Zwhatt – Generationenwohnen im Grossformat

Zwhatt – Generationenwohnen im Grossformat

Das Zwhatt-Areal in Regensdorf bei Zürich gehört zu den grössten Stadtentwicklungsprojekten der Schweiz – und wagt ein grossangelegtes Experiment. Während das architektonische und das ökologische Konzept auf lange und ausgereifte Erfahrungen zurückgreifen können, wird mit der «sozialen Nachhaltigkeit» Neuland betreten. Die grosse Frage ist: Wie kann in einer Grosssiedlung mit rund 1600 Bewohnenden ein Wir-Gefühl und ein funktionierendes Miteinander entstehen? Ein Augenschein vor Ort gibt Einblicke in aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze.

Interessierte Gruppe, geführt von Ana Alberati und Alexandra van Heerden.
Bild: Tom Ammann

Am 17. Oktober 2025 traf sich eine Gruppe von 19 Fachleuten und Interessierten im Bereich sozial nachhaltiger Siedlungsbau, darunter auch das UND Generationentandem, zu einer Besichtigung des Zwhatt-Areals (zwhatt.ch). