Der Vater wusste immer alles besser. Oder er glaubte zumindest, das sei so. Seine Tochter Zita, vierzehn Jahre alt, nervte das Gehabe gewaltig und sie kritisierte ihn, wann und wo immer sie konnte. Die Mutter fand die Streitereien abscheulich, mischte sich aber nicht mehr ein – es brachte nichts. Manchmal war sie eifersüchtig auf die beiden, denn offensichtlich genossen sie ihr Spiel.
Eines Tages begann Zita, ihrem Vater ganz schwierige Fragen zu stellen, und hoffte, er würde klein beigeben. Sie wollte zum Beispiel wissen: «Welches ist das grösste Kriegsschiff der USA?» Der Vater war einen Moment verblüfft, parierte jedoch um die Oberhand zu behalten mit einer Gegenfrage: «Lernt ihr in der Schule so unnützes Zeugs?» Zita: «Nein, wir sind noch im Mittelalter, so wie du! Die USA wollen doch die ganze Welt beherrschen. Darum muss ich wissen, welche Schiffe, Flugzeuge, Raketen und Panzer sie haben und was das alles kostet.» Vater: «Das Wichtige halten die Amis immer geheim.» – «Nein, das kann ich heute im Internet nachlesen. Ich zeige es dir.» Mutter: «Aber erst nach dem Essen!» – «Ich hole nur schnell mein Tablet», und weg war Zita.
Ein Neustart
Am Nachmittag entschied sich die Mutter, schlanker und attraktiver zu werden. Sie meldete sich im Tennisklub an, den sie von früher kannte. Dort verliebte sie sich in den charmanten Tennislehrer Moustaki. Schon bald mussten der Vater und Zita sich am Mittwoch, wenn Mutter spielte, ihr Mittagessen selbst kochen. Vorerst setzten sie ihren Disput weiter wie gehabt. Die beiden bemerkten die Abwesenheit der Mutter gar nicht richtig. Einzig das Mittagessen liess sie kurz an Mutter denken, denn nun mussten sie es selbst kochen. Die Mutter war froh, sich von den beiden Streithähnen, welche sich kein bisschen für sie interessiert hatten, durch den Tennisunterricht etwas entfernen zu können. Sie genoss nun ihre Zeit mit Moustaki, welcher sie zum ersten Mal zum Abendessen eingeladen hatte.
Langsam läuft das Spiel aus dem Ruder
Zuhause machte sich Zita plötzlich Sorgen darüber, dass sich Ihre Mutter immer öfter im Tennisclub aufhielt. «Wo ist denn eigentlich Mama die ganze Zeit?», fragte sie den Vater und hoffte, dass er auch dies besser wissen würde. Der Vater wusste im ersten Moment nicht, was er antworten sollte. Es war ihm wohl bewusst, dass die Streitereien nicht der einzige Grund für Mamas Abwesenheit waren. Mürrisch antwortete er: «Frag sie doch selbst!» Sofort zog er sich in sein Büro zurück. Es ging ihm schlecht, denn vor kurzem hatte er die Mutter mit Moustaki gesehen. Er konnte gar nicht böse auf sie sein, denn erst jetzt war ihm klar geworden, wie daneben er sich verhalten hatte. Er musste definitiv etwas ändern. Mit Zita zu reden war keine Lösung, denn dann würde er als Versager vor sie stehen müssen.
Es war ihm wohl bewusst, dass die Streitereien nicht der einzige Grund für Mamas Abwesenheit waren.
Als am Abend die Mutter nach Hause kam, suchte er sofort das Gespräch mit ihr. Doch die Mutter wollte ihm gar nicht zuhören. «Lass mich in Ruhe!», schrie sie. Der Vater war ganz erschrocken.
Später, als die Mutter sich ein wenig beruhigt hatte, ging er noch einmal zu ihr. Sie hatte sich in ein schönes Abendkleid übergeworfen und war bereit, mit Moustaki auszugehen. Als der Vater sie sah, wurde er wütend. «Was soll das?», fragte er sie in einem aggressiven Ton.

«Ich werde meinen Abend geniessen und du kannst mir das sicher nicht vermiesen!» Sie zog an ihm vorbei und kurz darauf knallte die Tür. Der Vater sank in die Knie. Er war am Ende und wusste schlichtweg nicht mehr weiter. Er musste mit Zita reden. Trotz all dem besserwisserischen Getue war das die einzige Möglichkeit, die ihm noch übrigblieb. Er musste sich nun überwinden und nach einiger Zeit klopfte er an die Zimmertür von Zita. Er öffnete sie zögerlich, streckte den Kopf ins Zimmer und sagte: «Ich brauche deine Hilfe!» Zita schaute ihn mit grossen Augen an. Noch nie hatte ihr Vater sie um Hilfe gebeten. «Du musst mir wirklich helfen! Ich weiss einfach nicht mehr weiter!» Zita willigte, noch ganz unter Schock stehend, ein. Dem Vater rollte eine Träne über die Wange und Zita wusste, wie es ihm gehen musste. Sie nahm ihren Vater in den Arm und versprach ihm: «Komm Papa, das kriegen wir schon wieder hin!»