Wie Kinder früher und heute mit ihrem Taschengeld umgehen

Sparen oder verprassen? Wie Kinder früher und heute mit ihrem Taschengeld umgehen erzählen zwei UND-Autoren aus zwei Generationen.

Kein Geld in den Taschen? Hansruedi Käppeli verdiente sich seinen Batzen selber. – Bilder: Walter Winkler

Am Ende eine Kamera

Taschengeld? Nein, Taschengeld bekamen wir als Kinder nie; und trotzdem hatten wir welches: Meine vier Schwestern und ich mussten es uns selber verdienen.

Hansruedi Käppeli (66)

Ich erinnere mich noch gut: Als ich in der dritten Klasse war, schenkten mir meine Eltern zum Geburtstag ein Fahrrad. Es war ein Occasionskauf, ein Damenvelo, schwarz mit geradem Lenker. Und dieses Fahrrad ermöglichte es mir, mein erstes Taschengeld zu verdienen.

Hansruedi Käppeli. – Bild: Mariëlle Schlunegger

10 Rappen pro Zeitschrift

Herr Biederpost, ein Nachbar, war ins Pensionsalter gekommen. Seit Jahren hatte er in Thun die beiden Zeitschriften «Die Woche» und «Der Sonntag» vertragen. Nun suchte er einen Nachfolger, und dieser Nachfolger war ich, ein neunjähriger Junge. An einem Dienstagabend radelten wir zusammen zum Bahnhof, meldeten uns am Schalter «Spedition» und fragten, ob die beiden Pakete «Die Woche» und «Der Sonntag» schon angekommen seien.

Bild: Walter Winkler

Wir packten sie auf unsere Gepäckträger und fuhren nach Hause. Anderntags begleitete ich Herrn Biederpost auf seiner Heftli-Tour. Wir bedienten alle AbonnentInnen. Etwa zwei Stunden waren wir unterwegs. Wenn ich mich richtig erinnere, kostete eine Zeitschrift 70 Rappen. Nach vier Touren war ich eingearbeitet und übernahm für zwei Jahre das Austragen der beiden Heftli. Ich belieferte einmal wöchentlich rund dreissig Familien in unserer Stadt und verdiente pro Zeitschrift 10 Rappen. Ab und zu gab es beim Einkassieren der Abonnementsgebühren ein kleines Trinkgeld, so dass ich als Dreikäsehoch auf einen Monatslohn von 15 Franken kam.

Für 50 Rappen «gänggele»

Das meiste Geld landete in meinem Sparkässeli; ab und zu aber konnte ich es mir nicht verkneifen, etwas zu «gänggele», einen Fünfermocken vom Kiosk, oder, bei gutem Kassenstand, «Güeziräschte» von Könitzers. Für 50 Rappen kriegte man hinten in der Backstube eine Papiertüte voll Zehnerstückli oder Crèmeschnitten, die zwar zerbrochen oder leicht zerquetscht, sonst aber einwandfrei waren. Ein Zehnerstückli war übrigens ein Stück Patisserie, das zehn Rappen kostete.
Von der fünften bis zur neunten Klasse verdiente ich mein Taschengeld mit Putzen. Wir wohnten in einem Wohnblock für sechs Familien. Meine Eltern amteten als Hauswarte. Sie übertrugen mir das Reinigen des Keller- und Aussenbereichs und zahlten mir dafür 20 Franken im Monat. Meine Schwester Elsbeth reinigte das Treppenhaus samt Fenstern. Sie bekam für ihre Arbeit den gleichen Lohn wie ich.
Den Kässeli-Inhalt von uns fünf Kindern brachten meine Eltern jeweils nach Weihnachten auf die Bank. Bei einem Zinssatz von drei bis vier Prozent lohnte sich das, selbst für ein kleines Kindervermögen.
Meines war bis Ende Schulzeit auf gut 1000 Franken angewachsen. Was ich damit kaufte? Eine Spiegelreflex-Kamera. ☐


Sechs Franken: Soviel Sackgeld bekommt Vincent Engler jede Woche. – Bild: Walter Winkler

Der Kreislauf meines Taschengelds

Taschengeld, das bekomme ich zu Weihnachten, zum Geburtstag und jede Woche, das ist recht oft, das muss ich zugeben, aber ist es auch gut?

