Der Esel, der Hund, die Katze und der Hahn hatten bekanntlich die Räuber bekanntlich aus ihrem Waldhaus gejagt und es für sich zur Altersresidenz erklärt.
Als die vier Alten die Vorräte der Räuber aufgefressen hatten, fanden sie den allzu ruhigen Ruhestand zunehmend langweilig. Stolz warf sich der Hahn in die Brust und krächzte: «Ich habe noch viele Fähigkeiten und die will ich brauchen, sonst werde ich überall schwächer: in den Flugmuskeln, in den Beinen und in der Stimme.» «Und ich will wieder Knochen beissen und knurren», ergänzte der Hund. «Ich will endlich wieder eine Maus fangen und geniessen. Und wer streichelt mich?», fragte die Katze. Der Esel nickte bedächtig und ergänzte: «Ihr habt recht. Schon von alters her weiss man: wer rastet, rostet! Ich will mein Gedächtnis brauchen und meine Stimme. Sogar die Fähigkeit, uns zu freuen, ist uns fast abhandengekommen. Üben wir!»
Der Hahn rief: «Ich werde wieder jeden Tag fliegen. So finde ich die besten Futterplätze – gerade wie der Birkhahn, den ich neulich traf.»
Die Katze brüstete sich mit einer raffinierten Idee: «Ich sammle die Kapseln des Schlafmohns und trockne sie, so wie es die Räuber taten.» Der Hund spöttelte: «Und wenn du alles Rauschgift verzehrt hast, siehst du weisse Mäuse. Das muss eine Wonne sein.» «Katzen sind schlauer als Hunde, mein Lieber. Ich streue das Gift in die Mauselöcher und sie werden es geniessen. Wenn die Beute dann beduselt aus den Löchern torkelt, kann ich sie leicht fangen, obschon ich nicht mehr so schnell bin wie früher.» «Wenn du die erste Maus heimbringst, lecke ich dich hinter den Ohren – ganz zärtlich.» «Oh wie schön! Ich werde schnurren, wie schon lange nicht mehr. Und was hast du dir ausgedacht, du Intelligenzbestie?» «Ich sprach letzte Nacht mit dem Chef des Wolfsrudels und handelte einen ‚Deal‘ aus: ich zeige ihm, wie er die Kaninchenställe und Hühnerhöfe unserer bösen Bauern knacken kann und dafür beschützt er uns und bringt uns Fleisch.» Der Kamm des Hahns wurde noch röter und er hob an, seine Hühner zu verteidigen.

Er verstummte aber sogleich wieder, weil er sich erinnerte, dass er dieser Aufgabe enthoben war. So seufzte er nur.
Nun schauten alle zum Esel. «Welche Tricks hast du?», fragte der Hund. «Die Natur macht es mir leicht. Ich finde überall Futter. Sogar im Winter; da scharre ich einfach den Schnee weg.» «Da fehlt dir ja eine spannende Aufgabe», fand die Katze. «Nein», lachte der Esel. «Statt ums Fressen zu kämpfen, erzähle ich euch spannende Tiergeschichten. Ferner ist da immer noch unser alter Plan, als ‚Bremer Stadtmusikanten‘ aufzutreten. Wir werden tüchtig üben müssen, wenn wir bei den Wildtieren Erfolg haben wollen.» «Du willst nicht in die Stadt?», fragte die Katze enttäuscht. «Vorerst bleiben wir im Wald.»
Singen weckt Lebensfreude
«Ich kann gut singen!» krächzte der Hahn. «Du kannst laut singen», entgegnete der Esel anerkennend, «nimm aber noch Unterricht bei der Amsel. Sie weiss gar viele Melodien.» Der Hahn nickte etwas beschämt.
«Ich kann schnurren, oder in den höchsten Tönen Miauen. Sogar laut maunzen wie die Kater habe ich gelernt.» «Die Katertöne brauchen wir nur für Protestsongs», bestimmte der Esel.
«Ich kann knurren, winseln, jaulen und auf sieben Arten bellen», rühmte sich der Hund.
«Aber immer noch nicht jodeln», spöttelte die Katze.
«Und ich übe neben dem‚ I-aah‘ auch das ‚Ne-eein‘», sagte stolz der Esel. «Am Morgen übt jedes für sich und am Nachmittag singen wir gemeinsam. Wir sind der erste Gemischtenchor der Tiere. Abgemacht?» Alle jauchzten auf ihre Art und freuten sich über ihre Ideen und Talente. Sie waren auch überzeugt, dass sie sich nicht mehr langweilen werden.
Die Hauptprobe
In der nächsten Vollmondnacht versammelten sie sich auf einer Waldlichtung zur Hauptprobe. Viele Tiere erwachten ob der Musik und flogen oder liefen zur Lichtung. Auch die Nachtaktiven kamen vorsichtig angeschlichen. Lange konnten sie nicht stille halten, sondern stimmten ein. Der Esel war quasi der Dirigent, denn er schlug mit dem rechten Vorderhuf den Takt. Alle waren so begeistert, dass das Jekami-Konzert mehr als eine Stunde dauerte. Der Wildhüter, der am Waldrand wohnte, erwachte und erschauerte, denn ein solches Konzert war nicht normal. Er schaute zum Fenster hinaus, ob eine Feuersbrunst die Ursache sei. Aber er sah nur das kühle Mondlicht. Behende zog er sich an, schulterte die Flinte und schlich in den Wald hinein. Einer der Räuber rannte an ihm vorbei und floh aus dem Wald. Er konnte ihn weder aufhalten noch etwas fragen. Als er endlich auf die Waldlichtung zu stolperte, hörte der Gesang auf, denn der Esel beendete das Happening mit einem langen „Neeeiiin!“. Alle Tiere mussten lauthals lachen. Das war so ansteckend, dass auch der Wildhüter lachen musste. Als die Tiere aber sein Lachen hörten, stoben sie auseinander. Nur unser Quartett blieb stehen und sang ein Abschiedslied. Der Wildhüter staunte und suchte dann den Weg zurück in seine Hütte.
Als er am Morgen erwachte, wusste er nicht, ob er nur vom Tierkonzert geträumt, oder gar halluziniert hatte, oder ob er wirklich im Wald war. In der nächsten Vollmondnacht hörte er wieder viele Tierstimmen. Da stopfte er sich Wachs in die Ohren und schlief weiter. Die Dörfler würden ihn auslachen, wenn er davon erzählte. Davor fürchtete er sich und schwieg. Die Bremer Stadtmusikanten freuten sich über die Tierkonzerte so sehr, dass sie sich in Bremer Waldmusikanten umtauften.
Verteidigung des Bremer Waldes
Als der Esel von einem Fuchs erfuhr, dass die Stadtleute in ihrem Bremerwald eine Siedlung bauen wollten, sagte er zur Katze: «So, nun sei ein «Grauer Panther» und lehre uns einen eindrücklichen Protest-Rapp. Diesen Naturzerstörern werden wir die Flausen austreiben.»
Die Katze dichtete: «Kein Haus im Bremer – sonst Tod dem Berner!» Immer wenn Jogger, Hündeler und Biker in ihre Nähe kamen, skandierten sie ihren Protest-Rapp. Da die Polizei keine menschlichen Rapper finden konnten, wuchs die Angst in der Stadt und die Abstimmung endete mit einem deutlichen Nein. Die Bremer Waldmusikanten freuten sich so an ihren Erfolgen, dass sie noch lange lebten.