Und am Ende begeben sich die DiskutantInnen in eine Welt voller Wunder: Sie alle können sich in ein Tier verwandeln. Hans Jörg Rüegsegger (50), der Bauer aus Riggisberg, möchte mal eine Biene sein – «ganz klar». Mathias Müller, Psychologe und Berufsoffizier, wählt den Waschbären als «extrem flexibel, anpassungsfähig – ein brillantes Tier». Verena Wagner von Pro Natura möchte mal ein Mauersegler sein. Und Nils Fiechter, Gemeindeverwalter in Oberwil und vor allem umtriebiger und umstrittener Jung-SVPler, schiesst zum Schluss den Vogel (zum Glück nicht den Mauersegler) ab: «We ni grad chönnt wähle… de möchti gärn… e Wolf sy.»
Beim Politpodium vom Mittwoch, 16. September geht es um Luchs, Biber, Höckerschwan und Waldschnepfe – vor allem aber um den Wolf. Das doch eher komplexe Jagdgesetz sorgt im Berufsbildungszentrum IDM in Thun dank sympathischer Gäste und kurzweiligem Talk vor gut 100 – vor allem jungen – Menschen für unterhaltsame, informative politische Bildung.
Wie viele Zähne ein Wolf hat – das weiss von den Podiumsgästen niemand. 42 sind es. Solche und ähnliche Fragen stellt Moderator Elias Rüegsegger (26) den Gästen in Form eines Quiz‘. Was aber alle wissen: Wann der erste Wolf wieder in die Schweiz eingewandert ist: 1995. Seit diesem Zeitpunkt erhöhte sich die Population der Wölfe stetig. Inzwischen leben mindestens 80 Wölfe in der Schweiz.
Damit nehmen auch die Konflikte mit dem Mensch wieder zu. Nils Fiechter provoziert: «Der Wolf gehört nicht in die Schweiz.» Darauf Verena Wagner entsetzt: «Das heisst, Sie wollen ihn ausrotten…» So weit wollte Jagdgesetz-Befürworter Hans-Jörg Rüegsegger vom Bauernverband nicht gehen – er befürwortet die Artenvielfalt, zu der auch der Wolf gehöre – von Ausrotten könne keine Rede sein. Aber: «Wenn der Wolf dem Menschen zu nahe kommt, muss man gewisse Gesetze anpassen.»
Die Befürworter beschwören nun vielfach den pragmatischen Kompromiss, den dieses Gesetz beinhalte. Denn auch die Befürworter seien nicht überall einverstanden – etwa beim damit ausgebauten Herdenschutz. Nils Fiechter wedelt dazu mit einem Gutachten in der Hand herum: «Das ist für die Bauern ein grosser bürokratischer Aufwand.»
Der Wolf erhitzt die Gemüter in der Debatte ungemein. Doch geht es auch noch um mehr. Eine grosse Differenz zeigte sich beim Podium auch hier: Ist das Jagdgesetz nun ein Schritt in Richtung pragmatischem Artenschutz – oder sogar ein Rückschritt? «Tiere wie das Schneehuhn, die Waldschnepfe oder der Birkhahn werden im Gesetz mit keinem Wort erwähnt», redet sich Verena Wagner in Fahrt: «Wir leben in Zeiten des Artensterbens im 21. Jahrhundert und produzieren ein solches Gesetz…»
Nils Fiechter entgegnet, dass ohne neues Gesetz ja auch nichts besser werde. Darauf Mathias Müller, SVP-Grossrat: «Das ganze Gesetz ist ein Murks, zurück an den Absender!» Eine bessere Lösung sei ganz sicher nötig. Und Verena Wagner setzt einen drauf: «Ich kann es nicht akzeptieren, wenn sich die Befürworter nun als die grossen Artenschützer inszenieren…»
Auf dem Podium
Mit grossem Elan – in der Sache hart, menschlich fair: So präsentierten sich die Podiumsgäste vor dem Publikum.
Drittes und letztes Podium
UND Generationentandem lancierte vor den eidgenössischen Abstimmungen insgesamt drei Politpodien zur Begrenzungsinitiative (2.9.), zur Beschaffung neuer Kampfflugzeuge (9.9.) und zum Jagdgesetz (16.9.). Die Podien fanden live mit Corona-Schutzkonzept und digital via Livestream statt – dies auf Facebook. Die aktive politische Debatte ist durch Corona bedroht. Der Verein will mit diesen drei Podien im Herbst einen Beitrag zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über die wichtigen Abstimmungsvorlagen leisten. Auch vor den nächsten eidgenössischen Abstimmungen sind weitere Politpodien geplant.