Nicht mehr nützlich sein
Fritz hängt seinen Job an den Nagel, verlässt das Büro und geht ins «Boccalino», wo er einen weissen Merlot trinkt und entscheidet, dass er in der nächsten Zeit versuchen will, nicht nützlich zu sein. In seinen vierzig Jahren Berufsarbeit war er immer für andere da – jetzt will er einmal nur für sich da sein. Da sein und beobachten, da sein und geniessen, da sein und über das Leben nachdenken.
Er schlendert durch Freiburg. Auf einem Stadtplatz findet er grüne und rote Bänke vor. Weil es kühl ist, sitzt er auf einen roten. Dieser sieht etwas wärmer aus.
Sind nur die grünen und roten Parteien so menschenfreundlich, Bänke aufstellen zu lassen? Die SVP könnte doch braune ordern und die FDP schwarze mit eingelassenen Goldvreneli.
Fritz fädelt seine Beine zwischen Sitzfläche und Rückenbrett ein und stützt die Ellenbogen auf die Rückenlehne auf. So muss er seinen Rucksack nicht ausziehen. Die Frau, die bereits auf der Bank sitzt, schaut ihn verwundert an. Er realisiert dies und will sagen, sie könne es ungeniert auch auf diese Art versuchen, er würde für diese Innovation kein Geld verlangen. Er lächelt aber nur, weil er ja sonst schon wieder nützlich wäre.
Normen gegen Spiele
Eine Mutter mit zwei Kindern und einem Hund kommt des Weges. Der Hund schnüffelt an der Bank und pisst Fritz beinahe auf die Schuhe. Das Mädchen zeigt auf ihn und der Knabe versucht, auf die Bank zu klettern und auch so zu sitzen wie Fritz. Fritz hilft ihm und als der Knabe sitzt, winkt er stolz seiner Mutter. Diese verbeisst ein Lächeln und ruft: «Zampanoia». Anscheinend ist das der Hund, denn der Knabe kickt Zampanoia in den Hinterteil, bleibt sitzen und fragt Fritz, wie er heisse. Fritz sagt ihm seinen Namen, erfährt, dass der Bub Sandro heisst und fragt dann: «Fährst Du auch gerne rückwärts, Sandro?» Der Knabe sieht ihn verwundert an und fragt, ob man denn rückwärts nicht in andere hineinfahre. Sicher nicht, meint Fritz, die Frau neben ihm würde ja sehen, wo sie hinfahren würden und könnte dann sicher bremsen. Da steht die Spielverderberin auf und geht davon. Fritz zuckt mit den Schultern und Sandro meint, dann bremse er halt selbst.
Fritz macht «brumm-brumm». Sandro widerspricht: «Nicht ‚brumm-brumm», wir sind eine Eisenbahn! Okay, dann pfeife zwei Mal, gemahnt Fritz. Sandro hat das von seinem Vater noch nicht gelernt und so pfeift Fritz. Sandro staunt befriedigt und will es auch versuchen. Aber seine Mutter dachte wohl, Fritz pfeife ihr und so kommt sie und holt ihren Sprössling ab. Sandro sagt, er wolle doch Eisenbahn spielen, aber die Mutter hat anderes vor. Fritz verabschiedet sich und isst eine Banane. So wenig braucht es also, um bürgerliche Normen in Frage zu stellen: andersherum auf eine Bank sitzen als üblich.
Häuser mit Zukunft
Fritz fragt sich, warum wohl die Häuser rund um diesen Platz grau sind und nicht farbig. Besonders bei trübem Wetter wäre den Bewohnern und Passanten doch wohler, wenn die Häuser in warmen Farben leuchten würden. Allerdings nicht knallrot oder „gibeligelb“, dafür sind die Flächen zu gross. Ein Künstler müsste für alle Häuser um diesen Platz herum ein Gesamtbild entwerfen. So wäre dann der Übergang von einer Farbe zur andern nicht an der Besitzgrenze, sondern würde in grossen Bögen über die Fronten laufen. Das wäre auch ein Symbol für die Zusammengehörigkeit der BewohnerInnen und würde sicher bereits bei der Planung zu vielen Gesprächen anregen und Einsame aus der Reserve locken. Vielleicht sind ja die nächsten Generationen offener für solche Ideen?
Vor zweihundert Jahren holperten Kutschen über das Kopfsteinpflaster, Handkarren wurden gezogen und es gab auch bepackte Esel zu sehen. Die reichen Frauen zeigten sich in edlen Röcken, die Handwerker in ihren spezifischen Trachten und die Armen in zerlumpten, braunen Kleidern. Gewohnt haben sie in grossen Herrschaftshäusern, in Häusern mit Werkstatt oder Laden im Parterre, oder in schäbigen und kleinen Löchern.
Fritz überlegt: «Wie wird es hier wohl in hundert Jahren aussehen? Hundert Jahre sind nicht viel und trotzdem ist es schwer vorstellbar, was dann sein wird. Gibt es diese Häuser noch oder nur noch neue aus Glas und Kunststoff? Vielleicht wird es sogar Häuser geben, die selbst wachsen, weil sie aus organischen Materialien bestehen. Wird sich das Leben fast nur noch in isolierten Häusern abspielen, weil die Sonnenstrahlen zu heiss und zu gefährlich sind? Oder werden nur noch Ruinen stehen, weil Freiburg verlassen wurde? Wie werden sich die Bewohner fortbewegen? Wie werden sie kommunizieren? Fragen über Fragen. Und warum stelle ich mir diese Fragen? Weil ich jetzt einen neuen Blick entwickle, als einer, der Zeit hat? Gut so. Könnten mich Kinder und Jugendliche verstehen, wenn ich mit ihnen über die Zukunft phantasieren würde? Vermutlich hätten sie viele, lustige Ideen.»