
Nach einem offiziellen Treffen von zwei Königen und einer Königin mitsamt Entourage, wollen die drei jetzt bei einem Tee ohne Protokoll miteinander plaudern. Sie schenken sich sogar selbst den Tee ein, damit keine Butler anwesend sind. «So, die Repräsentationspflichten habe ich für dieses Jahr hinter mir; bitte also nicht mehr darüber reden», sagt König A. «Und wir hatten dieses Jahr grosse Finanzprobleme, also bitte keine Anspielungen auf Reichtum»! verlangt König B. «Ich mag kein Wort hören über die Beziehungskisten unserer Söhne und Töchter», warnt Königin C mit erhobenem Zeigefinger, „aber mich interessiert, wie ihr zu diesem Jesus steht, so kurz vor Weihnachten. Der wird ja auch heute noch als ‚König der Heerscharen’ gefeiert».
Ansichten zu Jesu Geburt und Wirken
König A wiegt sein greises Haupt und sagt: «Ich kann jedenfalls nicht glauben, dass vor zweitausend Jahren drei Heilige Könige zu diesem Handwerker-Bébé pilgerten und ihm wertvolle Gaben brachten. Das war wohl eher die Wunschvorstellung eines gläubigen Geschichtenerfinders». König B ergänzt sarkastisch: „Ich hätte ihm einen vergoldeten Schnuller gebracht und Josef, dem armen Kerl, eine höhere Ausbildung für seinen Sohn finanziert. Dann wäre uns vieles erspart geblieben». Die Königin ist weniger kritisch und gibt zu bedenken, Jesus habe immerhin eine Religion begründet, die heute rund um die Welt geglaubt werde. König A streichelt seine Orden und orakelt: «Stellt euch vor, seine Ideen von Gerechtigkeit und Liebe hätten sich durchgesetzt: Wir Könige könnten keine Armeen mehr befehligen und müssten wie gewöhnliches Volk irgendwo schuften»! «Andererseits hat seine Religion der Liebe mit Einbezug der Mosaischen Gesetze seinerzeit die Völker etwas gezähmt und ihnen Halt gegeben, als Kriege und Seuchen sie belasteten», sinniert König B.
Königin C fügt an: «Dieser Jesus war mutig. Er lebte nach seinen Eingebungen und überzeugte andere davon, obwohl er damit rechnen musste, deswegen umgebracht zu werden. Ob er schon als Kind stark getrotzt hat, weiss man heute leider nicht mehr. Jesus liebte die Frauen. Aber was sich diese sogenannten Kirchenväter und Patriarchen danach während zwei Jahrtausenden ausdachten, war oft sehr frauenfeindlich. Intelligente und selbstständige Frauen waren ihnen ein Gräuel, denn sie fürchteten sich vor ihnen. Sie verteufelten die weisen Frauen und liessen sie auf Scheiterhaufen verbrennen. Diese ängstlichen Männer bildeten sich wohl ein, sie seien von Männern geboren worden oder sogar vom Himmel gefallen».
Glaube und Macht
König B: «Leider haben Sie damit Recht, liebe Kollegin. Auch wurde es für unsere adligen Vorfahren nie schwierig wegen diesem historischen Jesus, sondern weil machtgierige Heuchler Kirchen bauen liessen, Ländereien zusammenstahlen, Klöster gründeten und sogar gegen Könige Krieg führten. Noch heute will der Papst uns dreinreden, dieser Schlingel».
König A: «Ich ziehe daraus einen taktisch geschickten Schluss, meine Verehrten: Wir raten unseren Untertanen, aus den Kirchen auszutreten und so bescheiden und liebevoll zu leben wie Jesus. So werden sie glücklich, folgsam und sparen erst noch die Kirchensteuer»! Königin C schmunzelt und sagt: «Meine Feldherren, wir müssen aber verlangen, dass die grosse Nächstenliebe nicht nur im Volk gelebt wird, sondern dass sie auch uns Königliche lieben wie sich selbst.» König B schliesst: «Wie immer denkt die Königinmutter zuerst an ihre Familie. Sehr schön. Ich postuliere, dass wir uns öfters zu spontanen Tee-Rum-Gesprächen treffen. Das bringt viel mehr als lange Verhandlungen und ist erst noch unterhaltsamer. Prost und frohe Weihnacht euch allen»!
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