Unser Gedächtnis verknüpft jede Erfahrung, die wir machen, sofort mit denjenigen Gefühlen, die wir im Moment der Erfahrung empfinden. Gefühlsstarke Erfahrungen speichern wir besonders gut.
Je länger wir leben, desto mehr verschiedene Gefühle und Erlebnisse bleiben in unserem Gedächtnis. Dadurch wird unsere Lebenserfahrung differenzierter.
Gefühle geben uns meistens den ersten Impuls, wenn wir etwas entscheiden müssen. Der Verstand kommt erst nachher hinzu um bewusst abzuwägen, ob unser gelerntes Wissen dem ersten Gefühl entspricht. Oft hört man: Ich entscheide meistens «aus dem Bauch heraus». Das heisst eigentlich: «Ich vertraue meinen Gefühls-Erfahrungen.» Andere misstrauen ihren Gefühlen und denken viel länger nach bevor sie entscheiden. Für lebenswichtige Entscheidungen lohnt sich wohl die Kombination von gefühlsmässigem und verstandesmässigem Vorgehen sowie dem Austausch mit andern Menschen.
Wie vielfältig unsere Gefühle sind, kann die folgende Aufzählung andeuten. Kennst du diese Gefühle aus eigener Erfahrung?
Kurze Geschichten, in welchen Gefühle eine deutliche Rolle spielen
Die Lawine
Eine Gruppe ist auf Tourenskis unterwegs zum Gipfel. Es ist bereits Mittag und die Sonne scheint auf den Hang, auf dem sie aufsteigen. Gino, dem Tourenführer, ist nicht mehr wohl bei der Sache, da sie später dran sind als geplant.
Plötzlich wendet er sich an die Gruppe und erklärt, dass er einen Lawinenniedergang befürchtet und umkehren will.
Lisa lacht und meint: «So kurz vor dem Gipfel abbrechen? Du bist doch sonst nicht so ängstlich, Gino!»
Doch Gino beharrt auf seinem Entschluss. Alle schnallen ihre Felle ab und kurven vorsichtig in grossen Abständen den Hang hinunter.
Kurz nachdem alle unten angekommen sind und den Sonnenhang verlassen haben, löst sich eine Lawine und donnert den Hang hinunter. Die Gruppe ist beeindruckt von der Gewalt des Pulverschnees sowie von Ginos Voraussicht und bedankt sich bei ihm. Lisa entschuldigt sich mit Tränen in den Augen bei Gino, der ihr aber nichts nachträgt, da Lisa noch jung und unerfahren ist.
Unangenehme Gefühle warnen uns – zwei Beispiele
Einsamkeitsgefühl
Junge und alte Menschen fühlen sich besonders häufig einsam. Junge sehen zwar in der Schule, im Studium oder am Arbeitsplatz Kolleg:innen, finden aber kaum Freund:innen. Internetbekanntschaften können zu guten Beziehungen führen. Häufig fehlt aber der Mut zu einem Life-Treffen. Alten Menschen sterben ihre Freund:innen und Verwandte weg und Interessengruppen fallen auseinander. Neue Freund:innen zu gewinnen, ist mangels Gelegenheiten und wegen eigenen Krankheiten und Einschränkungen schwieriger geworden.
Was tun? Sich oft einsam fühlen, ist belastend, kann aber auch motivieren, trotz Widerständen, neue Beziehungen zu suchen. Wenn keine Vereine, Interessensgruppen usw. vorhanden sind, vermitteln auch soziale Organisationen wie das UND, kirchliche Gruppen und Pro Senectute niederschwellig Kontaktmöglichkeiten.
Distress
Der seelisch und körperlich krankmachende Distress ist eigentlich eine lang andauernde Angst. Häufig ist die Angst, nicht zu genügen und abgelehnt zu werden, eine wichtige Ursache. Die Erwartungen an uns heutige Menschen sind oft hoch und wir erleben sie als noch höher als sie wirklich sind. Eigentlich sollte uns das Hormon Adrenalin bei akuten Gefahren auf Höchstleistung trimmen und dann im Blut wieder abgebaut werden. Wenn es fast täglich lange wirkt, schadet uns das körperlich und seelisch.
Was tun?
Erstens: Überlegen, was wir nicht unbedingt tun müssen und das weglassen. Zweitens: Im Tagesablauf Pausen einplanen und sich mit Entspannungsmethoden erholen. In längeren Pausen zum Beispiel im Wald spazieren gehen und die Natur bewundern. Drittens: Perfektion vergessen und mit durchschnittlich guten Leistungen zufrieden sein.
Ein wunderbarer Tag
Müde und zufrieden komme ich am Nachmittag mit meiner Schwester von einer Bergwanderung zurück. Gegen Abend beschliesse ich noch im in der Nähe gelegenen See schwimmen zu gehen. Ich habe Glück, denn mein Lieblingsplatz ist frei. Ich lege meine Sachen auf die Holzbank und setze mich einen Moment hin. Ich stehe auf und steige in den kalten See. Das Wasser ist erfrischend und ich schwimme ein Stück hinaus, bevor ich mich auf den Rücken drehe. Während ich so auf dem Wasser schwebe und die Ruhe geniesse, denke ich: «Wie froh bin ich doch, in einem so schönen Land leben zu dürfen.»
Was für ein perfekter Tag. Ich bin erfüllt von der schönen Natur und verspüre eine grosse Dankbarkeit dafür, dass ich in Frieden leben darf. Wieder am Ufer setze ich mich nochmals auf die Bank und lasse mich von den Sonnenstrahlen wärmen. Ein wohliges Gefühl erfüllt mich nach dem kalten Bad.