Das Stadttheater Bern zeigt gegenwärtig «Freigänger», eine «Reportage fürs Theater», für welche die Regisseurin Anna Papst zahlreiche Gespräche mit Insassen, aber auch Mitarbeitenden der offenen Strafanstalt Witzwil geführt hat; einige davon werden nun in geraffter, aber unverfälschter Form von drei Schauspielerinnen vorgetragen. Zu der Aufführung, die ich besucht habe, kam – als Steigerung – ein Gespräch mit der Regisseurin und einem der porträtierten früheren Insassen hinzu: Ruedi Szabo, seinerzeit wegen Raubüberfällen in Saxerriet im Kanton St. Gallen, einer anderen offenen Anstalt, inhaftiert, ist seit langem in der Betreuung von Straftätern aktiv.
Einige Splitter aus dem Gespräch mögen zum Nachdenken über Freiheit, deren Entzug und die Rückkehr ins «Normale» anregen. Wenn wir hierbei für Kriminelle nur männliche Formen verwenden, so entspricht das einer Realität: Die riesige Mehrzahl von Verbrechen wird von Männern verübt.
«Sich der Tat stellen»: Wer sich mit Straftätern befasst, stösst auf die Art, wie sie sich zu ihren Taten verhalten: Eine Schuld scheint ihnen oft kaum vorzuliegen – «es ist halt geschehen» – oder sie heroisieren sich und ihre Aktionen sogar. Es gilt daher, ihnen zum Bewusstsein zu verhelfen, dass sie Fehltritte zu verantworten haben. Ein geeignetes Mittel dazu ist das Eingehen auf die Täter-, aber auch die Opfer-Perspektive, etwa in entsprechenden Dialogen. Wie sieht das, was jemand getan hat, für die «andere Seite» aus?
Wie soll sich eine betreuende Person auf Straftäter einstellen? «Dich, deine Person habe ich gern – deine Tat lehne ich ab, ja hasse ich.» Eine solche Haltung öffnet Zugänge; denn vielen Tätern ist von jeher Liebe vorenthalten worden.
Als entscheidend erweist sich, dass Gefangene eine Ausbildung erhalten. Wenn sie sich so positiv einstellen können, auch für die Zeit danach, macht ihr Aufenthalt Sinn. Freilich gibt’s andere Haltungen: Betreuende bieten einem Delinquenten einen «Job» an – er möchte aber einen «Deal», wohl aus Gewohnheit. Da stehen die Aussichten schlecht.
Wer mit aktuellen oder ehemaligen Strafgefangenen arbeitet, sollte von ihnen Disziplin einfordern, ihnen Grenzen setzen – das vertritt jedenfalls Ruedi Szabo, dem allerdings von andern Betreuenden manchmal widersprochen wird. Bisher haben Täter Disziplin und Einschränkungen vielleicht gar nie gekannt, sie müssen sie erst erlernen. Die «Welt draussen» wird sie ihnen bestimmt abverlangen.
Aufführungen noch bis am 16. April. Weitere Informationen: hier.