Klara liegt im Bett und sucht den Schlaf. Der will sich nicht einstellen. Ein ihr vertrautes Gefühl. Wenn tagsüber ihr Bewegungsbedürfnis zu kurz kommt, bewegt sich’s nachts im Kopf. Dieser erobert sich die nächtliche Bühne für seinen Auftritt. Aktuell probt er den Wochenrückblick.

«Ein Treffen für die Geschichtsbücher – Obama und Castro reden miteinander», darf Klara der Presse entnehmen. Nach den Berichten zum putinschen Muskelspiel und Säbelrasseln in der Ostukraine und auf der Krim haben diese Zeilen eine geradezu wohltuende Wirkung. Schreibt hier der Generationendialog Zeitgeschichte? Jenen zwischen dem greisen, sich versöhnlich gebenden kubanischen Staatschef und dem als führungsscheu geltenden Obama. Vom Alter her könnte Castro Obamas Grossvater sein. Die Welt braucht mehr Mediatoren, keine Gladiatoren, denkt sich Klara seit langem. Auf derselben Linie steht für sie auch eine dieser Tage in einem Interview gemachte Aussage von Christine Lagarde, der IWF-Chefin. Sie meint, dass «Frauen in ihrem Führungsstil integrativer sind und es öfter schaffen, eine Einigung zu erreichen, sich in Krisenzeiten als die besseren Anführer herausstellen, effektiver darin sind, verschiedene Aufgaben unter einen Hut zu bringen und eine ganzheitlichere Sicht auf das Leben haben». Männer, so Lagarde, würden hingegen durch eine Überdosis Egoismus und Testosteron behindert. Da fragt sich Klara: Pflegen nun Castro und Obama einen weiblichen Führungsstil? Falls ja – was ist falsch daran, «droht» etwa sogar Hoffnung?
In Klaras Kopfkino folgt sogleich die nächste Szene. Ein Verwandtenbesuch aus dem Ausland führt sie tief in die familiären Erinnerungen: Der zu frühe Tod der Eltern liess viele Fragen unbeantwortet, die gerade jetzt, angesichts dieses Besuches, nach einer Antwort rufen. Damals war die Zeit nicht reif, oder sie fehlte. Darf ich, sinniert Klara, meine Kinder heute schon dazu ermuntern, ihre Fragen zu stellen, nicht zuzuwarten, bis es zu spät dafür ist? Schon kämpft sich die nächste Frage nach vorn: Und wann ist «bevor es zu spät ist»? Ehe Klara sich auf glatteisiges Parkett begeben wird, will sie sich darüber mit einer guten Freundin austauschen.

Schnitt. Nächste Szene: Jööö – und da ist noch dieser 11-jährige Sänger, der sich mit dem Lied von Eurovision-Song-Contest Gewinnerin Conchita Wurst «Rise like a Phoenix» zum grössten Schweizer Talent empor singt. Vom Erfolg völlig überrumpelt gibt er seiner unbändigen Siegesfreude mit einem gellenden Schrei Ausdruck. «Der Sieg ist Fluch und Segen zugleich», liest Klara später in einer Zeitung. Sie wünscht dem Jungen, dass seine Eltern die Reissleine nicht aus der Hand geben und gegebenenfalls auch dazu bereit sind, sie auch zu ziehen, sollten gierige Medien oder Geld witternde Musikproduzenten sich auf das junge Talent stürzen wollen. Lass dich nicht verbiegen, junger Mann!
Langsam beruhigt sich das farbige, blitzende und sich zuweilen chaotisch anfühlende Gedankenwirrwarr in Klaras nächtlichem Kaleidoskop. «Man soll nicht versuchen, das Chaos zu ordnen. Es genügt, im Chaos ordentlich zu leben», verspricht ein Zitat. In Klaras Fall heisst das nun: Der Vorhang fällt – endlich – und sie darf sich in Morpheus‘ Arme fallen lassen.
Guten Wochentag
Die UND-Serie zum Wochenstart: Wenn der Arbeitsalltag wieder ruft, bietet Generationentandem Starthilfe oder gezielte Ablenkung. Zu einem Bild aus der Fotoredaktion erfinden AutorInnen kurze Geschichten oder schreiben einen gerafften Beitrag – ob aus aktuellem Anlass oder zeitunabhängigen Ideen.
Liebe Gaby
Danke für deine nächtlichen Betrachtungen. Ich finde auch, der weibliche Stil sollte in der Politik vermehrt Platz erhalten: Soziale Kompetenz gepaart mit lösungsorientiertem Vorgehen und weniger Gerangel um Prestige und Macht bringts sicher.
Ein gutes Interview mit Simonetta Somaruga hat meinen Respekt vor unserer Bundespräsidentin stark vergrössert. Die Frau hat menschliche Werte und ist parat, dafür zu kämpfen.
Da in unserer Welt viel schief läuft – nicht nur in der Politik – werden immer öfters kompetente Frauen gesucht, die gehbare Wege finden sollen. Das ist doch eine Hoffnung!