Gitarre lernen, mehr Klavier spielen, besser lernen Noten zu lesen, öfters Lieder schreiben. Mit Acrylfarben malen lernen, besser zeichnen lernen, mehr Briefe schreiben, öfters Texte verfassen. Disziplinierter trainieren, besser trainieren, mehr Sportarten kennen lernen. Viel mehr Theater spielen. Einen Helm tragen wenn ich Fahrrad fahre, mein Zimmer besser aufräumen, ordentlicher sein, mich gesünder ernähren, ein guter Mensch sein. Dem Leben etwas zurückgeben, was ich habe. Mehr lachen, öfters freundlich sein – gutes Tun.
Alles Dinge, die ich im Neuen Jahr tun werde. Wenn das alte Jahr zu Ende geht nehme ich mir vor, Neues anzufangen, mehr zu tun und vieles besser zu machen. Ich bin 20 Jahre alt und nehme mir jedes Jahr wieder etwas vor, was ich mir dann im darauf folgenden Jahr wieder vornehme, was ich mir zwei Jahre später wieder vornehme und so weiter und so fort.
Ein neues Jahr – ein besseres Ich?
Ein neues Jahr – ein neues Ich. Als wäre der Unterschied von jetzt auf morgen kleiner als der vom letzten Tag des alten Jahres auf den ersten Tag des neuen Jahres.
Dabei könnte ich mir doch an jedem Tag des letzen Monates etwas für den neuen Monat vornehmen, dann wäre ich am Ende des Jahres sicherlich ein besserer Mensch. Ich könnte bereits Gitarre spielen, ich würde mehr Klavier spielen und würde öfters Lieder schreiben. Ich würde mehr trainieren und mehr Theater spielen, mehr zeichnen und mehr malen. Und auf dem Fahrrad würde ich einen Helm tragen.
Ich wäre im Grossen und Ganzen einfach besser.
Doch lediglich weil ein neues Jahr beginnt heisst das nicht, dass auch ich von Neuem beginnen kann. Ich stehe am genau gleichen Punkt im Leben wie im Jahr zuvor. Ich habe zu wenig Zeit für all das, was ich doch eigentlich tun möchte und wenn ich mal Zeit hätte, bin ich zu müde um es zu tun. Dann kuschle ich mich in eine warme Decke, trinke meinen Tee und schaue fern.
Und wenn ich mich dann wieder beschwere, ich hätte zu wenig Zeit für alles, frage ich mich, ob das wirklich stimmt. Ich müsste mir doch einfach nur Zeit nehmen für all das, was ich auch wirklich ganz fest will. Mir Zeit nehmen, alles gut einplanen damit alles Platz hat, das ist der Weg zu all dem was ich tun möchte. Das neue Jahr gibt mir die Möglichkeit über das nachzudenken was passierte und was nicht, darüber was ich erreichen konnte und was nicht.
Wer sind wir?
Gutes oder schlechtes Jahr, erfolgreiches oder misslungenes Jahr, verliebtes oder einsames Jahr, oder doch ein ganz normales, gemischtes Jahr, mit Höhen und Tiefen, mit Liebe und Freude, Schmerz und Leid sowie Angst vor dem was kommen wird?
Die Angst vor dem was aus mir werden wird, ob ich all das schaffe, was ich schaffen möchte, ob ich der Mensch bin der ich sein möchte. Die jährlich wiederkehrende Angst, die sich nie ändern wird. Der erste Monat im neuen Jahr, in dem ich so tue als wäre ich nun ein anderer Mensch.
Ich erzähle jedem und allen davon, dass ich nun endlich angefangen habe Gitarre zu spielen, endlich mein Zimmer regelmässig aufräume, viel mehr Texte schreibe und vor allem einen Helm trage wenn ich Fahrrad fahre.
Doch am letzten Tag im alten Jahr werde ich der gleiche Mensch sein wie am ersten Tag des neuen Jahres, der Unterschied ist nur, dass ich mir die Zeit nehme, darüber nachzudenken wer ich bin, was ich noch alles tun wollte im alten Jahr und was ich im neuen Jahr erreichen will.
Das neue Jahr gibt uns allen die Möglichkeit darüber nachzudenken, was wir besser machen wollen, was wir Neues entdecken wollen, was wir bereuen und welche Momente wir für immer im Herzen behalten wollen. Welche Menschen uns wirklich beschützen und lieben und welche uns fallen lassen. Das neue Jahr gibt uns allen die Möglichkeit zu verstehen, was zählt im Leben, wer es Wert ist zu lieben und wie viel Wert wir selber doch eigentlich sind, was wir alles schaffen konnten und wer wir als Mensch sind.
Das neue Jahr ist die Zeit in der wir reflektieren. In der wir uns neues vornehmen, wieso mal nicht anders? Mal nicht so wie gewohnt? Ganz anders, ganz neu? Wieso eigentlich nicht?