Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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Aktive Sterbehilfe ist in der Schweiz verboten, Sterbebegleitung jedoch erlaubt. Die Debatte über Sterbebegleitung wird in der Schweiz seit Jahren transparent und ehrlich geführt. So haben Schweizer PatientInnen am Lebensende die freie Wahl zwischen Schulmedizin, Palliative Care und Sterbehilfe. Ist Sterbebegleitung ein Menschenrecht? Welche Herausforderungen bringt Sterbehilfe/Sterbebegleitung mit sich? Am Generationentalk vom 26. April diskutierten Erika Preisig (63), Hausärztin und Präsidentin der Sterbehilfeorganisation Life Circle, und Mathias Wirth (38), Theologe und Professor für Ethik an der Universität Bern, mit Elias Rüegsegger (27) im Berner Generationenhaus über diese und weitere Fragen.

Bild: Hans-Peter Rub.


in der Cafébar des Berner Generationenhauses. – Bild: Hans-Peter Rub.
Die Menschen melden sich erst dann, wenn der Tod
an die Türe klopft
Erika Preisig (63) setzt sich als Hausärztin und als Präsidentin der Organisation Life Circle für die breitere Akzeptanz des begleiteten Freitodes ein. Freitod – ein sonderbares Wort. Gibt es diesen freien Tod denn wirklich? Erika Preisig verneint – es gibt den freien Tod nicht. Bei einer Person, die eine Freitodbegleitung aufsucht, den Freitod wünscht, stehen ihr Leiden, ihre Krankheit, ihr Schmerz im Vordergrund. Der Schweregrad der Krankheit entscheidet massgebend für die Wahl des Freitodes.

Das Leben zu schützen ist zentral in der Ethik
Mathias Wirth (38), Theologe und Professor für Ethik an der Universität Bern, meint: Der Freitodbegriff könnte auch als Euphemismus, d.h. als beschönigende, mildernde Umschreibung einer Handlung verstanden werden. Es sei ja eine andere Kategorie von Handeln, freiem Handeln und habe mit einer aussergewöhnlichen Form des Freiheitsgebrauchs zu tun. Mathias Wirth will den Leuten keine Entscheidung abnehmen, denn die Ethik könne immer nur einen Beitrag leisten, Sterbehilfe besser zu verstehen, oder eine Gegenposition zu erklären.

Er betont dennoch: Jede Form der Sterbehilfe könne für die Ethik hochproblematisch werden. Der unbedingte Schutz des menschlichen Lebens könnte ins Wanken kommen. Eine indirekte aktive Sterbehilfe kann für Herrn Wirth aber emotional in gewissen Fällen richtig sein. Er schliesst Sterbehilfe nicht generell aus.

Bild: Hans-Peter Rub.
Eine Überschreitung der Grenzen darf nie geschehen
Die Schweiz ist bei der Suizidbeihilfe sehr liberal. In Deutschland mit der Erfahrung des Nationalsozialismus besteht die Angst, eine Grenze zu überschreiten.
Wichtiges zum Thema «Sterbehilfe»
- Direkte aktive Sterbehilfe ist strafbar: das gilt für die gezielte Tötung zur Verkürzung der Leiden eines Menschen z.B. absichtlich eine Spritze verabreichen, die zum Tod führt.
- Indirekte aktive Sterbehilfe gilt als grundsätzlich erlaubt: zur Linderung von Leiden werden Mittel z.B. Morphium eingesetzt. Der möglicherweise früher eintretende Tod wird in Kauf genommen.
- Passive Sterbehilfe wird als erlaubt angesehen: Verzicht auf lebenserhaltene Massnahmen, z.B. ein Sauerstoffgerät abstellen.
- Sterbehilfe/assistierter Suizid: Bei der Sterbehilfe geht es darum, dem Patienten die tödliche Substanz zu vermitteln, die der Suizidwillige ohne Fremdeinwirkung selber einnimmt.
- Bekannte Organisationen wie «Exit» leisten Suizidbeihilfe im Rahmen des Gesetzes. Dazu gehören natürlich ein Artzeugnis sowie das ärztliche Rezept des Sterbehilfe-Medikaments.
Frau Preisig hat jedes Mal grossen Respekt, einen Menschen in den Tod zu begleiten. Es macht ihr Mühe, wenn jemand vorsorglich sterben will. Und sie begleitet die Sterbewilligen doch, trotz gerichtlicher Verfahren.

Die Schlussfolgerung?
Jeder Mensch mit schwerem somatischen wie psychischem Leiden sollte frei wählen können, wann er sein Leiden beenden will. Es darf aber kein Druck auf Hochbetagte oder Behinderte entstehen; deshalb ist es wichtig, dass die Sterbehilfe bei Ärzten und bei Sterbehilfeorganisationen bleibt. Es braucht eine intensive, kompetente und empathische Betreuung, einen Menschen in den Tod zu begleiten.

und Erika Kestenholz und Elias Rüegsegger. – Bild: Hans-Peter Rub.
Was ist der Generationentalk?
Zwei Personen – ein Thema: Das ist der Generationentalk von UND Generationentandem. Jeden Monat diskutieren Jung und Alt miteinander über brisante Themen. Der Talk dauert zwischen 30 und 45 Minuten. Danach hat das Publikum die Gelegenheit, sich an der Diskussion zu beteiligen. Der Generationentalk, moderiert von einem ModeratorInnen-Team von UND, trifft seit Mitte 2016 stets den Nerv der Zeit und setzt sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinander.
Der Talk wird vom generationendurchmischten Redaktionsteam professionell aufgezeichnet und fotografisch dokumentiert. Alle Talks sind dann hier als Podcast nachzuhören.
