Ein Lichtstrahl geht auf Reisen
Er ist schnell, unser Lichtstrahl. Viel schneller, als wir uns vorstellen können. In einer Sekunde rast er siebeneinhalb Mal um die Erde. Doch nun ist fertig gespielt, jetzt ist anderes gefragt: Unser Lichtstrahl muss auf die Reise, die weite Reise ins All.
Schon in 1,5 Sekunden flitzt er am Mond vorbei, nach acht Minuten an der Sonne. Hier muss er aufpassen, die Gravitation könnte ihn hineinziehen, und da wäre es sehr heiss – 6000 Grad Celsius. Der Strahl fliegt weiter, hinaus aus dem Bereich der Sonne, zum nächsten Stern, zur Proxima Zentauri. Das dauert etwas länger. Um ihn zu erreichen, braucht er vier Jahre.
Dort ruht er sich kurz aus. Die Erde ist weit weg. Unzählige Sterne umgeben den Strahl. Er weiss, noch befindet er sich in unserer Heimatgalaxie, der Milchstrasse. Zum Glück hat er sich in der Sternwarte Schwanden noch informiert. So weiss er, dass es etwa 100 Milliarden Sterne sind, die ihn da umgeben. Unvorstellbar, unmöglich, sie zu zählen. Nebenan leuchtet der Andromeda-Nebel. Eine leuchtende, farbenreiche, unsäglich schöne Spirale von Sternen. Wäre er einen Umweg wert? 23‘650‘000‘000‘000’000‘000 Kilometer. Er muss weiter, hinaus zu jener Galaxie, die man ihm in der Sternwarte als die entfernteste bezeichnet hatte, die für unsere Teleskope gerade noch erreichbar ist.
Zum Glück befindet sich sein Ruheplatz in der Randzone der Milchstrasse, das erspart ihm den weiten Weg durch sie hindurch. Das hätte wieder etwa 100‘000 Jahre gedauert. Er will hinaus zu seiner Galaxie. Voraussichtliche Dauer der Reise: 13‘800‘000‘000 Jahre. Aber er ist ja schnell. Lichtgeschwindigkeit sei das Schnellste, das es überhaupt gibt, heisst es. Er muss die Richtung gut im Auge behalten. Da schwirren Milliarden von «Milchstrassen» herum. Manchmal verbiegen sie ihm den Weg. Einige wollen ihn an sich ziehen, andere stossen ihn ab. Auf gerader Linie zu reisen ist da nicht einfach. Und immer diese Angst vor den Schwarzen Löchern. Denen könnte er nicht entrinnen, wenn er ihnen zu nahe käme. Die gewaltige Schwerkraft würde ihn verschlucken.
Endlich – es ist inzwischen viel Zeit vergangen – atmet er erleichtert auf, er ist am Ziel angelangt. Auch hier findet er einen Planeten, auf dem sich etwas sitzen lässt, nicht zu kalt, nicht zu heiss.
Wow, das ist gewaltig! Er versucht, etwas Ordnung in das Lichtermeer zu bringen. Also, das sind die 200 Milliarden Galaxien, von denen man in der Sternwarte gesprochen hat. 200 mal 1000 mal 1000 mal 1000. Wie das trudelt und strudelt und leuchtet und tanzt! Grossartig, wenn es einem dabei nicht schwindlig wird. Eine dieser Galaxien muss er sich herauspicken, um wieder heimzukommen: die Milchstrasse. Ah! dort ist sie, mit ihren 100 Milliarden Sternen. Die Sonne, zu der er zurück soll, er kann sie nur erahnen. Und um sie dreht sich, denkt er, die kleine Erde. Und auf ihr hetzen die Menschlein über die Strassen und halten ihre Sorgen für das Wichtigste der Welt. Soll ich da überhaupt wieder hin? Es ist ja so schön hier!
Wie der Nachthimmel mich bewegt
Und ich liebe es, wie klein und unbedeutend ich mich fühle, wenn ich den Nachthimmel betrachte.
