Was uns Menschen ausmacht, können wir nicht an Roboter weitergeben

Technologische Entwicklungen bestimmen unser Leben immer stärker und umfassender. Laufend entstehen neue Chancen und Risiken. Diese zu erkennen, vorhandene Möglichkeiten zu nutzen und gleichzeitig persönliche Grenzen zu ziehen, ist für viele herausfordernd.

Gaby Jordi (66)

Unter dem Titel «Sind Roboter die besseren Menschen?» stand eine Veranstaltung der Pro Senectute Luzern im KKL Luzern vom 26. Juni 2017.


Kurt Aeschbacher, Moderation

Denise Biellmann, 12fache Weltmeisterin im Eiskunstlauf

Prof. Dr. med. Agostino Mattei, Chefarzt Urologie, Leiter Roboter assistierte Chirurgie, Kantonsspital Luzern

Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello, Psychologin und Generationenforscherin

Dr. Heinz Rüegger, Theologe, Ethiker und Gerontologe

Dr. sc. Stephan Sigrist, ETH Zürich, Zukunftsexperte, Leiter Think Tank


Kurt Aeschbacher unterhielt sich mit seinen Gästen über ihren Umgang mit der «Roboterisierung», die Segen und Fluch zugleich ist. Der Roboter ist Teil unserer Gesellschaft, hat sich längst in unseren Alltag geschlichen. Nach Angaben des Internationalen Robotik Verbandes (IRF) wurden allein 2016 weltweit 290 000 Industrieroboter installiert. Ein Rekord. Man rechnet, dass sich diese Zahl im Schnitt um mehr als 16 Prozent jährlich erhöht. Wobei vor allem China stark aufholt. Was bedeutet diese Entwicklung für die Gesellschaft? Wo braucht es Grenzen?

Auf die Frage des Moderators, welche Roboter Stefan Sigrist bei sich zu Hause habe, nennt der Zukunftsexperte einen Spielzeug-Dinosaurier. Was genau ist ein Roboter? Es handelt sich um eine eindeutig beschreibbare Maschine, die uns die Arbeit erleichtert, wie zum Beispiel der Robot-Staubsauger. Roboter können repetitive Arbeiten übernehmen, nicht jedoch das vernetzte, empathische Denken von uns Menschen. Hier sind wir dem Roboter überlegen. Wichtig sei es, sich die Frage zu stellen, wo uns Roboter einen Mehrwert bringen würden. Die Auseinandersetzung mit der Robotik bleibe uns nicht erspart, wir müssten uns damit befassen, so Sigrist.

Roboter ist kein Ersatz

Pasqualina Perrig Chiello gibt preis, dass in ihrem Haushalt ein Staubsaugerroboter beschäftigt wird. Die Skepsis der Menschen gegenüber der Robotik verortet Perrig bei der Angst, dass Roboter uns Menschen konkurrenzieren und Arbeitsplätze vernichten. Zudem berge die Robotik die Gefahr, sie eines Tages nicht mehr kontrollieren zu können. Gerade in emotional geprägten, sozialen Einsatzbereichen – wie zum Beispiel der Pflege – wird dem Robotik-Fortschritt skeptisch begegnet. Es sei wichtig, die NutzerInnen früh in den Entwicklungsprozess einzubeziehen. Die Psychologin befürwortet eine Forschung unter Einbezug der Betroffenen und deren Umfeld. Weiter sei wichtig, Dienstleistungsroboter nicht als Ersatz für emotionale und soziale Kontakte zu verstehen. Was uns Menschen ausmacht, können wir nicht an Roboter preis- oder weitergeben.

Da Vinci operiert

Gehört die Zukunft in der Medizin dem Operationsroboter? Die Roboterchirurgie hat sich in der Schweiz längst etabliert. Jedes grössere Spital besitzt das teure Operationssystem namens «Da Vinci», das vor allem in der Urologie zum Einsatz kommt.

Die Schweiz hat eine der grössten Roboterdichten der Welt, geschätzte 28 «Da Vincis» stehen zur Verfügung, gleich viele wie in Deutschland. Doch der Besitz eines teuren Operationsroboters garantiert noch keine Qualität. Die Dichte der vorhandenen Geräte ersetze nicht die Erfahrung des operierenden Arztes, im Gegenteil, betont Agostino Mattei. Patienten sollten sich eher für einen erfahrenen Chirurgen als für eine Technologie entscheiden.

Der Ethiker mahnt

Für Heinz Rüegger gibt es nicht ein Ja oder Nein zur Entwicklung der Robotik. Diese werde vorangetrieben, verteufeln wolle er sie nicht. Doch nicht alles, was machbar ist, soll gemacht werden. Hier ist die Wissenschaft in der Verantwortung. Wo muss die Gesellschaft Grenzen ziehen. Wir müssen den technischen SpezialistInnen auf die Finger schauen, mit ihnen ins Gespräch kommen.

Der Druck auf die SpezialistInnen ist stark, meint der Zukunftsexperte Sigrist. Er vermisst die geforderte Diskussion, sie finde nur bedingt statt.

Für den Ethiker ist Transparenz und Autonomie sehr wichtig. Wofür dient der Roboter? Die Selbstbestimmung ist unantastbar: «Ich bestimme, was der Roboter mit mir macht». Diese Prinzipien sind zwingend, dürfen nicht übergangen werden. Neue Technologien erfordern neue Justierungen. Nach Rüegg ist die Robotik primär in administrativen oder logistischen Abläufen sinnvoll. Doch sie ist nicht als Ersatz für zwischenmenschliche Beziehungen denkbar.