
Für die Ärztin Erika Preisig ist Sterbebegleitung ein Menschenrecht: Jeder Mensch habe das Recht zu entscheiden, wo und wie er oder sie sterben möchte. Vor mehr als 50 Interessierten diskutierte sie am 26. April im Berner Generationenhaus mit dem Theologen Mathias Wirth, Professor für Ethik an der Universität Bern – eine respektvolle, würdige, hörenswerte Diskussion über ein ethisch komplexes Thema.
Freitag, 29. April 2022
Politpodium zum Nachschauen und Nachhören
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Aktive Sterbehilfe ist in der Schweiz verboten, Sterbebegleitung jedoch erlaubt. Die Debatte über Sterbebegleitung wird in der Schweiz seit Jahren transparent und ehrlich geführt. So haben Schweizer PatientInnen am Lebensende die freie Wahl zwischen Schulmedizin, Palliative Care und Sterbehilfe. Ist Sterbebegleitung ein Menschenrecht? Welche Herausforderungen bringt Sterbehilfe/Sterbebegleitung mit sich? Am Generationentalk vom 26. April diskutierten Erika Preisig (63), Hausärztin und Präsidentin der Sterbehilfeorganisation Life Circle, und Mathias Wirth (38), Theologe und Professor für Ethik an der Universität Bern, mit Elias Rüegsegger (27) im Berner Generationenhaus über diese und weitere Fragen.



Erika Preisig (63) setzt sich als Hausärztin und als Präsidentin der Organisation Life Circle für die breitere Akzeptanz des begleiteten Freitodes ein. Freitod – ein sonderbares Wort. Gibt es diesen freien Tod denn wirklich? Erika Preisig verneint – es gibt den freien Tod nicht. Bei einer Person, die eine Freitodbegleitung aufsucht, den Freitod wünscht, stehen ihr Leiden, ihre Krankheit, ihr Schmerz im Vordergrund. Der Schweregrad der Krankheit entscheidet massgebend für die Wahl des Freitodes.

Mathias Wirth (38), Theologe und Professor für Ethik an der Universität Bern, meint: Der Freitodbegriff könnte auch als Euphemismus, d.h. als beschönigende, mildernde Umschreibung einer Handlung verstanden werden. Es sei ja eine andere Kategorie von Handeln, freiem Handeln und habe mit einer aussergewöhnlichen Form des Freiheitsgebrauchs zu tun. Mathias Wirth will den Leuten keine Entscheidung abnehmen, denn die Ethik könne immer nur einen Beitrag leisten, Sterbehilfe besser zu verstehen, oder eine Gegenposition zu erklären.

Er betont dennoch: Jede Form der Sterbehilfe könne für die Ethik hochproblematisch werden. Der unbedingte Schutz des menschlichen Lebens könnte ins Wanken kommen. Eine indirekte aktive Sterbehilfe kann für Herrn Wirth aber emotional in gewissen Fällen richtig sein. Er schliesst Sterbehilfe nicht generell aus.

Die Schweiz ist bei der Suizidbeihilfe sehr liberal. In Deutschland mit der Erfahrung des Nationalsozialismus besteht die Angst, eine Grenze zu überschreiten.
Wichtiges zum Thema «Sterbehilfe»
Frau Preisig hat jedes Mal grossen Respekt, einen Menschen in den Tod zu begleiten. Es macht ihr Mühe, wenn jemand vorsorglich sterben will. Und sie begleitet die Sterbewilligen doch, trotz gerichtlicher Verfahren.

Jeder Mensch mit schwerem somatischen wie psychischem Leiden sollte frei wählen können, wann er sein Leiden beenden will. Es darf aber kein Druck auf Hochbetagte oder Behinderte entstehen; deshalb ist es wichtig, dass die Sterbehilfe bei Ärzten und bei Sterbehilfeorganisationen bleibt. Es braucht eine intensive, kompetente und empathische Betreuung, einen Menschen in den Tod zu begleiten.

Zwei Personen – ein Thema: Das ist der Generationentalk von UND Generationentandem. Jeden Monat diskutieren Jung und Alt miteinander über brisante Themen. Der Talk dauert zwischen 30 und 45 Minuten. Danach hat das Publikum die Gelegenheit, sich an der Diskussion zu beteiligen. Der Generationentalk, moderiert von einem ModeratorInnen-Team von UND, trifft seit Mitte 2016 stets den Nerv der Zeit und setzt sich mit politischen und gesellschaftlichen Themen auseinander.
Der Talk wird vom generationendurchmischten Redaktionsteam professionell aufgezeichnet und fotografisch dokumentiert. Alle Talks sind dann hier als Podcast nachzuhören.
