
Guten Tag Frau Hug, wie geht es Ihnen?
Gut, danke.
Schön, als erstes möchte ich Sie fragen, wie fühlen Sie sich mit 63 Jahren?
Nicht viel anders als vor 20 Jahren, ein paar Gebresten sind sicher dazugekommen (in meinem Fall die Knie) aber das sei anscheinend normal 😉
Fühlen Sie sich denn Alt?
Überhaupt nicht, aber etwas gelassener und hoffentlich kommt dann auch noch die Weisheit dazu 😉
Für mich als junge Person ist das älter werden noch nicht so zentral, wie erleben Sie das älter werden, fürchten sie sich vor irgendwas?
Im Ernst, ich denke nicht andauernd darüber nach, aber vieles ist heute oberflächlicher geworden und der Wertezerfall macht mir schon zu schaffen.
Man sagt in der Musik-Branche sei es mit zunehmendem Alter immer schwieriger zu bestehen, spüren Sie persönlich etwas davon?
Am Anfang meiner Laufbahn (heute würde man sagen, als ich meine Karriere startete!) hiess es: „Kunst kommt von Können, wenn es von wollen käme, wäre es Wunst“ heute wird alles vermarktet. Viele der heutigen „Künstler“ kommen aus einem finanziell abgesicherten Beruf, sind Lehrer, Marketingfachleute, Kulturmanager etc. und arbeiten mit „Netz und doppeltem Boden“ wogegen wir nur von der Musik leben, im Besten Fall noch nebenbei unterrichten. Wir spielen noch immer zwischen 50 + 80 Konzerte jährlich.
Dann kommen Sie sicher weit herum und begegnen auch vielen jungen Menschen, wie erleben Sie die heutigen Jugendlichen?
Ganz unterschiedlich je nach Alter, Herkunft und Kinderstube: Von sehr bescheiden, aber interessiert, und aufgeschlossen über neutral und eher abweisend bis verwöhnt, eingebildet und arrogant.
Wo sehen Sie Differenzen zu Ihrer Jugendzeit?
Anfangs 70er, als ich jung war, war vieles was heute normal ist, z.b. die ganze Technologie noch in den Kinderschuhen. Es gab weder Computer noch Handys für die Masse, von den vielen Freiheiten gar nicht zu sprechen. Aber man war glücklich und hatte es schon mal viel besser als unsere Eltern, die den letzten Krieg noch am Rande miterlebten.
Gibt es auch Dinge die gleich geblieben sind?
Das Zwischenmenschliche ist mehr oder weniger gleich geblieben. Man verliebt sich Gott sei Dank noch immer, aber auch geschieden wird nach wie vor viel. Die Hochs und Tiefs sind geblieben und heute macht man wieder mehr Kinder.
Kommen wir zu Ihrer Musik, wie würden Sie diese beschreiben?
Am ehesten wohl eine Art Crossover zwischen Chanson, Pop, Rock, Jazz & Weltmusik und das als eine der wenigen Musikerinnen / Interpretinnen gleich in mehreren Sprachen.
Klingt interessant, wie kamen Sie eigentlich in diese Branchen?
Schon als kleines Kind war meiner Mutter klar, dass ich das Talent und die Begeisterung für die Musik von meinem Vater geerbt hatte. Er war Musiker, spielte Ländler-, und Unterhaltungsmusik und beherrschte mehrere Instrumente. Durch die familiären Umstände lernte ich ihn leider erst im Alter von fünfzehn Jahren kennen und je mehr meine Mutter eine musikalische Karriere bei mir verhindern wollte, desto stärker wurde mein Wunsch, mein Leben ganz der Musik zu widmen. Heute bin ich Sängerin , Musikerin, Schauspielerin und Komikerin Autorin, Komponistin und Produzentin.
Das klingt aber nach sehr viel, bleibt Ihnen da noch viel Freizeit?
