«Das ist ja ein richtiges kleines Paradies; diese Blumen, diese Matten, diese alten, prächtigen Bäume…», schwärmt der Besuch. «Und wie ruhig es bei euch ist; man hört ja nichts als die Glöcklein der Schafe, das Summen der Insekten und die Vögel. Und unter dieser gewaltigen Linde sitzt man wie in einer Kathedrale!» «Ja», antworten wir dann, «ihr habt eben Glück. Es kann auch ganz anders sein.»
Der Herbst kündigt sich bei uns dadurch an, dass der Nachbar am Hang über uns – ein Rentner wie ich – seinen Laubsauger anwirft. Seinen Umschwung hat er asphaltieren lassen, dieser muss daher zum Glück weder gegen Unkraut gespritzt noch gemäht werden. Aber das Laub! Täglich jagt er dann mindestens eine halbe Stunde lang jedem einzelnen Blatt nach, mit Vollgas, motorsägelaut. Ein Vollidiot? Nein, nein. Begegnen wir uns selten mal, er im Auto, ich zu Fuss mit Hund, grüsst er freundlich, lächelt, winkt. Ein netter Kerl eigentlich.
Anders unsere nächsten Nachbarn, eine junge Familie. Als sie einzogen, freuten wir uns: Endlich wieder etwas Kinderlärm in unserem sonst kinderlosen Winkel. Doch welche Enttäuschung: Sie sind kaum je draussen. Müssten sie nicht von der Haustür zum Auto und zurück, sähen wir einander kaum. Nur ab und zu, glücklicherweise nicht zu häufig, starten sie eine Gartenoffensive. Er mit einem Rasenmäher, der etwa so viel Lärm macht wie ein zweimotoriges Flugzeug unmittelbar vor dem Start; sie mit einer Motorsense, samt Geräuschen, die diesem Werkzeug so eigen sind. Doch zum Glück ist ihr Umschwung klein, so hat der Spuk dann auch wieder mal ein Ende. Und nette Leute sind auch sie.
Am wenigsten Lärm macht unser dritter Nachbar, der Landschaftsgärtner. Seinen Lärm verteilt er, berufsbedingt, im ganzen Dorf und auch auswärts. Zu Hause lässt er das Unkraut ungehindert spriessen; auch dieses wirkt ja grösstenteils ganz dekorativ.
Und unser eigener Lärm? Ein Hahn, der kräht, einige Auen (Mutterschafe), die eine Schelle tragen und also schellen beim Gehen und Fressen. Die Tiere selbst sind so zufrieden, dass sie kaum je blöken. Rasen haben wir keinen, nur Matten. Die kleinen in der Nähe des Hauses mähe ich mit der Sense. So kann ich selbst am frühen Sonntagmorgen für die Hühner einen Korb voll Gras mähen und niemand hört etwas. Und weder im Staudengarten noch im Gemüsegarten finde ich bei der Arbeit eine Gelegenheit, Lärm zu machen.
Also doch so etwas wie ein Paradies? Wenn ich mich nicht irre, muss im Paradies niemand mehr arbeiten. Da aber unser «Paradies» sehr viel zu tun gibt, kann es doch wohl keines sein.
Egal. Ich arbeite ja gerne draussen, und es ist gar nicht mein Ziel, tagelang am Computer zu sitzen, um schreibend darüber nachzudenken, was unser Anwesen nun wirklich ist, ob schon fast ein Paradies oder doch nur ein teures Hobby. Deshalb dürfen alle, die uns besuchen, davon halten, was sie wollen.
Und vielleicht kräht ja gleich wieder mal der Hahn.