Monika Bichsel (75)
Obwohl sich das Ohr des Hundes in seiner Struktur nicht wesentlich von dem des Menschen unterscheidet, ist es in der Funktion doch deutlich besser ausgestattet. Unsere Vierbeiner verfügen im Frequenzbereich, also den Tonhöhen, über Fähigkeiten, die weit über jene des menschlichen Ohrs hinausgehen.

Einerseits hören sie somit Töne, die wir gar nicht wahrnehmen können, andererseits empfinden sie Geräusche, die auch wir wahrnehmen, um ein Vielfaches lauter. Die Beweglichkeit der Ohrmuschel vermittelt ihnen dazu die Geräuschquellen noch präziser.
Selektiver Hörer
Der Hund kann seine Sinne selektiv einsetzen, was besonders seinen Geruchs- aber auch den Gehörsinn schärft. Die Gabe, beim Schlafen einzelne Geräusche auszuschalten, lässt ihn gleichzeitig besondere Geräusche herausfiltern, so dass er das Öffnen einer Büchse (Fressen!) oder das Grollen eines herannahenden Gewitters (Bedrohung!) übermässig stark wahrnimmt. Dies erklärt, wieso als bedrohend empfundener Lärm den Hund ängstigt und diese Angst bis zur Panik anwachsen lassen kann. Und dies unabhängig von seiner Grösse. Unsere 35 Kilogramm schwere Briard-Hündin Gioja war unter den Hunden der grösste Angsthase, den wir je kannten.

Wenn ein Gewitter nahte, lief sie hechelnd umher und fand keine Ruhe mehr. Mit tieftraurigem Blick flehte sie uns an, dem bösen Spiel doch ein Ende zu setzen. Sie zu trösten und zu streicheln wäre jedoch Gift gewesen, denn damit hätten wir sie nur in der Wahrnehmung bestärkt, dass ernsthafte Gefahr droht, und ihre Angst noch verstärkt. Schon so war sie in Panik und suchte die unmöglichsten Schlupfpflöcher oder auch Fluchtwege, was dann wiederum uns einen Schrecken einjagen konnte. Blitz und Donner, Feuerwerk und lauter Knall brachten sie an den Rand der Verzweiflung.
Erholung nach dem Stress
Alle Hilfestellungen, die uns zur Verfügung standen, haben wir ausprobiert. Das einzige, was etwas half, waren homöopathische Mittel, die ihr – früh genug verabreicht – etwas Linderung verschafften. Nach jedem Silvester und jedem 1. August mussten wir uns mit Gioja vom lärmbedingten Fest-Stress erst mal wieder erholen.

Wer solches erlebt und sich die Angst von unzähligen Haus- und Wildtieren vorstellen kann, hat Mühe zu verstehen, warum wir Menschen «aus Freude» beim Feuerwerk zum visuellen Vergnügen hinzu noch die (technisch unnötige) ohrenbetäubende Knallerei brauchen. ☐
Schwerpunkt «Lärm»

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