Dass so renommierte Künstler ihre Freizeit für ein Interview mit uns hergeben, freut uns natürlich ungemein! Aber was bewegte sie zu einem Interview mit uns?
Renato schmunzelt und erklärt: «Wir Künstler haben alle einen so starken Geltungsdrang, dass wir ausnahmslos jede Interviewanfrage annehmen». Er ist offen für jegliche Art von Interviews, vor allem wenn sie einer so guten Sache wie dem Generationentandem dient. Ein Interview mit zwei Personen unterschiedlichen Alters zu führen habe seinen Reiz.
Für Bänz ist jede Begegnung mit Menschen ein Geschenk, das man dankend annehmen sollte, denn man weiss nie, was man vom Gegenüber lernen oder mitnehmen kann. Auch ihn fasziniert Generationentandem – als geglücktes Projekt, Generationen zusammenzubringen.
Thomas meint zum Interview und dem Generationentandem nur: «weil’s eine geile Sache ist» – und da können wir ihm nur zustimmen.
Die drei Künstler
Renato Kaiser (34) bezeichnet sich als Komiker, Slam-Poeten, Satiriker und auch Kabarettisten. Jeder dieser Begriffe scheint ihm richtig. Primär sieht er sich als Komiker. Die kritischen Auseinandersetzungen mit Themen weisen bei ihm einen satirischen Charakter auf. Seinen Werdegang bezeichnet er als unspektakulär. Beinahe philosophisch erklärt er uns, dass das Glück ihm immer etwas auf die Sprünge geholfen habe. So scheint es, als wäre «zur rechten Zeit, am rechten Ort» mehr als eine Floskel. Begonnen hat seine Karriere mit Poetry Slam. Die ungezwungene Atmosphäre dort habe ihm die ersten Schritte auf die Bühne erleichtert. «Mit einem fünfminütigen Auftritt kann ich den Abend der Zuschauer nicht vermiesen, egal, wie schlecht ich bin». Heute ist seine Motivation, ein Programm zu schreiben, eine andere, denn schliesslich lebt er nun davon. Das Künstlersein sei manchmal zu schön, um von einem Beruf zu sprechen. Der Gedanke, dem Publikum in seinen Programmen bewusst einen Spiegel vorzuhalten, ist für ihn absurd. Das müsse einfach so passieren, nicht mit Vorsatz; alles andere verrate eine gewisse Überheblichkeit, mit der er nichts anfangen könne. Mit der Hierarchie, die zwischen Publikum und Künstler entstehe, sei er nicht zufrieden: «Wer bin ich, um das zu tun?» – einmal mehr werden wir Zeugen seiner Bescheidenheit. Die Hierarchie bestehe sowieso: «Ich rede und die hören mir zu – das reicht mir.»
Gelassen, charmant und etwas frech: So lernen wir Bänz Friedli (55) kennen. Eines Abends musste er nach einer Lesung feststellen, dass er nicht gelesen, sondern einfach nur erzählt hatte. Das und die Anfrage eines Kollegen für zwei Kabarettauftritte zum Thema Jugend, aus denen schlussendlich 220 Vorstellungen wurden, waren der Beginn seines Erfolgs. Als er über Nacht plötzlich sein Künstlerdasein etikettieren muss, spricht ihn die Bezeichnung «Kabarettist» am meisten an, da diese auch eine gewisse Seriosität impliziert. Statt uns eine tiefschürfende Antwort auf die Frage zu geben, weshalb er Kabarett macht, lehnt er sich zurück, lächelt: «Weil es fägt!» Seine lockere Art begeistert, denn etwas hebt ihn von anderen Künstlern ab: seine jugendliche Unbekümmertheit, die ihn manchmal dazu zwingt, Tabus zu umgehen und Regeln oder Konventionen zu brechen. Einmal mehr müssen wir lachen, als er uns erklärt, dass es ungünstig ist, ihm als Kabarettisten zu sagen, was er nicht dürfe. Genau das wird er nämlich dann tun. Sitzen bekannte Persönlichkeiten im Publikum, schreit das förmlich nach humorvoller Konfrontation. Als Kabarettist habe er eine grosse Narrenfreiheit und schliesslich sei er auch «ein humorvoller Kindskopf». Dass er deswegen nicht bei allen gut ankomme, sei ihm bewusst; aber auch ihm gefalle trotz seines weiten Humorbegriffs nicht jeder Künstler – das sei auch gut so.
Thomas Lötscher (60) berührt mit seiner Figur, «Veri», die wichtigen Themen unseres Lebens: ob Politik, Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur, er scheut sich nicht, in der Figur des Schulhausabwarts aus dem Entlebuch dem Publikum einen Spiegel vorzuhalten. Als Mensch mit einem tief verwurzelten Drang, die Welt zu verbessern, ist diese Figur nicht nur ein Medium zum Ausdruck gesellschaftlicher Missstände, sondern zugleich Selbsttherapie fürs eigene Gemüt. Entstanden ist «Veri» (Abkürzung von Xavier) bei einer regionalen Comedynight. Als einziger Angemeldeter musste er unverhofft auftreten. Seit 2004 verkörpert der ehemalige Projektmanager aus dem Bereich Informatik die Figur auf der Bühne. Mit seinen kritischen Auseinandersetzungen über aktuelle Themen stösst er nicht überall auf Begeisterung und Verständnis. Dessen ist sich Thomas bewusst. Gerne möchte er die Welt verbessern und sozialer gestalten, aber auch dem Publikum aufzeigen, dass Missstände nicht so ernst genommen werden sollten. Er erzählt uns, dass mit dem Entstehen seiner Programme auch ein Sammeln und Ausschlachten von öffentlichen Dokumenten, Reden und Fotos einhergeht. So kann er seine Aussagen auf der Bühne mit möglichst vielen Fakten stützen. Als er uns einen Einblick in die Dateien seines Laptops gewährt, staunen wir über das Sammelsurium an Bildern und Texten, fein säuberlich geordnet.
