Ein Anfangssatz und drei Wörter – daraus sollten zwei UND Autorinnen eine Weihnachtsgeschichte spinnen. Hier das Ergebnis. Vielleicht versuchen sie’s ja selbst einmal – aber natürlich erst nach der Lektüre.
Der Anfangssatz:
Als Frau Winter unter den farbigen Weihnachtslichtern stand, erkannte sie ein Kindergesicht und dachte an die Zukunft.
Dazu die drei Worte: Demokratie, Demut und Durst.
Als Frau Winter unter den farbigen Weihnachtslichtern stand, erkannte sie ein Kindergesicht und dachte an die Zukunft.
Frau Winter war ganz klein. Sie versteckte sich in der Schneekugel. Die Schneekugel war winzig klein. Denn so gut wie niemand glaubte mehr an Frau Winter. Die Kinder glauben heutzutage an gar nichts mehr. Frau Winter wie sie früher war, würde es in der Zukunft nie mehr geben. Sie war nur eine arme alte Frau. Die Zeit ihres Stolzes war vorbei, stattdessen galt nun sich in Demut zu üben. Das war die Zukunft. Plötzlich wurde dieze Kugel erschüttert. Sie wankte hin und her. Denn zum Kindergesicht, gehört eine Hand. Und diese Hand hebt die Schneekugel nun in die Höhe. Die grossen Kinderaugen sind nun ganz nah. Und sie weinen. Grosse Tropfen fallen auf die Schneekugel. Zum Glück hält das Glas dicht.
Durch die Stille des Schneegestöbers hört Frau Winter nun das Schluchzen. Schroff wendet sie sich ab. «Was habe ich mit einem flennenden Kind zu schaffen!» dachte sie ablehnend. Doch der Tränenregen wurde nur noch stärker. Nun begann der Boden auch noch zu schwanken, Frau Winter wurde von diesem flennenden Wesen davongetragen.
Die farbigen Weihnachtslichter entfernten sich. Durch düstere Strassen trug das weinenden Kind die Kugel mit der kleinen Frau Winter drin. Am Ende der Strasse, bei den windschiefen Häusern zwängte sich das Kind in eine Baracke. Die Baracke war nur von einer nackten Glühbirne erleuchtet. Ein alter Mann sass auf einem Schemel. Er las eine Zeitung. Er hatte ein wütiges Gesicht. Leise hörte Frau Winter ihn schimpfen. «Alles ist nur Lüge! Alle diese «demokratischen» Politiker! Alles ist Nichts!». Da bemerkte der Mann das Kind. «Und du! Was machst du hier! Warum bist du nicht bei deiner nichtsnutzigen Mutter!». Das Kind schreckte zusammen. Vor Angst hatte es sogar aufgehört zu weinen. «Sie ist nicht mehr da», antwortete das Kind leise und scheu. Es schien sich zu wünschen im Boden verschwinden zu können.
Frau Winter stand in ihrer Schneekugel als stumme Beobachterin. Ihr eigenes Elend, erschien auf einmal bedeutungslos. «Wer war ich?» – solche Kinder wie dieses haben einmal an mich geglaubt. Und ich war zu etwas nutze. Eine Erinnerung stieg aus der Vergangenheit auf. «Ich war, ich bin die MUTTER. Von Allem». Und die Schneekugel verschwindet. Das Kind erschrickt. Doch auch die Hütte und der Mann verschwinden. Das Kind und die MUTTER stehen wieder unter den Weihnachtslichtern. Doch das Kind weint nicht mehr. Es ist alles gut. Die MUTTER ist da. Frau Winter ist wieder die, die sie und die sie immer war. «Danke Kind», flüstert sie ihm zu. «Du hast mich an mich selbst erinnert. Komm, wir gehen nach Hause.» Eng umschlungen, vergehen beide in den Lichtern.
Als Frau Winter unter den farbigen Weihnachtslichtern stand, erkannte sie ein Kindergesicht und dachte an die Zukunft.
Frau Winter dachte an die Zukunft dieses kleinen Buben, der mit einem Lächeln in den Augen von einer Plakatwand hinab warb: Demokratie für alle! Das ist das, was wir brauchen! Diese Worte standen in einer grossen Sprechblase neben dem Kindergesicht – auch noch einiges mehr, aber das las Frau Winter gar nicht erst. In der Hand hielt der Kleine eine Flasche des Modegetränks Ratablabla. Man wollte wohl zeigen, wie fortschrittlich die Partei war, für die der Junge warb; sie würde dafür sorgen den Durst derer zu löschen, die eigentlich sonst nur Wasser tranken. Nicht immer war das Wasser einwandfrei. Wer hatte wohl den Kleinen gefragt, ob er sich fotografieren lassen wollte? Was hatte man ihm über diese Werbekampagne der Partei erzählt? Frau Winter schaute noch einmal auf das Kindergesicht – was würde den Kleinen in der Zukunft erwarten?
Frau Winter war das erste Mal auf dieser Insel, sie war mit dem Kreuzfahrtschiff unterwegs – auf der Flucht vor den Festtagen. Nun sah sie, wie man bei Sonne, Palmen und weissem Strand Weihnachten feierte. Als sie hinter die Bretter schaute, entdeckte sie einen kleinen Friedhof, an ein paar verwitterten Holzkreuzen vorbei führte ein Weg in eine ärmliche Dorfkirche. Frau Winter ging hinein und war überrascht, sie fand eine überlebensgrosse Darstellung der Krippe mit Maria, die mit Joseph voller Demut auf ein Kindlein blickte, das fröhlich beide Arme in die Höhe streckte. Auch Hirten waren beim Stall, zottige Gestalten, aber auch mit einem Lächeln im Gesicht und in einiger Entfernung standen die drei Könige. Aus einem Lausprecher plärrte Musik, sie versuchte zu verstehen was gesungen wurde: Santo, santo, santo.