Wir treffen uns in Basel, in der Alten Markthalle. Unter der riesigen, 27 Meter hohen Kuppel ist ein Ort der Begegnung entstanden. Zwei fröhliche Augen blitzen mir entgegen. Bastiaan Frich (30) könnte stundenlang über das Netzwerk «Urban Agriculture Basel» sprechen. Dieses umfasst ungefähr 58 Projekte; die Alte Markthalle ist eines der grössten. Bastiaan ist davon überzeugt, dass wir durch das, was wir essen, die ganze Welt beeinflussen. Die Markthalle ist ein Ort der Esskultur. Rund 1500 Mittagessen werden täglich konsumiert. Wer will, bezahlt mit der alternativen Währung «NetzBons». Mehr als 130 lokale, soziale und ökologische Betriebe sind angeschlossen. Ein «NetzBon» entspricht einem Franken. Spekulieren ist ausgeschlossen. Viele Netzwerkprojekte sind Gärten. Darunter finden sich neben Wiesen für Honig- und Wildbienen zwölf Gemeinschaftsgärten, wo Pensionierte mit Kindern zusammenarbeiten.
Die Idee «Weltacker»
Das Herzensprojekt von Bastiaan ist der Weltacker. Die weltweite Ackerfläche von 1,4 Milliarden Hektaren geteilt durch die Zahl der Erdenbürger ergibt pro Nase 2000 Quadratmeter. Im Dorf Nuglar, im Kanton Solothurn, wurde ein Feld so angepflanzt, dass es dem weltweiten Verbrauch pro Person entspricht.
Am meisten Platz nimmt der Weizen ein, dann folgen Mais, Reis, sonstige Getreide und Ölsaaten. Gemüse hat auf einem kleinen Stück Platz gefunden. Natürlich muss auch die Baumwolle hier wachsen. Mehr als die Hälfte der Ernte wird als Tierfutter und für Biodiesel verwendet. Auf einem Stück Land dieser Grösse könnten in Spanien 15 Tonnen Tomaten geerntet werden, bei uns 8,5 Tonnen Kartoffeln oder Karotten. Vom Ertrag dieses Ackers könnten wir zwei Schweine mästen. Jeder Mensch in der Schweiz verbraucht 2800 Quadratmeter. Allerdings reicht unsere Ackerfläche gerade für 800 Quadratmeter pro Nase. Mit dem Weltacker werden die globalen Herausforderungen der Lebensmittelproduktion anschaulich und erlebbar.
Bastiaan vergleicht die integrale Organisationsstruktur mit einem gesunden Ökosystem. Auf dem fruchtbaren Boden guter Beziehungen gedeihen Pflanzen, die über Wurzeln und Pilzgeflechte miteinander verbunden sind. Die einzelnen Projekte sind, wie Pflanzen, selbstständige Ökosysteme vom Samen übers Keimen, Sich-Entfalten zum Früchte-Tragen. Die Projekte sind dezentral und selbstverwaltet und profitieren vom Beziehungsnetzwerk.
Flache Hierarchien
Bastiaan sagt dazu: «Frieden im Aussen gibt es nur, wenn ich Frieden im Innern habe.» Das Netzwerk bietet ProjektleiterInnen und dem Vorstand Weiterbildungsmöglichkeiten an. Sieben Leute haben sich zu Teachers weiterbilden lassen. «Wir bieten Ausbildung im Gartenwesen an, aber mindestens 50 Prozent investieren wir auch in Bewusstsein, inneren Wandel, Kommunikation, Beziehungs- und Bindungsfähigkeit. Die meisten Projekte scheitern nämlich an menschlichen Herausforderungen. In der freien Betriebswirtschaft kann dank klarer Hierarchien gesündigt werden, in unseren flachen Hierarchien nicht.» ☐
urbanagriculture.ch
Für eine friedlichere Welt
Bastiaan Frich ist Vizepräsident und einer der 40 GründerInnen des Netzwerks «Urban Agriculture Basel». Dem Verein gehören rund 300 aktive und 1700 passive Mitglieder an. An den Arbeiten in den Gärten sind viele Menschen beteiligt. Alle dürfen mitmachen. Der Fokus liegt aber darauf, Themen zum Lebensstil und Konsumverhalten ins Bewusstsein der Leute zu bringen, sie zum Tun zu motivieren und sich zu engagieren. Das Gesamtprojekt orientiert sich letztlich an einer friedlicheren Welt.
Das Umfeld ist eine Herausforderung. Basel ist laut Bastiaan die Region mit der weltweit grössten Kaufkraft, eine Hochburg transnationaler Grosskonzerne. Deshalb ist die Vernetzung verschiedener Organisationen wichtig, um doch einiges verändern zu können. Der Name «Urban Agriculture» ist der verwendete Fachbegriff und geht über Projekte wie Gemeinschaftsgärten hinaus. Es geht um Lebensmittelsouveränität, also im ganzheitlichen Sinne lokaler Kreisläufe um Anbau, Verteilung, Veredelung, Genuss, Recycling.
In Basel wird zudem grosser Wert auf Kommunikation, neue Beziehungskultur und Gemeinschaft gelegt. Mittlerweile wird das Netzwerk von einem interdisziplinären Team aus 21 Fachleuten aus Naturwissenschaft, Biologie, Geisteswissenschaft, Soziologie und dem Bereich Jugendbotschaften geleitet. eke
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Geld regiert die Welt? Vielleicht – ganz sicher aber die Beiträge zu diesem Schwerpunkt. Die Redaktion hat sich im Frühling 2018 vertieft: In unser Geldsystem und ganz neue Ideen.