Für alle drei ist klar: Dass sie heute auf der Bühne stehen, verdanken sie nebst ihren vielseitigen Fähigkeiten auch guten Freunden, die sie unterstützten. Etwas Glück und «zur rechten Zeit, am rechten Ort» gelten für alle.
«Das Schöne am Humor ist, dass es einfach passiert.»
Renato Kaiser
Muss Kabarett humorvoll sein?
Renato: Zu 98 Prozent muss das der Fall sein, denn sonst wäre ich nicht Satiriker oder Kabarettist, sondern Politiker oder Erzähler. Grundsätzlich ist es der Humor, der uns ausmacht, und es ist auch das, was die Leute sehen wollen. Wird gesagt, Satire müsse nicht lustig sein, impliziert das, dass Lustigsein abgewertet wird. Ich glaube, ich muss nicht versuchen lustig zu sein, das geschieht einfach.
Bänz: Für mich selbst ist Humor eine recht ernste Sache. Kabarett muss aber nicht immer lustig sein. Der Humor ist eine Möglichkeit, die Welt zu ertragen. Es ist eine Grundhaltung, die gesund ist und guttut.
Thomas: Für mich muss Kabarett humorvoll und komisch sein. Ein Zitat von Robert Gernhardt zeigt gut, was auch ich darunter verstehe: «Humor ist eine Haltung, Komik das Resultat einer Handlung. Humor hat man, Komik macht oder entdeckt man.» Damit die Realität ertragbar wird, braucht es Humor und Komik.
Wo sind die Grenzen des Humors?
Renato: Jeder hat seine eigenen Grenzen. Das, was ich selber lustig finde, ist meine Grenze. Ich frage mich oft, ob es möglich ist, etwas lustig zu finden und ob der Witz angebracht ist. Wenn ich in so einer Situation bin, merke ich schnell, dass es gar nicht so lustig ist.
Bänz: Ich bewundere jene, die keine Grenzen kennen. Für mich gibt es Grenzen. Dies hat auch damit zu tun, dass in der Schweiz etwas eher als pietätlos empfunden wird als anderswo. Und letztlich bin ich ein tief moralischer, abendländisch geprägter «Schisshas».
Thomas: Die Grenzen des Humors gibt es eigentlich nicht. Wenn wir verschiedene Themen und Missstände nicht ansprechen, wer macht es dann? Manchmal spreche ich solche Ereignisse ganz bewusst an, obwohl ich weiss, dass das beim Publikum eine persönliche Betroffenheit auslösen kann.
«Für mich selbst ist Humor eine recht ernste Sache. Kabarett muss aber nicht immer lustig sein.»
Bänz Friedli
Ist Humor lernbar?
Renato: Grundsätzlich glaube ich nicht. Das Schöne am Humor ist, dass «es einfach passiert». Sobald du sagst, Humor könne man lernen, gibst du jemandem Werkzeuge für Manipulationen in die Hand. Durch Mimik und Gestik kann man die Zuschauer zum Lachen bringen, die vielleicht selber gar nicht verstehen, weshalb sie jetzt lachen.
Bänz: Ich glaube, Humor ist eine Grundausstattung. Man kann ihn aber auch lernen. Zum Beispiel in Basel mit den Schnitzelbänken. In 16 Sekunden wird eine politische Botschaft lustig und kunstvoll auf den Punkt gebracht. Diese Pointiertheit zu begreifen, lernen BaslerInnen von Kindesbeinen an.
Thomas: Ich glaube, dass ein Teil des Humors «in den Genen» ist. Das hilft gelassener, genügsamer und zufriedener mit den Widrigkeiten dieser Welt umzugehen und darüber zu lachen. Es ist aber auch ein Teil der Sozialisierung.
«Mit der Rolle von Veri als Ventil kann ich meine Ideen für eine bessere Welt präsentieren.»
Thomas Lötscher (Veri)
Bist du auch privat humorvoll?
Renato: Ich war nie Klassenclown oder Unterhalter, habe aber schon früh gemerkt, dass ich gut reden kann. Ich kann lustig und ein angenehmer Gesprächspartner sein. Auf Partys habe ich aber den Eindruck, weder interessant noch lustig zu sein; das Gute ist: Ich gehe nie auf Partys.
Bänz: Seit ich Kabarett beruflich mache, habe ich eine grössere Heiterkeit in meinem Leben. Sehr wahrscheinlich, weil es so schön ist, dies zu machen. Je mehr ich aber auf der Bühne auftrete, werde ich im Privaten zum Langweiler, weil ich mich zurücknehme und nicht den Unterhalter geben will.Thomas: Ich bin eher zurückhaltend und habe selber nicht so viel Humor. Viel eher sehe ich mich auf der Bühne als komisch. Mit der Rolle von Veri als Ventil kann ich meine Ideen für eine bessere Welt präsentieren.