Mariëlle Schlunegger (23)
Grauzonen nennt sich eine Theaterproduktion, die sich unter anderem auf die vorausgegangene Kampagne #metoo bezieht. Mit diesem Hashtag wird auf sexuelle Belästigung aufmerksam gemacht. Annemarie Voss und ich erhielten die Gelegenheit das Theaterstück zu besuchen. Das gespielte Stück greift die verschiedenen Blickwinkel, inklusive persönliche Erlebnisse auf, liefert knallharte und ehrliche Fakten und zeigt, was dahinterstecken kann.
Auch ich möchte ein persönliches Erlebnis nicht vorenthalten.
Es geschah, als ich noch hinter einer Theke bei der Essensausgabe arbeitete. Wir Mitarbeitenden mussten viel heisses Essen herumtragen. Aus dem Grund, dass ich mir das zutraute, hatte ich mich um diesen Job beworben. Häufig aber wurden mir die Essensboxen mit der Bemerkung: „Du musst doch nicht so schwer tragen Schätzeli“ aus der Hand genommen. Manchmal wurde mir auch ein Arm um die Schultern gelegt. Jemand nannte mich dauernd Schätzeli. In solchen Momenten war mir klar, dass ich vor Kundinnen und Kunden an der Theke mit Respekt behandelt und mit meinem Vornamen angesprochen werden möchte.
Ich empfand das Erlebnis nicht als belästigend, eher als erniedrigend.
Auch die Situationen, die im Theater gespielt wurden, zeigen deutlich auf, dass es nicht immer um Sex geht, sondern um Macht. Am Ende des Theaters beschloss ich, differenzierter über Erlebtes nachzudenken und klassische Vorurteile nicht primär sexueller Belästigung zuzuordnen.
Zur Zeit nehmen rund 150 Jugendliche zwischen 5-25 Jahren an verschiedenen Workshops und jährlich 10 Produktionen der Jungen Bühne Bern teil.
Annemarie Voss (73)
Für mich ist es immer ein besonderes Erlebnis, wenn ich eine Aufführung der Jungen Bühne Bern besuche. Ich bevorzuge Aufführungen der über 16-Jährigen. Mir wird gezeigt, was Junge fühlen und denken, entstehen doch die Produktionen aus Improvisationen zu Themen, die gerade diese Altersklassen beschäftigen. Eva Kirchberg und Jenni Arne hatten die Leitung bei «Grauzonen» inne. Nach der Vorstellung durfte ich ihnen ein paar Fragen stellen.
Die Szenen waren so echt und authentisch gespielt, dass man davon ausgehen konnte, dass viel selbst Erlebtes dargestellt wurde. Spannend fand ich die Szenen, die einen möglichen Übergriff darstellten, gespielt von weiblichen und männlichen Jugendlichen, die anschliessend erneut, aber mit vertauschten Rollen, gespielt wurden.
Ist es bedrohlicher, wenn ein Freund einer betrunkenen Bekannten das Dekolletée säubern will, als wenn es eine Freundin tut? Ist es harmloser, wenn eine Frau einem Mann den knackigen Hintern tätschelt, als umgekehrt? Was die Jungen vom Theaterspielen im Allgemeinen und von Übergriffen im Besonderen halten, haben einige der DarstellerInnen beantwortet.
Ich erinnere mich an einen Vorfall vor etlichen Jahren, als ich auf dem Weg ins Tessin in Olten umsteigen musste. Wir hatten nur kurz Zeit und das Gedränge war enorm. Alle hatten Gepäck und auch ich trug neben einer Handtasche Reisegepäck für ein paar Übernachtungen mit. In dem Gedränge und Geschubse auf den Einstiegsstufen spürte ich plötzlich eine Hand auf meinem Hintern. Umdrehen wäre zwar möglich gewesen, aber ich wollte keine Reisenden aufhalten und mich womöglich blamieren (so dachte ich tatsächlich), sondern so schnell als möglich einsteigen. Ich fühlte mich auch nicht bedroht, war ich ja inmitten vieler Frauen und Männer. Dass genau das eine Taktik ist, war mir nicht mal klar. Allerdings stellte sich im Nachhinein heraus, dass das Interesse gar nicht meinem Hintern gegolten hatte, sondern nur das Ablenkungsmanöver war, um mir mein Portemonnaie zu klauen.
Grauzonen wurde auch im Rahmen des Nationalen Festivals der Theaterjugendclubs Spiilplätz Bern aufgeführt, welches vom 27.-30. Juni durchgeführt wurde.
Spiel: Aline Brossard, Ana Oppliger, Anna Poschung, Elias Wenger, Fiona Perren, Gian Feller, Julian Schifferle, Lou Schenk, Luc Bamert, Merlin Schnydrig, Sabrina Rudin, Sonja Grimm, Taissia Mühlethaler, Valentin Ehinger
Leitung: Eva Kirchberg, Jenni Arne
Kostüme: das Ensemble
Mehr zu Junge Bühne Bern: www.junge-buehne-bern.ch