Im Dezember 2019 vermeldete UND Generationentandem: «Ab sofort steht im Bahnhof Thun ein besonderes Bänkli. Nimm Platz und erzähl, was dich bewegt!» Freiwillig engagierte ZuhörerInnen sassen in der Thuner Bahnhofhalle und hörten zu, was einsame Menschen erzählten, was Passanten vor ihrer Reise mit Bus oder Zug noch loswerden wollten. Es entstanden Gelegenheiten miteinander zu lachen, nachzudenken oder einen besonderen Moment zu teilen.
Aus dem einen Bänkli wurden bald einmal mehrere: Ein zweites Zuhörbänkli kam in Thun an der Aare zu stehen, weitere Bänkli zog es nach Bern und Interlaken.
Begegnungsort in Gelb
Wer an den gelben Bänkli vorbei kam, wusste: Hier sind Menschen, die gerne Zeit schenken, die gesprächsbereite Menschen ausreden lassen und wissen, dass Dampf ablassen oft schon die halbe Lösung sein kann: Da war etwa die Dame, die an einem Eis schleckte und dabei der Zuhörerin ihre Weltsicht erklärte, aufstand und wegging. Oder der Mann im Übergwändli, der stets wusste, wann das Bänkli besetzt war und genau dann vorbeikam. Da war der Vater, der seine fünfjährige Quasselstrippe der Zuhörerin empfahl: «Könntest du mal kurz mithören?» Der Mann mit Hund, der seine Freude am Tier teilen wollte. Oder Menschen, die sich verpassten und Trost beim Zuhörbänkli suchten und fanden. Zeitoasen im hektischen Alltag, kostbar für alle.
Zuhörbänkli mit Seele
Seele des Projekts «Zuhörbänkli» bei UND Generationentandem war Ursina Rageth. Erst sass die passionierte und professionelle Zuhörerin selbst auf dem Bänkli. Als die Koordination von Bänkli-Standorten und ZuhörerInnen immer mehr Zeit in Anspruch nahm, sah sie ihre Berufung in der kontinuierlichen Motivation der Freiwilligen. Während zweier Jahre schickte sie jeweils freitags den Einsatzplan in die Runde – stets verbunden mit persönlichen Gedanken, oft mit philosophischen Texten, die zum Moment passten, hin und wieder mit einem Gedicht. Es war ihre Art, all den freiwillig Engagierten ihre Wertschätzung für die geleistete Arbeit zu zeigen. Und für manch einE ZuhörerIn war die Mail ein Wochenlichtblick und damit auch eine Begegnung der besonderen Art.
Eigentlich eine tolle Idee
Gemeinsam mit dem Erfinder, Franz Klopfenstein, engagierte sich UND Generationentandem für das Zuhörbänkli. Die vielen freiwillig engagierten Vereinsmitglieder verpassten dem Bänkli einen leuchtend gelben Anstrich, nahmen an Besprechungen zur Weiterentwicklung des Projektes teil, warben unermüdlich und publizierten den Wochenplan auf der Vereinswebsite.
ZuhörerInnen und BänklinutzerInnen starteten begeistert: Ein neues Projekt, eine neue Chance! Während der Pandemie vermissten alle die ungezwungenen Gespräche. Doch dann, als alles wieder möglich war, waren die Plätze auf dem Zuhörbänkli weniger begehrt. Die Idee aber, Zeit und Gehör zu schenken, beflügelte unvermindert. Die Projektgruppe von UND Generationentandem stellte ein Begleitprogramm auf die Beine und lud zu Diskussionsrunden ins Offene Höchhaus in Steffisburg. Dann folgte der nächste Schlag:
Bahnhofhalle Thun ohne Zuhörbänkli
Die SBB AG, Immobilien Bewirtschaftung Mieter- und Partnermanagement, will sich im Rahmen ihres Programms «Bahnhöfe aufräumen und Instand setzen» vom Zuhörbänkli trennen.
UND Generationentandem räumt also am 15. Dezember 2023 im Bahnhof Thun auf und bettet das Zuhörbänkli zum Winterschlaf. Einen neuen Standort gibt es vorläufig nicht. Aber wer weiss: Neues Jahr, neuer Frühling, neuer Standort?
Begegnungsort Offenes Höchhus
Bänke, offene Ohren und Menschen, die Zeit haben und sich Zeit nehmen – all dies gibt es im Offenen Höchhus in Steffisburg. UND Generationentandem betreibt da einen Begegnungsort mit einem Begegnungscafé ohne Konsumationszwang, wo GastgeberInnen die BesucherInnen willkommen heissen, gerne zuhören und auch bewirten. Denn gemeinsam unterwegs sein und bleiben, darauf kommt es an – erst recht heutzutage.
Was sind wir froh um diese Aufräumaktion der SBB! Endlich sind die kommerziellen Angebote in Bahnhöfen wieder unter sich!