David Leuenberger (18), Heinz Gfeller (68)
Wie schaffen wir es, mit der verrückten Gegenwart klar zu kommen? Lesen wir unsere Zeitung sorgfältig, hören zudem Radio, schauen fern? Anschliessend nehmen wir uns Kommentare, Kolumnen, Satiren vor, welche die Dinge auf den Punkt bringen? Schliesslich landen wir bei den Karikaturen, den Cartoons, die alles in ein einziges Bild, in ein paar Wörter fassen.

Im ersten Stock des Museums für Kommunikation in Bern stehen Säulen, die auf vier Seiten je einem Autor gewidmet sind, von dem sie höchstens fünf Werke zeigen. Die BesucherInnen zirkulieren bequem um diese Säulen; zudem können sie sich einige Film-Interviews mit AutorInnen ansehen. Mit einer Publikums-Befragung soll der «beste» Cartoon 2017 ermittelt werden.
Die Themen, die herausfordern
Was interessiert die ZeichnerInnen – und was wird das Publikum wohl aufnehmen und verstehen?
Zuvorderst steht – wie zu erwarten – die Politik, die weltweit grosse wie die lokal kleine; damit auch die wichtigen Probleme der heutigen Menschheit. Zugleich dreht sich vieles um bekannte Figuren des öffentlichen Lebens, PolitikerInnen und andere – viele CartoonistInnen pflegen ja die Karikatur, die sprechende Abbildung berühmter Köpfe.
Wenn das Thema zu komplex ist, oder Problem und Personen allzu wenigen Leuten vertraut sind, schränkt dies natürlich die Wirkung ein. So müssten die allgemein menschlichen, ja philosophischen Gegenstände am meisten Wirkung entfalten. Aber die Auftraggeber verlangen von den CartoonistInnen meist Aktualität, die Tagesthemen; KünstlerInnen arbeiten da auf Bestellung. In den Interviews spiegelt sich das: Alle wünschen sich auch Zeitloseres, vielleicht «Künstlerisches» zu schaffen.
Weniger ist (manchmal) mehr
Unter «gezeichnet» fallen Bilder, die von Hand skizziert und/oder mit Computer koloriert werden, selbsterklärende Bilder ohne Text, Zeichnungen mit Überschrift oder Sprechblasen. Nicht selten wird der Begriff «Cartoon» gebraucht, welcher für eine Grafik mit einer satirischen, komischen, pointierten Geschichte steht und einen Bildwitz darstellt.
Ein wichtiger Aspekt, der die Ausstellung frisch und unterhaltsam erscheinen lässt, ist die ganz unterschiedliche Gestaltung und Form der Bilder. Da bleibt zum Beispiel fast das ganze Papier weiss, während die Frisur von Hitler mit der Inschrift «Er ist wieder da» und drei deutsche AfD-Politiker als Schnurrbart die einzigen Elemente darstellen (Felix Schaad).

Andere Bilder zeichnen sich hingegen durch feine Details aus: Die FDP-Präsidentin Petra Gössi wird von Michael Streun als Karikatur dargestellt, der die Fingerspitzen fehlen.
Neben Cartoons und Karikaturen findet man auch Comics, kurze Geschichten aus mehreren Bildern. Auch hier gibt es KünstlerInnen, die auf einfache Skizzen setzen, und andere, die ihre Zeichnung am Computer nachbessern oder mit Farben und Schattierungen versehen. Eine Vielfalt von einzigartigen Stilen.
Worte gehören auch dazu
Cartoons sind in erster Linie Zeichnungen; doch Worte spielen zumeist auch ihre Rolle. Wann tun sie dies auf glückliche Art? Ein paar Beispiele aus der Ausstellung:
Jürg Kühni zeichnet eine Mutter, die mit ihren sechs Kindern in der Apotheke anfragt: «Was haben Sie gegen Mitesser?» Der Apotheker: «Kondome.» Ein feines Wortspiel, das auch ohne Bild funktioniert; doch die Illustration liefert die Idee elegant und sparsam.

Heinz Pfister («Pfuschi») spezialisiert sich auf «philosophische» Sujets. Mit «Der Weg ist das Ziel» gibt er eine geläufige Redewendung vor; überraschend dann die bildnerische Gestaltung: Ein Männchen geht in einem vorgezeichneten Kreis rundum. Bild und Worte ergänzen einander zwingend.
Ernst Mattiello schreibt in zwei Sprechblasen: «Gut zu wissen, wo man steht.» – «Zum Beispiel an Pfingsten im Stau.» Ein Sprachwitz, zu dem jedoch die Illustration – eine stehende Autokolonne – kaum etwas beiträgt.
Interessante Köpfe
Wer eignet sich besonders für Cartoon und Karikatur? Bestimmt Typen, die nicht nur durch ihre Taten, sondern auch ihr Äusseres auffallen – Sebastian Kurz aus Österreich hat nun mal, wie schon Prinz Charles von England, seine grossen Ohren; noch mehr die Typen, die sich selber ein ausgefallenes Image verpassen – angefangen natürlich bei Trump, auch dem nordkoreanischen Kim… Das kann ja so weit gehen, dass wir befinden: Er stellt seine eigene Karikatur dar.
Die ZeichnerInnen werden dann das Markante betonen, überzeichnen. Sie dürfen überdeutlich werden. Bruno Fauser sagt im Interview: «Ohne Clichés funktioniert ein Cartoon nicht.» Was auch für Probleme zutrifft, die angegangen werden. Cartoons vergröbern, verallgemeinern; wenn dadurch eine dezidierte Meinung hervortritt, umso besser.
Und welches ist nun der «beste» Cartoon?
«Die Idee ist das Wichtigste für einen Cartoon», meint Gabriel Giger. Und ohne Humor gehe es keinesfalls, so Heinz Pfister.
Neben guten Ideen, Humor und zeichnerischem Geschick brauchen die Schaffenden das Fingerspitzengefühl. Was dürfen Cartoons, was Karikaturen sich leisten? Es ist die alte Frage: «Was darf die Satire?»
Den Walliser Regierungsrats-Wahlverlierer Oskar Freysinger so zu zeichnen, dass er «den Schwanz einzieht» – ist das zulässig? Natürlich spricht sich da Häme gegenüber einem Mächtigen aus: «Es geschieht ihm recht». Doch das gehört zu den Funktionen der Satire.

Mit seinem AfD-Hitler-Bild nimmt Felix Schaad eine riskante Zuordnung, ja Beleidigung vor – doch er wird dazu stehen wollen. Es kommt die übliche Gegenfrage auf: Wer erträgt Satire nicht?
Vor zwei Jahren wurde die Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» in Paris durch mehrere Attentäter fast ausgelöscht. Verhöhnende Beiträge zum Islam hatten deren Zorn auf sich gezogen. Hat die Pressefreiheit ihre Grenzen? Darf man religiöse, kulturbedingte Gefühle von Menschen verletzen?
Dafür lässt sich wohl kein eindeutiges Gesetz, kein klares Verbot aufstellen – höchstens kritische Fragen und Normen. Ein Verbot gewisser Inhalte könnte die Satire erheblich beeinträchtigen; eine Ausstellung wie diese würde darunter leiden. Von den ZeichnerInnen erwarten wir Verstand und Kritikfähigkeit; ebenso vom Publikum – und viel Toleranz.
Die Ausstellung im Museum für Kommunikation in Bern läuft noch bis 11. Februar 2018; jeweils Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr.
