
2022 führte die Schweiz Waren für 278 Milliarden Franken aus und für 235 Milliarden ein, was eine positive Handelsbilanz von 43 Milliarden ergab. Die Macht der Schweizer Wirtschaft wird in den kommenden Monaten wahrscheinlich etwas kleiner werden, weil inzwischen viele Probleme auftauchten, die die Firmen nicht selbst aus dem Weg räumen können. Aktuell hat sie laut ExpertInnen, die in der Handelszeitung, in der Bilanz oder anderen Fachzeitschriften berichten, vier Hauptprobleme.
Die Zinssteigerung
Um die hohe Teuerung zu bremsen, erhöhte die Nationalbank die Zinsen rapide vom Negativzins (-1,75) auf fünf Prozent. Die Marktzinsen stiegen hinterher – zum Beispiel für Hypotheken. Viele Firmen hatten mit billigem Fremdgeld neue Produktionshallen bauen lassen und neue Maschinen, Apparate und Computersysteme gekauft, um effizienter produzieren zu können, also ihre Kosten zu senken. Nun müssen sie für die Investitionen plötzlich viel höhere Zinsen bezahlen. Die Gewinnmarge wird kleiner, ja der Gewinn kann sogar zu einem Verlust werden. Besser geht es Firmen, die via neue Aktien zu Geld kamen. Der Nachteil: Die Aktien können schnell an Wert verlieren. Nestlé zum Beispiel ist auf dem Aktienmarkt nur noch halb so viel wert wie vor einem Jahr. Logitech war 2021 20 Milliarden Dollar wert und heute noch 10,1 Milliarden. Das sind ungeheure Verluste für die Aktionäre und die Firmen.

Der Pharma und der Chemiebranche geht es mehrheitlich sehr gut – sie verdienten im Jahr 2022 über 50 Prozent aller Exporteinnahmen der Schweiz. 2022 sponserte die Pharmaindustrie die Lobby-Organisationen mit 221 Millionen Franken. Das ist für die Schweiz einerseits ein Vorteil, andererseits ein Risiko wegen der einseitigen Abhängigkeit dieser Vielverdiener und ihrer Macht. Die Maschinen- und Elektroindustrie verdient jedes Jahr weniger, obschon sie dank gut ausgebildeter MitarbeiterInnen sehr gute Produkte herstellt. Die Immobilienbranche profitiert in der Schweiz davon, dass der Wohnraum knapp ist und die erhöhten Zinsen von vielen MieterInnen noch bezahlt werden können.
Die Banken profitieren einerseits von den höheren Zinsen, die sie von Besitzern von Wohnungen, Bürogebäuden und von Firmen erhalten. Auch von der Schweizerischen Nationalbank erhalten die Banken risikolos sechs Milliarden Franken Zins für Kapital, das sie dort parkieren – ein Verlustgeschäft für die Nationalbank, die darum kein Geld an Bund und Kantone ausschütten kann. Die Politik bleibt da offenbar machtlos! Andererseits sinkt der Wert vieler Aktien. Wenn Banken die Aktien für KundInnen verwalten, erleiden die KundInnen die Verluste und werden ihr Geld umlagern. Wie die Handelszeitung schreibt, sind Bonds (Obligationen) aktuell wieder gefragt, da sie, im Gegensatz zu Aktien, feste Zinsen bieten. Das gibt grosse Geldverschiebungen im Markt und kann auch für die Banken ein Problem werden.
Der Tourismusbranche ging es bisher auch noch gut. Eine fast weltweite Rezession könnte allerdings viele Kunden kosten, wie die Immobilienkrise in China bereits heute zeigt: Die ChinesInnen fehlen weitgehend als Touristen.
Die Teuerung
Werkstoffe und Halbfabrikate werden teurer, die Personalkosten steigen in Branchen mit Fachkräftemangel, die Transporte und die Energie werden teurer, die Computersysteme und deren Vernetzung kosten mehr und wegen vieler Cyberangriffe muss mehr in die Sicherheit investiert werden. Die Verkaufspreise können aber oft nicht dementsprechend erhöht werden. Um Verluste zu vermeiden, werden die Firmen wohl Personal entlassen.
Die Wechselkurse
Weil der Dollar und der Euro gegenüber dem Franken an Wert verlieren, sind ausländischen Firmen die Produkte aus der Schweiz zu teuer, ausser sie sind herausragend. Der günstigere Einkauf der Materialien im Ausland kann diesen Nachteil für Schweizerfirmen nicht wettmachen.
Die Rezession
Die Bestellungseingänge aus dem Ausland gehen zurück, weil die Rezession dort viele Firmen mit Erneuerungen und Investitionen zuwarten lässt. Erste Schweizerfirmen mussten bereits schliessen oder Personal abbauen. Andererseits entstehen viele «Startups», also kleine, innovative Firmen mit neuen Angeboten, die rentieren, wenn sie sich gut verkaufen können.
Sofern die Wirtschaft weniger Gewinne erarbeitet, wird sie weniger Steuern zahlen und die Öffentlichkeit wird sparen müssen. Andererseits sollte sie künftig Steuergelder in erneuerbare Energien und vieles andere investieren. Die Firmenlobby wird sich wehren, also ihre Macht ausspielen. Hohe Staatsschulden zu machen ist jedoch nicht ratsam, wie am Beispiel der USA zu sehen ist, die mit rund 18 Billionen Dollar im Ausland verschuldet sind. Nur der weltweite Glaube an den Dollar verhindert, dass die USA als bankrott erklärt werden.
Die Umweltprobleme werden vor allem beachtet werden, wenn sie zu Gewinnen führen: Einzelne Firmen machen mit grünen Ideen Gewinne, weil sie zum Beispiel Kunststoffabfälle in Stoffe umwandeln, aus denen wieder Kunststoffe hergestellt werden können. Neue, vegane Lebensmittel werden hergestellt und verkauft.

