
Die Ausstellung im Museum für Kommunikation heisst «Sounds of Silence»: Sie spielt damit, wie wir Stille erfassen können. Alles läuft über Kopfhörer, doch es gibt ganz unterschiedliche Bereiche. Angefangen im Vorraum mit seiner Schneelandschaft: Impressionen. Wie tönt’s im Hotelzimmer in einem New Yorker Hochhaus? Anderswo werden Fragen aufgeworfen, oder wir begegnen reinen Klängen, Geräuschen.
Und es gibt Geschichten. Diejenige einer Frau, welche 40 Tage allein auf der meerumtosten Insel Skye verbracht hat. Oder diejenige des ursprünglich jungen Mannes, der 27 Jahre im Wald gelebt hat, im US-Staat Maine: Ein einziges Mal habe er einen Menschen gegrüsst. Aufgegriffen und angeklagt worden sei er schliesslich wegen Diebstählen und heimgeschickt zu seiner Mutter, die nie nach ihm gesucht hatte.
«Wollen wir uns zur Sicherheit nicht lieber im Lärm aufhalten?»
Vor Jahren gab’s bei Bern, ob Bolligen, eine Zeitlang eine «Waldfrau», auch eine Aussteigerin – aber nicht 27 Jahre! Das geht weit über die Stille hinaus. Natürlich erleben wir Seltsames, oft Beängstigendes, wenn wir einmal in einem Wald übernachten. Hören ungeahnte Dinge, malen uns alles Mögliche aus, fürchten uns, schlafen nicht. Dies besser zu bewältigen würden wir mit der Zeit lernen. Ähnlich würden wir wohl eine Reihe angeblich positiver Eigenschaften erwerben: Wir würden gelassener, weniger gehetzt, nachdenklicher, achtsamer, würden unsere Sinne verfeinern, uns der Aussenwelt stärker zuwenden und zugleich unserem Innenleben – lauter Dinge, von denen der moderne Mensch lauthals sagt, er müsste sie unbedingt haben oder wieder erreichen.
So positiv – wollen wir’s wirklich? Worauf haben wir Lust, wovor hätten wir am meisten Angst? Die Geschichte des Waldmannes in Maine liefert Gegenargumente: Nach den 27 Jahren habe er kaum mehr gesprochen und grosse Mühe bekundet im Kontakt mit Leuten. Er sei in der Zivilisation ratlos gewesen, in ein Leben zurückgestossen worden, das er schon früher nicht gemeistert hatte. Es scheint, es müsse sich erst danach eine unheimliche Stille um ihn geschlossen haben. Wollen wir uns zur Sicherheit nicht lieber im Lärm aufhalten? Der Einsamkeit entrinnen dank Geräuschen? Mal still darüber meditieren – gut, das ja.

Stille Bilder
Annina Reusser (24)
Bilder sind still. In optisch eingefrorenen Momenten gibt es keinen Klang. Man kann Bilder nicht hören, sondern sehen. Stille hingegen kann man nicht sehen, höchstens hören. Haben Sie schon mal versucht, die Abwesenheit von Geräuschen auf etwas zu bannen, das per se kein Geräusch wiedergibt? Ein Ding der Unmöglichkeit und meine selbstgewählte Aufgabe beim Besuch der aktuellen Ausstellung «Sounds of Silence» im Museum für Kommunikation.



Wie kann ein Bild trotzdem Stille ausdrücken? frage ich mich. Ich höre ganz achtsam hin und versuche, optisch das akustische Nichts zu finden. In einer Ausstellung, die so grafisch gestaltet ist wie «Sounds of Silence», kann das eigentlich nicht so schwierig sein. Schwarze Fläche, Kugeln, bunte Hocker, Vorhänge. Nicht nur von grafischen Elementen wimmelt die Ausstellung, sondern auch von Geräuschen. Es ist ja gar nie wirklich still, geht mir durch den Kopf.


Schau in den Brunnen
Karin Mulder (79)
Die Stille ist selten geworden in unserem Alltag. Hier werden in einer gelungenen Sonderausstellung ganz verschiedene Aspekte aufgezeigt. Eingestimmt durch leise fallenden Schnee durchschreite ich den grossen Raum, empfange über Kopfhörer Texte zu philosophischen Gedanken, lasse mich immer wieder fesseln, an einer der Stationen zu verweilen. Eine davon ist der Brunnen, eine Bank steht vor einer Wand, plätscherndes Wasser ist zu hören und eine Stimme spricht: Ein Einsiedler schöpft in Ruhe Wasser. Ein Wanderer kommt dazu und fragt: «Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille und Meditation?» «Schau in den Brunnen», ist die Antwort, «was siehst du?» «Nichts», antwortet der Wanderer. Nach einer Weile wird er nochmals aufgefordert in den Brunnen zu schauen: «Was siehst du jetzt?» «Ich sehe mich selbst.» «Das ist die Erfahrung aus der Stille und der Meditation: Nach einer Zeit sieht man sich selbst! Wenn du noch länger wartest, wirst du auch die Steine am Grund des Brunnens sehen können. Man sieht den Grund der Dinge.»
Mir gefällt diese einfache Erklärung.



«Sounds of Silence» im Museum für Kommunikation (im Kirchenfeld, Bern) bis 7. Juli 2019
Sehr schöner Beitrag, danke.