daniela Huber-Notter nach: «Nicht einfach bloss ich wollte das nicht. Wir haben Parteimitglieder – und ich wurde portiert.» So sei es ebenso der Entscheid der Partei gewesen, Jonas Baumann (EVP) nicht als gemeinsamen Kandidaten aufzustellen.
«Wir brauchen zuverlässige Partner – Leute die pünktlich sind, Leute, die wissen, wie man die Uhr liest.»
Daniela Huber-Notter (Die Mitte)
«Wir brauchen zuverlässige Partner – Leute die pünktlich sind, Leute, die wissen, wie man die Uhr liest.» Dieser persönliche Frontalangriff, in der Lokalpolitik eher unüblich, löste ein Raunen im Publikum aus.
Die Fehlerkultur des Jonas Baumann
Worum geht’s? Vor einem Jahr wollte Jonas Baumann (EVP) für eine breite Mitte-Allianz den Sitz des überraschend zurückgetretenen Roman Gimmel erobern. Ein Triell gegen SVP-Kandidat Schertenleib und SP-Kandidatin Katharina Ali-Oesch zeichnete sich ab. Nur: Baumann kam mit den nötigen Unterschriften für die Portierung als Kandidat Minuten zu spät im Rathaus an.

Was sagt Baumann ein Jahr danach zur Geschichte? «Das ist ein Musterbeispiel, wie wir mit Fehler umgehen» reagiert Baumann auf dem Podium. «Ja, ich bin Minuten zu spät im Rathaus gestanden und ich bin für den Fehler hingestanden.» Er finde es wichtig, dass man Fehler auch vorlebe – «sonst machen es die hintendran auch nicht». Huber-Notter bleibt hart: «Für meinen Vorstand und die Fraktion wäre eine Unterstützung nie und nimmer gegangen.» Nun springt Manfred Locher (EDU) Baumann zur Seite: «Einen, der seit Jahren bewährt ist, steckt man nicht einfach in die Kühlbox.»

Kurze Fragen – Farben als Antworten
Bei knapp 40 Kurzfragen mussten die Thuner PolitikerInnen Farbe bekennen. So sehen die WählerInnen sofort, woran sie sind. Die Bilder zu den einzelnen Fragen von «Thuner Wasserzauber auch 2023?» bis hin zu «Steuersenkung in den nächsten vier Jahren?» haben wir hier aufbereitet.
«Sprecht mit jener Partei, mit der ihr das Heu nicht auf der gleichen Bühne habt.»
Heidi Bühler-Naef
«Sprecht mit jener Partei, mit der ihr das Heu nicht auf der gleichen Bühne habt», motiviert Heidi Bühler von UND Generationentandem das Publikum zum Start der Wahlbörse im Anschluss an die Debatte. Ebenso breit und bunt wie heute diskutiert worden sei, so Bühler, «ist auch UND Generationentandem: Ich schlage vor, ihr werdet alle Mitglieder.»


SVP, SP, Grüne, Die Mitte, FDP, Grünliberale, EVP und EDU: Wofür stehen die Parteien und ihre KandidatInnen? Bei der Wahlbörse konnten die BesucherInnen die PolitikerInnen persönlich befragen. Jede Partei war mit Informationen und Unterlagen vor Ort.
Grüne Farbe für UND
Danach gibt’s Applaus für eine überraschende Debatte. Wer am 27. November gewinnt, ist noch offen. Aufgetrumpft hat der organisierende – und politisch unabhängige Verein aus Thun. Eine Frage in eigener Sache konnte sich der Moderator und Geschäftsleiter von UND Generationentandem nicht verkneifen: «Soll der Verein UND Generationentandem künftig von der Stadt Thun jährlich mehr als 30‘400 Franken bekommen?» Lauter grüne Farben schnellen in die Höhe. Mitglieder des innovativen Vereins werden gut hingeschaut haben.
Die KandidatInnen im 1:1
Veranstaltungen zu den Wahlen in Thun
UND Generationentandem hat gleich zweimal zur Debatte zu den Wahlen in Thun geladen. Neben diesem Podium lud der Verein in Kooperation mit dem «Thuner Tagblatt» zum Podium zum Stadtpräsidium: Der oder die Stapi?