Begegnung mit Kathrin Altwegg
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Kathrin Altwegs Werdegang begann in ihrer Kindheit im Kanton Solothurn, wo die Natur eine prägende Rolle spielte. Während ihre älteren Geschwister sich in Medizin und Finanzwesen orientierten, fand sie ihren Weg in die Physik. «Ich habe ursprünglich von einer Karriere als Archäologin geträumt, aber kurz vor der Matura habe ich gemerkt, dass mir die Exaktheit fehlt. Physik war für mich die perfekte Kombination aus Präzision und Neugier», erzählt sie.
«Ich habe durchgehalten und gezeigt, dass Frauen in der Physik erfolgreich sein können.»
Kathrin Altwegg
Während ihres Studiums in Basel war sie häufig die einzige Frau unter Männern. «Es war nicht immer leicht, da mir oft eine Vertraute fehlte, mit der ich meine Sorgen teilen konnte. Aber ich habe durchgehalten und gezeigt, dass Frauen in der Physik erfolgreich sein können.»

Nach der Promotion und einem Postdoc-Aufenthalt in New York kehrte sie in die Schweiz zurück, wo sie an der Universität Bern als wissenschaftliche Assistentin begann und schliesslich assoziierte Professorin wurde. Ihre Leitung des ROSINA-Massenspektrometers bei der Rosetta-Mission machte sie einem breiteren Publikum bekannt. «Ich wollte nie eine klassische akademische Karriere, aber die Arbeit hat mich immer wieder begeistert.»
Fragen, die nie aufhören
Kathrin Altwegs Arbeit in der Weltraumforschung führt sie regelmässig an die Grenzen des Wissens. «Wir kennen nur fünf Prozent des Universums – der Rest ist dunkle Materie und dunkle Energie, und wir haben keine Ahnung, was das ist», erklärt sie. Trotz dieser Ungewissheit treibt sie die Neugier an: «Es ist faszinierend, dass jede Antwort neue Fragen aufwirft.»
«Wir kennen nur fünf Prozent des Universums – der Rest ist dunkle Materie und dunkle Energie.»
Auch die Frage nach ausserirdischem Leben beschäftigt sie. «Ich bin sicher, dass es Leben ausserhalb der Erde gibt. Wir haben organische Moleküle gefunden, die überall im Universum vorkommen – sie sind die Bausteine des Lebens.» Allerdings glaubt sie, dass sich intelligentes Leben, wie wir es kennen, nur selten entwickeln kann, da dies eine aussergewöhnliche Stabilität erfordere, die nur unter idealen Bedingungen möglich sei.
«Ich bin sicher, dass es Leben ausserhalb der Erde gibt.»
Kathrin Altwegg
Ein weiteres grosses Thema, das Kathrin Altweg anspricht, ist die zunehmende Menge an Weltraumschrott in der Erdumlaufbahn. Sie warnt, dass dieser nicht nur Raumfahrtmissionen gefährde, sondern auch die Erdbeobachtung beeinträchtigen könnte, die eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielt.

Kultur statt Nutzen
Weltraumforschung ist teuer, wie Kathrin Altweg einräumt. «Die Rosetta-Mission hat 1,4 Milliarden Euro gekostet, aber diese Summe verteilt sich über 20 Jahre und ganz Europa. Zudem fliesst ein grosser Teil in die Industrie und schafft Arbeitsplätze.» Dennoch stellt sie die Frage nach dem Wert solcher Investitionen: «Weltraumforschung heilt keine Krankheiten und beendet keinen Hunger. Aber wie die Musik ist sie ein Teil unserer Kultur – etwas, das uns als Menschen ausmacht.»
«Aber wie die Musik ist sie [Weltraumforschung] ein Teil unserer Kultur – etwas, das uns als Menschen ausmacht.»
Kathrin Altwegg
Diese Leidenschaft für die Grundlagenforschung sieht sie als Ausdruck menschlicher Neugier. «Der Mensch ist ein neugieriges Wesen. Zu forschen und zu verstehen, was uns umgibt, liegt in unseren Genen.»

Bodenhaftung und Visionen
Trotz ihrer Arbeit in den Weiten des Universums ist Kathrin Altweg bodenständig geblieben. «Ich bin auf dem Land aufgewachsen und habe diese Verbindung immer bewahrt. Meine Kinder und Enkel:innen erinnern mich daran, im Moment zu leben. Und mein Hobby, das Reiten, hält mich wortwörtlich auf dem Boden der Tatsachen – auf einem Pferd kann man nicht über den Weltraum nachdenken, sonst fällt man runter.»
Zum Abschluss äussert sie einen persönlichen Wunsch: eine neue Kometenmission, bei der man nicht nur landet, sondern auch in die innere Struktur eines Kometen bohrt. «Das werde ich nicht mehr erleben, aber vielleicht meine Enkel:innen.»