Fazit: zwischen Macht und Markt
Die «freie Wirtschaft» ist nicht ganz so frei und mächtig, wie sie es gerne wäre. Die Politik sollte darauf Einfluss nehmen, dass die Wirtschaft nicht nur für die Reichen arbeitet, sondern eine «Soziale Marktwirtschaft» bleibt, die für alle etwas abwirft. Dafür gibt es Gesetze und eine gewisse Kontrolle. Andererseits hat die Wirtschaft durch ihre Lobbyisten und bürgerlichen Politiker sehr viel Einfluss auf die Politik.
Die KonsumentInnen in der Schweiz kaufen meistens Non-Food-Artikel, die in Billiglohn-Ländern produziert wurden, seien es Kleider und Schuhe, Haushaltgeräte, Handys und Fernseher, Autos, Velos und Motorräder, Spielzeug, Möbel und so weiter. Nur gewisse Luxusprodukte werden hier oder in der EU hergestellt, wie zum Beispiel teure Uhren, Schmuck, Parfüms, Masskleider, teure Autos (ein Rolls Royce kostet über eine halbe Million) und fast alle Gebäude.
«Die «freie Wirtschaft» ist nicht ganz so frei und mächtig, wie sie es gerne wäre.»
Die Kunden in der Schweiz profitieren meistens kaum vom billigen Einkauf der Firmen im Ausland. Kleider und Schuhe werden oft zehnmal teurer verkauft, als sie angeschafft wurden. Lebensmittel und Medikamente sind zum Beispiel in der Schweiz deutlich teurer als in der EU. Die Konsumenten steuern den Markt teilweise dadurch, dass sie etwas kaufen oder nicht kaufen. Ihre Käufe werden allerdings durch die Werbung und die Moden stark beeinflusst. Schon Kinder und Jugendliche wollen Kleider und Schuhe, die «in» sind, und das sind meistens die teuren Sachen, die den weltweiten Firmen grosse Gewinne bescheren. Die Kunden sind nur im Luxusbereich Könige, sonst meistens Manipulierte. Wir KundInnen sollen Arbeiten der VerkäuferInnen selbst übernehmen: Die Preise der Waren einscannen, mit der Kreditkarte oder dem Handy bezahlen oder gar alles im Internet einkaufen – oft ohne Beratung.

Die Macht der KonsumentInnen nimmt laufend ab. Zudem überwachen Firmen sie mit tausenden von Kameras sowie via Internet, um das Kaufverhalten gezielt steuern zu können. Die ArbeitnehmerInnen verdienen sehr unterschiedlich hohe Löhne. Akademiker und rare Fachleute verdienen – je nach Branche – relativ viel Geld, schlecht Ausgebildete, häufig AusländerInnen, erhalten oft zu wenig zum Überleben und benötigen trotz einer Vollzeitanstellung zusätzlich Sozialhilfe. Arbeitskräfte auf Abruf sind nochmals schlechter gestellt und die illegal in der Schweiz lebenden Menschen sind ihren Arbeitgebenden untertan, also machtlos. Viele Angestellte fühlen sich überfordert, sei es, weil das Arbeitspensum zu hoch ist oder weil die Bedingungen und die Führung schlecht sind, getrauen sich aber nicht, sich zu wehren. Sie haben also sehr wenig Macht oder nehmen sich zu wenig. Die Chefs auf verschiedenen Stufen in Betrieben üben oft zu viel Macht aus, solange die Angestellten und ArbeiterInnen sich nicht solidarisieren und sich gemeinsam wehren – wie in einer Gewerkschaft.
«Die meisten WirtschaftsanalystInnen prognostizieren eine Rezession, also einen Rückgang der Umsätze.»
Die grösste Macht haben in der Schweiz die Superreichen, die sehr viel Geld von professionellen AnlegerInnen und InvestorInnen möglichst gewinnbringend investieren lassen und so fast von selbst immer reicher werden. Zu ihrer Sicherheit kaufen sie überall auf der Welt Häuser und engagieren teils sogar Privatarmeen, um ihre Geschäfte durchzusetzen. Für die eigene Sicherheit engagieren sie Bodyguards und fliegen mit Privatjets um die Welt.
Einzelne Superreiche spenden Geld für Kultur, Sport oder soziale Einrichtungen. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, steigerte sein Vermögen auf 242,1 Milliarden Dollar. Das Gesamtvermögen der 300 Reichsten in der Schweiz erreichte in diesem Jahr 795’025’000’000 Franken, eine unvorstellbare Summe. 52,5 Prozent der globalen Bevölkerung besitzen hingegen weniger als zehntausend Dollar oder haben Schulden.
Die meisten WirtschaftsanalystInnen prognostizieren eine Rezession, also einen Rückgang der Umsätze. Eine Rezession würde die Macht der Reichen weiter vergrössern und die Armen noch mehr verarmen lassen, was leider auch zu mehr sozialen Unruhen führen würde. Eine fast weltweite Reduktion des Konsums und der Produktion könnte eventuell die Umwelt entlasten und zu mehr sinnvoller Arbeit für Lohnabhängige führen. Dazu wäre es auch höchste Zeit.

Was bedeutet das alles für mich?
Mich interessieren die vielen Fachartikel in der Handelszeitung, in der Bilanz und in elektronischen Medien, obschon ich keine Aktien und keine Bonds besitze.
Ich verstehe heute besser als früher, was in der Wirtschaft wie abläuft, kann aber trotzdem keinen Einfluss darauf nehmen – ausser bei gewissen Abstimmungen, die wirtschaftliche Themen behandeln, und beim Konsum, indem ich umweltfreundlicher einkaufe.