Vincent Engler (12)

Am Sonntagabend kommt es meiner Mutter plötzlich in den Sinn, dass ich noch Taschengeld kriegen sollte. Eigentlich hätte sie es mir schon am Samstag geben sollen. Aber wir haben es beide wieder einmal vergessen. Ich lege die sechs Franken vorerst auf den Tisch, weil ich zu faul bin, gleich in mein Zimmer zu gehen, um das Geld dort in meine Kasse zu legen.

Vincent Engler. – Bild: Mariëlle Schlunegger

Ich erhalte mein Taschengeld, ohne dass meine Eltern mir Bedingungen stellen, und sie drohen auch nicht mit dem Entzug. Ich habe auch noch eine Kasse, in die das Geld kommt, das jeden Februar auf die Bank gebracht wird. Diese Kasse füllt meine Mutter hin und wieder mit Kleingeld. Ich gebe ab und zu auch meinen Anteil dazu, den Rest hebe ich einfach auf. Meist habe ich gegen Ende Jahr ein hübsches Sümmchen zusammen, welches mein Konto gut aufbessert. Über das Konto verfüge ich nicht selber, was ich auch gut finde.

Oh Schreck

Wenn ich in die Bibliothek gehe oder wenn ich am Wochenende bei meinem Vater in Bern bin, komme ich an Spielwarenabteilungen von Kaufhäusern vorbei. Dann schaue ich, was es dort für Bücher, Malutensilien, Süssigkeiten, Legos und Sonstiges gibt, aber meistens finde ich nichts, was mich interessiert.

Bild: Walter Winkler

Da, plötzlich zieht mich etwas Kaufbares in seinen Bann und ich weiss, das muss ich haben. Zum Glück verfüge ich frei über mein Geld, also wird es jetzt spannend.
Oh Schreck, nun erst bemerke ich, dass noch nicht genug Geld da ist, um mir meinen Wunsch zu erfüllen, also beginne ich alles Geld zu sparen. Das kann ich recht gut. Ich weiss von anderen, die das überhaupt nicht können. Noch zwölf Franken, das heisst zwei Wochen Taschengeld, weil ich in der sechsten Klasse bin. Sechs Franken, das ist viel, da kann ich mich nicht beklagen. Erst gestern bekam ich das letzte Mal Taschengeld, also muss ich fast drei Wochen warten, das geht mir zu lange. Jetzt muss ich etwas verdienen – zum Beispiel indem ich Unkraut zupfe oder Konservendosen entsorge. Normalerweise mache ich solche Sachen freiwillig, aber meine Eltern kommen mir in solchen Situationen entgegen und geben mir kleine Arbeiten. Meistens haben sie Verständnis und helfen mir auch gerne mal aus, wenn es nur noch um das letzte Geldstück geht, sie spendieren mir ein oder zwei Franken.
Endlich, jeden Tag habe ich den betreffenden Gegenstand besucht, doch heute ist der grosse Tag gekommen. Voller Genugtuung gehe ich an die Kasse und anschliessend sofort nach Hause, um meinen Erfolg auszukosten und endlich mein neues Buch zu lesen. Die nächste Woche habe ich nur Augen für mein Buch. Und mein neues Taschengeld liegt sicher in meiner Kasse und wartet geduldig darauf, ausgegeben zu werden.

Öfter an die Zukunft denken?

Nun, da ich über mein Sackgeld nachgedacht habe, fällt mir auf, dass ich extrem viel Glück habe, da ich so viel Geld bekomme. Davon könnte vielleicht jemand in einem Entwicklungsland leben. Vielleicht könnte ich das viele Geld für Besseres investieren, trotzdem bin ich froh, dass ich Taschengeld habe. Aber ich überlege, ob ich nicht öfter an mein Bankkonto für die Zukunft denken sollte. ☐


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Geld regiert die Welt? Vielleicht – ganz sicher aber die Beiträge zu diesem Schwerpunkt. Die Redaktion hat sich im Frühling 2018 vertieft: In unser Geldsystem und ganz neue Ideen.