Carolyn und ich stehen in meiner einfachen Küche. Sie schneidet professionell Zwiebeln und Gemüse, ich schäle mehlige, rohe Kartoffeln. Wir unterhalten uns fröhlich über die Kochkunst heute und in vergangenen Tagen. Ich bewundere ihre im Praktikum der Hotelfachschule erworbene Leichtigkeit, mit der sie da organisiert, berechnet, hackt und schneidet. Sie bringt neuzeitliche Ideen in meine altmodische Arbeitsweise. So lasse ich mir erklären, wie sich durch wachsenden Wohlstand, Import-Möglichkeiten aus vielen Ländern, Treibhäuser und Kühlhäuser die Möglichkeiten der Kochkünste erweitert und verändert haben. Wir sprechen über das Verdrängt-werden von Quartierläden durch die preislich und angebotsmässig stärkeren Supermärkte, wir lachen über alte und neue Konservierungsmethoden und meine Enkelin kann sich ein Leben ohne Kühlschrank und ohne «Data» kaum vorstellen. Sie schimpft über Pestizide und ich halte mich auf über neuartige Diäten. Wir sind uns einig bei Vitamin schonenden Zubereitungsarten von Gemüse.
Bauernbrot und Fertigmenus
Mir schwirrt der Kopf beim Zuhören über moderne Gesundheitskost, Sportlerdiäten, über Mikrowellen und Fertigmenus, vegetarisch, vegan – und alles auf Knopfdruck!
Ich denke zurück an die düstere kleine Küche im «Stöckli» bei meiner Grossmutter. Wie sie stundenlang am Holzherd waltete, in den grossen Pfannen über offenem Feuer rührte, hin und wieder ein Holzscheit nachlegte oder Wasser aus dem Kupferschiff schöpfte. Wie wir es genossen, um den Tisch zu sitzen und mit einem Stück Bauernbrot den letzten Rest der dicken Sauce aufzutunken.
Inzwischen ist alles fertig, der Tisch ist gedeckt, der Salat wartet schon und vom Kartoffelgericht werden wir satt und zufrieden. Zum Nachtisch habe ich eine saisonale Rhabarbercrème vorbereitet (weichgekochte, verrührte Rhabarber gemischt mit Quark und kühlgestellt) und gestern buk ich dazu feine Sablés. Wir spüren, wie gemeinsames Kochen und Essen Menschen aller Zeiten und Alter verbindet und beschliessen, zur Abwechslung nächstes Mal unter Carolyns Leitung in ihrer brandneuen elterlichen Küche ein modernes Gericht zu kochen. Also: Bis zur Herbstausgabe!