1. Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?
Das bedingungsloses Grundeinkommen will, dass jeder Bürger, jede Bürgerin monatlich den Betrag bekommt, den er oder sie unbedingt zum Leben braucht. In der Schweiz geht man von einem Ansatz von 2500 Franken aus. Der Betrag wird bedingungslos, also unabhängig von einer Gegenleistung, ausbezahlt.
Der Text der Initiative lässt Vieles offen. Er verlangt nur, dass der Bund ein bedingungsloses Grundeinkommen einführt, das «der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben» ermöglicht. (wka)

2. Wer hatte die Idee?
Die Initiative wurde nicht von einer der grossen Parteien begründet. Auch im Abstimmungskampf wird sie von diesen Parteien nicht unterstützt. Das Initiativkomitee erklärt sich für parteipolitisch und konfessionell neutral. Es ist zusammengesetzt aus Menschen verschiedener Berufsrichtungen, vor allem auch aus dem Kulturbereich. Die Finanzierung geschieht nach eigenen Angaben durch «bürgerschaftliches Engagement und Spenden». (wka)
3. Die Initiative wird ja eh nicht angenommen – lohnt sich eine Debatte überhaupt?
Die Initiative wird wohl tatsächlich nicht angenommen. Das zeigt zumindest eine Umfrage der SRG von Ende April: Nur 24 Prozent würden eher oder sicher ein Ja in die Urne legen. Doch spricht das gegen eine Diskussion über Arbeit und ihren Wert? Die öffentliche Debatte wird engagiert geführt und kaum einer behauptet, dass es keinen Handlungsbedarf gibt. Und übrigens: Nachdem im Jahr 1918 zum ersten Mal im Nationalrat Vorstösse für das Frauenstimmrecht eingereicht wurden, mussten sich die Frauen noch Jahrzehnte gedulden. Und erst 1971 – nach verlorener 1. Abstimmung im Jahr 1959 – erhielten die Frauen ihr Stimm- und Wahlrecht. Ob es beim Grundeinkommen auch so geht? (er)

4. Werden bei einem Grundeinkommen die Leute noch arbeiten wollen?
Interessant ist, dass bei einer Umfrage etwa 90 Prozent der Ansicht waren, sie würden trotz des Grundeinkommens weiter arbeiten, während 80 Prozent glaubten, die (andern) Leute würden keine Arbeit mehr verrichten.
In der Schweiz hat die Arbeit einen grossen Stellenwert. Ganz abgesehen davon, dass die meisten sich mit 2500 Franken nicht zufrieden gäben, bedeutet bei uns Arbeit für die meisten Menschen mehr als nur Gelderwerb. Arbeit bringt Kontakte, gibt Ansehen, vermittelt ein Gefühl sinnvollen Lebens. Anders wird es allerdings bei den unattraktiven Arbeiten. Hier wäre das Grundeinkommen ein Antrieb zu mehr Gerechtigkeit; es müssten höhere Löhne eingesetzt werden, um Leute dafür zu gewinnen. (wka)
5. Was würde sich mit dem Grundeinkommen für das Leben junger Menschen ändern?
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie würde erleichtert. Karriereplanung und Kinderwunsch wären keine widersprüchlichen Wünsche mehr. Vielleicht würden auch mehr StudentInnen Eltern. Viele würden wohl auf ihren Job, um sich die Ausbildung zu finanzieren, verzichten. Die jungen Menschen würden sich stärker auf ihre Ausbildung konzentrieren. Gut möglich auch, dass noch viele junge Menschen mehr ein Zwischenjahr oder Zwischenjahre einschieben würden. Weniger Druck, mehr Entfaltungsmöglichkeiten. (er)

6. Was würde sich mit dem Grundeinkommen für das Leben älterer Menschen ändern?
Bestimmt würde die AHV durch das Grundeinkommen ersetzt. Renten, die über 2500.- hinausgehen, würden soweit gekürzt, dass sie zusammen mit dem Grundeinkommen den früheren Betrag ergeben. Wer eine IV von 4000 Franken benötigt, um leben zu können, bekäme 2500 Franken Grundeinkommen und 1500 Franken IV.
Es würde sich für ältere Menschen finanziell wenig ändern. Allerdings würde dann die ältere Generation vom Unbehagen entlastet, dass sie auf Kosten der jungen Generation lebt. Beide Generationen bekommen ja das gleiche Grundeinkommen. (wka)
7. Warum gibt es beim Grundeinkommen Gegner und Befürworter aus allen Parteien?
Es gibt in beinahe allen Parteien Befürworter und Gegner des Grundeinkommens. Gerade bei den Linken gibt es gegensätzliche Positionen. Gegner wie der Gewerkschafter Corrado Pardini befürchten dass bei der Umsetzung der Initiative der Sozialstaat abgebaut würde. Der SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab sagte gegenüber SRF: «Wir wissen heute, wie menschenfeindlich, wie arbeitnehmerfeindlich die heutige Mehrheit im Nationalrat ist. Das ist eine zu grosse Gefahr, dass man solchen Leuten einfach ein leeres Blatt gibt, damit sie unsere Sozialwerke zerstören.» Liberale, sehen Chancen, da Bürokratie abgebaut werden könnte. Das Grundeinkommen scheint mehr eine Glaubensfrage denn eine Frage von Links und Rechts zu sein. Die Utopie reizt einige. Andere wollen keine Experimente wagen. Wieder andere glauben, dass viele das Grundeinkommen ausnützen und gar nicht mehr arbeiten würden. (er)

8. Was bedeutet «Arbeit» für uns, wenn das Grundeinkommen eingeführt wird?
Arbeit wäre mehr als bisher mit einem Gefühl von Freiheit verbunden. Wer bereit ist, bescheiden zu leben, könnte wenig Erwerbsarbeit leisten und sich dafür vermehrt kreativen, künstlerischen oder gesellschaftlichen Tätigkeiten widmen. Einsatz für alte und kranke Angehörige, soziale Tätigkeiten im Flüchtlingswesen, Arbeiten im Umweltbereich und so weiter könnten mit grosszügigerem Einsatz geleistet werden. (wka)
9. Was sagt UND zum bedingungslosen Grundeinkommen?
Jung und Alt finanzieren ihren Lebensunterhalt nicht gleich wie die Erwerbstätigen. Die Älteren bekommen die AHV, die Jüngeren sind noch in Ausbildung und werden von den Eltern oder Stipendien unterstützt. Beide Generationen finanzieren also ihren Lebensunterhalt oft nicht einfach aus eigenem aktuellen Verdienst. UND setzt sich für den Austausch von Jung und Alt ein. Alle MitarbeiterInnen von UND engagieren sich freiwillig. Freiwilligenarbeit ist auch Arbeit. Mit einem Grundeinkommen könnten möglicherweise mehr Leute sich freiwillig für ein Projekt ihrer Wahl engagieren. Mehr Freiwilligenarbeit wäre definitiv eine Chance für unsere Gesellschaft. Und: Die Diskussion über das Grundeinkommen ist ebenso sicher eine Chance. Egal, welchen Ausgang die Abstimmung am 5 Juni nehmen wird. (er)
Grundeinkommen und Generationen
Die Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen hat eine Diskussion über Arbeit und ihren Wert und letztlich über den Wert der Menschen selber losgetreten. Wir analysieren aus der Perspektive von Jung und Alt.
