
Werner Kaiser (83): Daniel, kürzlich hast du dich kritisch zu Social Media geäussert. Das hat mich überrascht. Du bist jung und bietest im «und» sogar Technikhilfe an. Wie stehst du zu den Social Media?
Daniel Roth (19): Ich selbst war vor einigen Monaten sehr aktiv in den sozialen Medien. Doch dann habe ich gemerkt, wie viel Zeit ich damit jeden Tag verschwende, und beschlossen, etwas zu ändern. Das Geschäftsmodell der Unternehmen, welche hinter Instagram & Co. stehen, fusst einzig und allein darauf, unsere Aufmerksamkeit an den höchstbietenden Werber zu verkaufen. Da wollte ich nicht mehr mitmachen und habe alle meine Accounts und Apps gelöscht. Seither verbringe ich viel weniger Zeit am Handy, und mein Akku reicht oft für zwei oder sogar drei Tage.
Werner: Das finde ich einen gemässigten, aber konsequenten Weg, mit diesen Medien umzugehen. Ich las von einer Schulklasse, die abmachte, eine Woche lang aufs Handy zu verzichten. Es war für sie offenbar sehr hart. Wohin mit all der freiwerdenden Zeit? Das ist aber wohl kaum dein Problem. Ich selbst suche einen pragmatischen Weg: Ich nutze die Medien da, wo sie mir dienen. So finde ich zum Beispiel Facebook eine fragwürdige Firma, aber ich nutze oder soll ich sagen missbrauche es, um politische Botschaften, die mir wichtig sind, zu verbreiten. Das geht so leicht: ein Klick, und eine grosse Zahl von Leuten können es lesen und, wenn sie wollen, weiterverbreiten.
Daniel: Dass es schwerfällt, vom einen auf den anderen Moment auf Dinge zu verzichten, an die man sich gewöhnt hat, kann ich mir gut vorstellen. Die ersten Tage, nachdem ich alle Social Media Apps gelöscht hatte, passierte es mir oft, dass ich geistesabwesend mein Handy entsperrte und die nun leeren Plätze anklickte. Das war schon ein erschreckender Moment; zu merken, wie sehr sich dieser Verhaltensmuster bereits eingeprägt hat.
Dass plötzlich mehr Zeit vorhanden war, habe ich deutlich gemerkt und ich denke, dass es wichtig ist, diese bewusst für Sinnbringendes einzusetzen. Deine Art, mit Social Media umzugehen, ist aus meiner Sicht sehr nah an meiner Optimalvorstellung der Nutzung. Es gibt auch Versuche, alternative Social-Media-Konzepte zu etablieren, mit weniger Algorithmen und mehr eigener Kontrolle über die Inhalte. Für mich ist es wichtig, aktiv zu entscheiden, wie ich meine Zeit verbringe, statt mir nur das anzusehen, was ich vorgesetzt bekomme. Aus diesem Grund habe ich auch aufgehört fernzusehen. Ich schaue mir stattdessen lieber Videos auf YouTube an, mit der selbst erfundenen Regel, nur Videos zu schauen, welche mir tatsächlich einen Mehrwert bringen. Dass dies nicht immer gelingt, ist klar, aber insgesamt bin ich mit dieser Strategie gut gefahren.

Bild: Martin Rüedi
Werner: Das finde ich eindrücklich. Du informierst dich aktiv, statt aufzunehmen, was dir geboten wird. In diesem Zusammenhang habe ich mit Facebook eine interessante Erfahrung gemacht. Nach ein paar Monaten bekam ich nur noch Texte und Videos zu sehen, die meiner politischen Einstellung entsprachen. Später erfuhr ich, dass dahinter eine Strategie steckt, mit Namen «Filterblase»: Facebook rechnet mit speziellen Algorithmen aus, was mir gefällt, und liefert mir, was ich wünsche. Damit wollen sie mich vermehrt an ihrem Angebot interessieren. Das passte mir allerdings nicht. Ich will auch wissen, wie Andersdenkende ticken. Wenn alle nur noch mit ihrer eigenen Meinung konfrontiert sind, besteht doch Gefahr ist, dass Gleichgesinnte zunehmend unter sich sind und sich von andern isolieren. Für mich habe ich es so gelöst, dass ich auch Parteien und Gruppen abonniert habe, die mir fernstehen.
Daniel: Ja, das mit diesen Filterblasen ist tatsächlich ein Problem. Wenn sich Menschen nur noch über Social Media über Politik und Weltgeschehen informieren, kann es zu einer Radikalisierung des Weltbildes kommen – auf beiden Seiten des politischen Spektrums. Das sieht man auch aktuell gerade mit Impfgegnern und Covid-Leugnern auf Facebook. Wie man damit umgehen soll, finde ich eine sehr schwierige Frage. Grosszügig Inhalte zu löschen, wie dies beispielsweise auf Twitter und Facebook in den USA geschieht, finde ich bedenklich, auf der anderen Seite sollte man Menschen, welche Falschinformationen verbreiten ja auch keine Bühne bieten. Ich bin gespannt, wie sich dieses Dilemma in den nächsten Jahren entwickeln wird und wie wir diese Gratwanderung beschreiten wollen.

Soziale Medien haben auch positive Seiten. – Bild: Martin Rüedi
Werner: Zusätzlich gibt es ja noch die gesundheitlichen und sozialen Probleme, die nicht zu unterschätzen sind. Vor allem bei Jugendlichen scheint das ein echtes Problem zu sein. Doch jetzt möchte ich über die ganzen Medien auch noch etwas Gutes sagen. Das ganze elektronische Netzwerk, das die Welt umspannt, ist ja auch ein unwahrscheinliches Wunderwerk. Ich tippe ein paar Mal auf ein Gerät, und schon bin ich mit meinem Bruder in Italien verbunden. Ich tippe ein paar Buchstaben ein, und schon öffnet sich mir das ganze Wissen der Welt. Statt den Vereinsmitgliedern 50 Briefe zu schreiben, erreiche ich alle mit einem Klick.
Daniel: Das ist sicher so. Ich sehe die Digitalisierung insgesamt als eine grosse Chance an. Viele Dinge können viel einfacher und schneller auf digitalem Weg erfolgen. Bei der Steuererklärung zum Beispiel ist es sehr angenehm, nicht jedes Jahr alle Angaben neu zu machen, sondern auf dem bereits Bestehenden aufzubauen. Die heutigen technischen Hilfsmittel möchte ich nicht missen. Letztlich hängt alles von unserem Umgang mit der Technik und den Medien als Gesellschaft ab. Durch bewussten Gebrauch lässt sich viel erreichen und Vorteile für uns alle schaffen.

Interessanter Beitrag, in dem ihr viele Verschiedene Aspekte Erwähnt habt. Danke!