Ich weiss nicht, wie es dir geht, aber wenn ich all diese hellen Sterne und Galaxien, all die Planeten und den Mond anschaue, habe ich immer Tränen in den Augen.
Es mag seltsam klingen, aber für mich ist das eines der besten Gefühle – sich so klein und unbedeutend zu fühlen.
Es lässt mein Vertrauen in das Universum wachsen und gibt mir das Gefühl, dazuzugehören.
Der Gedanke, dass ich ein Teil von allem bin – der Gedanke an den Sternenstaub und die Atome, die in mir sind und die aus dieser riesigen Unendlichkeit entstanden sind.
Diese Unendlichkeit, von der wir ein Teil sind, macht es so unvorstellbar – macht es so überwältigend, darüber nachzudenken.
«Alles ist ein gigantisches Wunder.»
Wir sind Teil von etwas, von dem unser Verstand zu klein ist, um es sich überhaupt vorstellen zu können – von etwas das so viel grösser ist als wir selbst.
Der Nachthimmel bringt mich dazu, im Moment zu sein – er bringt mich dazu, langsamer zu werden.
In diesen Momenten starre ich einfach auf die dunkle Wand über mir, die von diesen Glitzerstrahlen, die auf meine Augen treffen, verdeckt wird.
Oh, und was diese Lichtstrahlen angeht – der Gedanke daran, dass das Licht dieser Sterne, die wahrscheinlich schon vor einer Million Jahren gestorben sind, meine Augen erreicht, fasziniert mich mehr, als ich in Worte fassen kann.
Und wenn ich mit der Schönheit darin nicht umgehen kann, sagt mein Verstand: «Alles ist ein gigantisches Wunder.»
Und wenn ich nicht mit dem Wunsch umgehen kann, zwischen den Sternen zu tanzen und die dunkle Seite des Mondes zu besuchen – du weisst schon, die, die die Lichtstrahlen der Sonne nicht erreicht – dann denke ich: «Ich wünschte, ein UFO würde mich einfach mitnehmen.»
Und ich liebe es, dass der Nachthimmel mir das Gefühl gibt, so klein und unbedeutend zu sein – ich bin nichts in dieser Unendlichkeit.
«Ist das nicht beängstigend – mögen manche fragen.»
Eine gute Freundin sagte mal zu mir: «Ich habe das Gefühl, dass ich mehr Sterne sehe, je mehr ich darüber nachdenke, und es fühlt sich an, als würde sich das Universum für diejenigen öffnen, die bereit sind zu sehen. Und ich sehe und du auch, und weil das Universum Menschen wie uns seine ganze Unendlichkeit zeigt, fühlen wir uns so klein und seltsam. Glaube ich?»
Und ich antwortete: «Diese Sehnsucht nach den Sternen und dem Mond, der Gedanke, dass es diese Unendlichkeit gibt, gibt mir ein Gefühl von Heimat. Ich weiss nicht, aber wie kann das Gefühl, nicht dazuzugehören, einem das Gefühl geben, irgendwo anzukommen?»
Der Nachthimmel gibt mir das Gefühl, ein Teil dieser Magie zu sein – verloren und doch angekommen.
Wir denken, wir wüssten so viel, obwohl wir in Wirklichkeit so wenig wissen, und manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Menschen vergessen, wie klein wir wirklich sind – manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Menschen vergessen, die Magie um uns herum und in uns zu schätzen – bereit zu sein, zu sehen und bereit zu sein, sich zu kümmern.
«Ich liebe es, wie klein und unbedeutend der Nachthimmel mich fühlen lässt.»
Denn es ist das, was ich bin. Und zu wissen, was ich bin, gibt mir die Kraft, so zu sein, wie ich bin, und diesem Wunder, in dem wir das Privileg haben zu leben, etwas zurückzugeben.
«Etwas Reines und Echtes.»
Euer Beitrag freut mich: sowohl Inhalt als auch Gestaltung. Ich gehöre auch zu den Bewunderern und fühle mich im Weltall / im Ganzen geborgen. Und es ist auch ein ganz-ganz kleines Bisschen mich! Schön, nicht?