Bericht: Raphael Bigler (38)
Die Schweiz braucht sauberes Trinkwasser. Aber zu welchem Preis? Was heisst sauber genau? Noch viel schwieriger ist die Frage wie schnell und effizient sauberes Trinkwasser hergestellt werden kann. Über die Trinkwasserinitiative wird am 13. Juni abgestimmt. Was sind die Inhalte der Initiative und wie sieht der Plan der Initianten vom Verein «Sauberes Wasser für alle» aus?
Lara Thurnherr (20) moderierte das brisante Politpodium zur Trinkwasserinitiative von UND Generationentandem am Mittwoch 2. Juni 2021. Es diskutierten: Franziska Herren (54), Initiantin und Präsidentin vom Verein «Sauberes Wasser für alle», Michael Gilgen (22), Junglandwirt und angehender Agrotechniker, Regina Fuhrer-Wyss (62), Bio-Bäuerin und SP-Grossrätin Kanton Bern und Martin Rufer (44), Direktor des Schweizer Bauernverbandes.
Franziska Herren und Martin Rufer eint in diesen Tagen eines: Ihr Terminkalender ist voll, die Tage streng, der Wahlkampf ermüdend. Ansonsten haben die Initiantin der Trinkwasserinitiative und der Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes grosse Differenzen in der Trinkwasser-Debatte.
Anstoss zu dieser Diskussion ergab ein vor zwei Jahren veröffentlichter Bericht vom Bundesamt für Umwelt zur Analyse des Grundwassers. Dieser untersuchte 80 Prozent des Schweizer Trinkwassers. Der Bericht hat aufgezeigt, dass bei jeder 5. Messstelle der Grenzwert an Rückständen von giftigen Pflanzenschutzmitteln überschritten ist. Diese Stoffe gelangen in unser Trinkwasser und sind schädlich für unsere Gesundheit. Aufgrund dieser beunruhigenden Situation sucht der Bund aktuell und in Zusammenarbeit mit den Kantonen Bern und Solothurn nach sauberen Trinkwasserquellen.
Die ökologischen Auflagen der Initiative sollen dazu dienen den Schutz der Umwelt und des Trinkwassers zu verstärken. Direktzahlungen sollen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe ausbezahlt werden, welche die Auflagen einhalten.
Die Landwirtschaftsbetriebe müssen in der Lage sein ihre Tiere mit dem Futter des eigenen Betriebes zu ernähren und sollen bei der Tierhaltung keine Antibiotika einsetzen, sei es vorbeugend oder regelmässig. Im Weiteren will die Initiative die Düngermengen verringen, indem sie die Zahl der Tiere pro Landwirtschaftsbetrieb einschränken will und die Landwirtschaftsbetriebe sollen zur Erhaltung der Biodiversität beitragen. Geplant soll die Initiative nach einer Übergangsfrist von 8 Jahren im Jahr 2029 in Kraft treten.
Franziska Herren (54), Initiantin vom Verein «Sauberes Wasser für alle» erklärte: «Der Zustand der Trinkwasserqualität im Kanton Bern ist nicht mehr tolerierbar, was die Annahme der Initiative unabdingbar macht.» Sie fordert die Umlenkung der Direktzahlungen in eine pestizidfreie Landwirtschaftsproduktion. In eine biologische Landwirtschaftsproduktion ohne chemische und synthetische Pflanzenschutzmittel, aber mit Ausnahme von biologischen Pflanzenschutzmitteln. Es ist erwiesen, dass die Böden und die Umwelt durch diese nicht gleichermassen beeinträchtigt werden.
Auf der anderen Seite argumentierte Martin Rufer (44), Direktor des Schweizer Bauernverbandes, dass die Schweizer Landwirte ein ureigenes Interesse für sauberes Trinkwasser haben. Jedoch habe die Trinkwasserinitiative zu wenig Wirkung. Seit vier Monaten bestehe bereits ein strenges Pestizidgesetz, welches 100-fach tiefere Grenzwerte als im nahen Ausland vorschreibt. Die Einhaltung dieser Massnahmen sei der richtige Weg für die Verbesserung der Trinkwasserqualität.
