Ein Wunderwerk des Körpers ist das menschliche Ohr. Ein Werk, das aber bei zu vielen Dezibel Schaden nimmt. Von Hammer, Schnecke und Trompete berichtet UND-Autorin Isabel Hochuli.
Oft sind wir uns nicht bewusst, was gesund sein bedeutet, solange wir es sind. Gerade im Alter nehmen gesundheitliche Beschwerden stark zu. Sehr häufig gehören dazu Wahrnehmungseinschränkungen. Davon, wie sich solche (nicht) hören, fühlen oder sehen lassen, können Menschen mit Hör- und Sehschäden ein Liedchen singen. Aber das betrifft nicht nur alte Menschen. Mehr und mehr sind in unserer lauten Welt auch jüngere Ohren betroffen. Eine Folge der konstanten Verschmutzung durch Lärm.
Trommelfell und Paukenhöhle
Wie so vieles in unserem Körper ist das Hörorgan ein Wunderwerk der Natur. Die kleinen Werkzeuge dieses Wunders wurden mit ganz poetischen Namen «vertont», sind es doch Instrumentennamen: Ohrtrompete, Paukenhöhle, Trommelfell, Bogengänge. Das klingt wie ein Orchester. Andere Namen sind nach ihrer Form «bebildert» so wie Hammer, Amboss, Steigbügel, Labyrinth und Schnecke.
Die Hörmuschel sammelt Geräusche, welche dann in Schwingungen weitergeleitet werden: Das Trommelfell schützt und vibriert, Hammer und Amboss schmieden den Ton weiter bis er schliesslich im Innenohr ankommt. Die Flüssigkeit im Innern der Schnecke verstärkt die Schwingungen des Schalls und die feinen Flimmerhärchen an der Oberfläche der Schnecke verwandeln die gehörten Frequenzen in eine durch den Hörnerv weitergeleitete Sinneswahrnehmung. Im Innenohr ist auch der Gleichgewichtssinn beheimatet.
Wenn’s still wird…
Wenn jemand nur noch Geräusche einer Lautstärke von 25 Dezibel hört, gilt das schon als leicht schwerhörig. Ab 80 Dezibel spricht man von Ertaubung. Nicht hören und nicht verstehen geht mit einer sozialen Ausgrenzung einher. Als paradoxen Nebeneffekt der Schwerhörigkeit hört man den Tratsch oder Gespräch am nebenstehenden Tisch im Restaurant, aber kaum mehr den Gesprächspartner. Das Gehör kann verschiedene Schallquellen nicht mehr differenziert orten. «Nuschelet» einer irgendetwas vor sich hin, kann die schwerhörige Person das Gesagte ohne Lippenlesen nicht mehr hören. Nun ja, so denkt man vielleicht, ist doch gut, die laute Welt wird stiller. «Still» im Sinne von schlecht Hören bringt aber mit sich, dass die Hörnerven nicht mehr stimuliert werden. Das Gehirn ist damit beschäftigt, die Defizite auszugleichen, dadurch bleibt ihm weniger Kapazität zum Erinnern des Gesagten. Und so nimmt die kognitive Leistung ab. Dies ist der Grund, weshalb frühzeitig zu Hörgeräten gegriffen werden sollte, die von einem Akustiker individuell angepasst werden und an deren Kosten die IV alle sechs Jahre einen Beitrag von 630 Franken leistet. Unser Gehör wird geschädigt wenn es zu lange und zu lautem Lärm ausgesetzt ist. In einem Konzert kann der Lärmpegel bis zu 100 Dezibel hoch sein. Normale Sprache entspricht höchstens 60 Dezibel und in einem ruhigen Schlafzimmer hört man immer noch Geräusche von bis zu 30 Dezibel.
Als Folge der Schwerhörigkeit kann Ohrensausen oder Tinnitus auftreten. Es rauscht oder pfeift im Ohr. Manchmal so laut, dass Betroffene deswegen nicht mehr einschlafen können. Ob man den Tinnitus therapieren kann, wird zurzeit kontrovers diskutiert. Auf jeden Fall ist es aber wichtig, das Gehör mit anderen Tonhöhen als «jener» in der Tonhöhe des Tinnitus zu füttern. Hier kann eine Musiktherapie oder auch ein gut eingestelltes Hörgerät helfen. Man soll den Tinnitus zu seinem Freund und nicht zu seinem Feind machen. Doch das ist leichter gesagt als getan.