Ausser an den Konzerttagen, wo wir meist schon ab 14h vor Ort sind, kann ich mir meine Arbeitszeit selber einteilen. Ich sitze zwischendurch immer mal wieder am Computer, ordne, mache Buchhaltung, schreibe Mails oder verfasse Texte und Interviews wie dieses. Die Beschäftigung mit Musik, Songlyrics, Komposition etc. findet meist erst nachmittags oder abends statt. Aber die Abläufe sind nicht immer dieselben und dann gibt es ja auch bei uns Künstlern Hausarbeit, die wir uns teilen. Freiräume für Termine mit Freunden, Bekannten, Konzert-, und Theaterbesuche etc. sind die Rosinen im Lebenskuchen und sind wichtig für den Ausgleich.
Und wussten Sie als Jugendliche schon das Sie Musikerin werden wollen?
Nein ich wusste nicht, dass mein Musikalisches Talent und mein gesunder Ehrgeiz mich dahinführen würden… wie ich überhaupt noch nicht sehr viel wusste und dass es überhaupt möglich wäre; zu Beginn war es ein ziemlich steiniger Weg, aber ich wuchs an jedem Hindernis.
Dass Sie immer dran geblieben sind hat sich gelohnt, Sie sind seit etwa 40 Jahren im Geschäft, das ist eine lange Zeit, nicht viele Prominente bleiben so lange im Rampenlicht, was ist Ihr Rezept?
Rezept? Oh je! Für eine geradlinige 0815-Karriere gibt es sicher Rezepte. Schulen, Kurse, Leitfaden etc. aber für meine Laufbahn war dies nie eine Option. Mein natürliches Talent, meine Sprachbegabung, meine nie endende Neugier und Ausdauer führten mich in die verschiedensten Ecken der Kunst. Ich machte Ausflüge in die Klassische Musik, war mit einer Rockband unterwegs, als Schauspielerin und Komödiantin, war Komikerin, lief auf dem Seil und jonglierte, stand sogar Modell für Maler und Bildhauer, hatte selber einen Flohmarktstand, wo ich Trödel und alte Klamotten verkaufte und lernte in jedem Bereich viele interessante Leute kennen. Das prägte mich und ich lernte fürs Leben. Früher riet man Musikern, möglichst vielseitig zu sein, damit man überall mitspielen kann, heute wird empfohlen, möglichst nur auf einem Gebiet gut zu sein. Das verkauft sich zwar besser, schränkt aber die künstlerische Freiheit enorm ein.
Zum Schluss: Sie haben nun schon viel Lebenserfahrung, haben sie da etwas gelernt was Sie der heutigen Jugend weitergeben möchten?
Offen und möglichst vielseitig zu sein. Etwas wagen, was man sich evtl. nicht sofort zutraut, einfach alles ausprobieren. Neugierig sein. Alles imitieren wie noch als Kind, bis man’s drauf hat und es zu Deinem eigenen wird. Möglichst auf allen Ebenen, so kommt man immer weiter. Natürlich ist auch Selbstkritik wichtig. Und man sollte mit Leuten arbeiten, die besser sind als man selbst und von denen man lernen kann. Erst dienen lernen bevor man selber befehlen will.
Hier übrigens noch zwei Songtipps, beide auf iTunes:
CULTURE von der CD KREIS und
APPS von der CD JOKERWOMAN
Vielen Dank für das Gespräch.
Gern geschehen und viel Spass beim reinhören
dodo hug contini
Liebe Dodo Hug,
gestern war ich mit Grosskind Svenja am Konzert in der alten Moschti. Wir waren begeistert (wie immer an Ihren Konzerten)! Ich fragte sie nach meinem Grosi, Frau Schulthess und Schwester Astrid. Heute telefonierte ich mit Astrid und sie erzählte mir, dass sie einander im Coiffeursalon kennengelernt hatten. Durch sie kamen Sie für kurze Zeit zum Schulthess-Grosi. Nach einem grossen Schicksalsschlag, Grosi verlor im 66 ihren Mann, ihre Eltern und ihren Sohn, das einzige Kind, fing sie an zu trinken. Was ich Ihnen aber unbedingt noch sagen muss, ist, dass es das liebste Grosi für uns Kinder war.
So, jetzt ist das Bild wieder gerade!
Mit herzlichen Grüssen ein grosser Fan von Ihnen Anita Held-Schulthess
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