Turbobesen und Frauenstimmrecht: Die bissige Geschichte über eine kleine Hexe, die vor den Flammen in den Himmel flieht. Angereichert mit persönlichen Gedanken sowie grosszügigen Prisen von Satire und Ironie.
Es gibt kleine Hexen und grosse Hexen. Was grosse Hexen sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Wahrscheinlich wurden die ganz grossen in König Jakobs Buch von Schottland (*Dämonologie 16. Jahrhundert) entlarvt. Ganz sicher hatte er recht, denn König Jakob hatte in einem Jahrhundert mehrere Tausend Frauen verbrannt. So viele Hexen, das kann ja gar nicht gelogen sein. Das müssen ganz grosse, mit fetten, dicken Kröten, krummen Nasen mit Warzen darauf gewesen sein. Da er sie alle umbrachte, wird Schottland jetzt vom Bösen gereinigt sein. Da dies auch im übrigen Europa geschah, wird Europa jetzt endlich gut sein. Europa ist so oder so das beste Land mit der besten Währung.

Die Hexen, so sagt man, seien mit dem Teufel im Bunde gewesen. Aha! Wenn es jetzt also keine Hexen mehr gibt, gibt es folglich auch keinen Teufel mehr, keine Kröten, so wenig wie Warzen auf Nasen. Da die Hexen häufig alleinstehende und arme Frauen waren, sind jetzt folglich auch alleinstehende Frauen (ist ja logisch, denn diese dürfen ja keine Kinder haben), und arme sowieso, ausgerottet. Blöd nur, dass die aufkommende Wissenschaft, ausgerechnet diese böse Wissenschaft, die Absurdität von magischen Ritualen aufzeigte. Blöd nur, dass es in England heute noch Heilerinnen gibt, die total wissenschaftsfern agieren. Manchmal reden sie sogar mit Engeln.
Eine kleine Hexe quasselte im Himmel auf den lieben Gott ein: «Also, wenn du meinen Besen schon so toll findest, darf ich doch sicher ein bisschen hier bleiben. Ich hab nämlich Angst auf der Erde, weil alle sagen, im Mittelalter wäre ich schon lange als Hexe verbrannt worden.» «Ach, kleine Hexe», meinte der liebe Gott, «du darfst hier deinen Turbobesen in den Service geben. Aber dann musst du zurück. Ich schicke dich der katholischen Kirche.» «Aber», wimmerte die kleine Hexe, «die werden mich an den Scheiterhaufen stellen.» «Keine Angst,» sagte der liebe Gott. «Denn du hast eine grosse Fähigkeit: du nervst nämlich! Und deshalb werden sie dich nicht ernst nehmen. Ausser drei Personen – und die schick ich dir zur Unterstützung.» «Hexen?» fragte die kleine Hexe. «Nein, die sind gerade nicht online», erwiderte der liebe Gott. «Ich rede vom Heiligen Nikolaus, dessen Schlitten so schnell ist wie dein Besen. Sowie die Heiligen Sebastian und Franziskus. Sie machen sich zwar lustig über dich. Aber du dich auch über sie. Also seid ihr quitt.» Die kleine Hexe jammerte: «Aber das sind doch alles Männer!» «Ja», meinte der liebe Gott, «solche Frauen wie dich müssen wir zuerst googeln, denn die hat man ja im Mittelalter ausgerottet. Die zu finden wird nicht einfach sein. Wenn du eifrig betest, werde ich dir eine von der alten Garde zur Seite stellen. Eine ganz grosse, die alles weiss. Zusammen werdet ihr das Frauenstimmrecht und die Fristenlösung einführen. Die Fristenlösung finde ich zwar nicht so toll, aber mich betrifft sie ja nicht. Da müssen wir Maria fragen. Aber das Frauenstimmrecht, so Maria, sei schon lange überfällig gewesen. Denn sie – Maria – könne ja nicht dauernd vor Grotten und so erscheinen. Darum steht sie heute an den Wahlurnen.»
Der liebe Gott rief den Schlittenmechaniker vom heiligen Nikolaus. «Hey, bring den Turbobesen auf Vordermann und gib der kleinen Hexe was zu essen. Denn nerven braucht ganz schön viel Kalorien.» Er gab der kleinen Hexe einen Klaps. «Vergiss ja nicht, auf der Erde genug und regelmässig zu essen. Denn Gehirne wie das deine brauchen viel Kohlenhydrate. Und wenn du total ausgepowert bist, dann darfst du wieder zu mir kommen und mich nerven. Ohne dich ist es hier im Himmel manchmal etwas öd. Und jetzt schieb ab, ich hab noch Wichtigeres zu tun.» «Danke, lieber Gott mit all deinen Heiligen.» Die kleine Hexe strahlte über beide Backen. «Jetzt darf ich endlich in deinem Auftrag nerven. Ich mag dich! Und unter uns gesagt: Du könntest häufiger mit mir sprechen! Dann würde ich dich nie mehr nerven! So wüsste ich, wo es sich lohnt zu nerven und wo nicht.» Sprachs, schwang sich auf den frisch reparierten Porschebesen mit dem Hybridmotor und kurvte Highspeed auf die Pfarrei zu, die mit Maria im Bund war. So nannte sie sich wenigstens. Und wenn sie nicht gestorben ist, so nervt sie noch heute.
*Dämonologie ist die Theorie von den Dämonen, d. h. der bösen Geister, wie sie sich religionsgeschichtlich rekonstruieren lässt oder auch explizit ausformuliert in kulturgeschichtlichen Dokumenten vorliegt. Quelle: Wikipedia