Ähnliche Statements liefert Michael Gilgen (22), Junglandwirt und angehender Agrotechniker. Die Problematik der Verunreinigung des Trinkwassers sei ihm bekannt. Aufgrund der Witterungsabhängigkeit ist die mechanische Bekämpfung des Unkrauts schwierig zu bewerkstelligen, was den Einsatz von Herbiziden in der Landwirtschaft nötig macht. «Die Trinkwasserinitiative ist der falsche Weg.» Eine Landwirtschaftsproduktion ganz ohne Pestizide ist illusorisch, funktioniert in der Realität nicht und die Umstellungsphase von acht Jahren ist zu knapp berechnet.
Regina Fuhrer-Wyss (62), Bio-Bäuerin und SP-Grossrätin Kanton Bern führt ihren biologischen Landwirtschaftsbetrieb als natürlichen und ganzheitlichen Kreislauf. «Eine gesunde Fruchtfolge und die Stärkung des gesunden Bodens sind die elementaren Ziele von unserem rein biologischen Ansatz.» Ganz nach dem Grundsatz des Biolandbaus setzen wir keinerlei chemische und synthetische Pestizide und Dünger ein. Es werden nur biologische Pflanzenschutzmittel eingesetzt, welche nicht wie chemische und synthetische Pestizide in die Natur eingreifen.
Lara Thurnherr kam zurück auf den Punkt des Wortlauts des Initiativtextes betreffend der eigenen Tierfutterproduktion der Landwirtschaftsbetriebe und führte die Diskussion in diese Richtung.
Es ist eine Tatsache, dass die Nutztierhaltung in der Schweiz hoch ist. Konkret ist die Nachfrage von KonsumentInnen für Geflügelprodukte in der Schweiz zu hoch, so dass zusätzliche Futterimporte getätigt werden müssen, welche zu überhöhten Ammoniakemissionen führen. Diese Ammoniakemissionen sind 70 Prozent höher als vom Schweizer Gesetz erlaubt. Ammoniak verteilt sich in der Umwelt flächendeckend und führt zu saurem Regen, welcher die Wälder und Böden überdüngt. Schlussendlich landet dadurch Nitrat im Trinkwasser, was als krebserregend gilt und dies ist eine direkte Folge der überhöhten Nutztierhaltung in der Schweiz, die wie bereits erwähnt durch den Futterimport zusätzlich angeheizt wird. Es ist ebenfalls erwiesen, dass die Biodiversität stark unter dem Einsatz von Pestiziden und Ammoniakemissionen leidet. Gemäss den BefürworterInnen der Initiative sind in den letzten 30 Jahren 60 Prozent der Insekten und 60 Prozent der insektenfressenden Vogelarten verschwunden.
Durchschnittlich verfügt jeder Schweizer Landwirtschaftsbetrieb über 19 Prozent an Biodiversitätsförderflächen. Dies sei ein positiver Wert, jedoch muss die Qualität der Biodiversitätsflächen verbessert werden, erklären die Gegner der Initiative. Das grundsätzliche Problem liegt darin, dass die Biodiversität nicht ganzheitlich umgesetzt wird. Beispielsweise wird diese beim konventionellen Kartoffelanbau nicht angewendet und hat in dieser Hinsicht noch starkes Entwicklungspotential.
Fakt ist, die für die Landwirtschaftsproduktion eingesetzten Hilfsstoffe wie Pestizide, Antibiotika und Gülle landen in unserem Trinkwasser. Darum kann die Produktion der Lebensmittel nicht von der Qualität von unserem Trinkwasser und unseren Gewässern getrennt werden.
Die ökologischen Aspekte müssen mit den ökonomischen Interessen in Einklang gebracht werden, ansonsten verliert die Schweiz in naher Zukunft wortwörtlich an Boden und an biodiversitärem Lebensraum. Ob die Trinkwasserinitiative dazu der richtige Weg ist, entscheiden nun die StimmbürgerInnen.
Die Politpodien von UND Generationentandem
UND Generationentandem lanciert vor eidgenössischen Abstimmungen Politpodien. Diese Veranstaltung findet ausschliesslich digital statt. Sie kann digital via Livestream verfolgt werden. Das Publikum hat auch via Livestream Gelegenheit Fragen zu stellen.
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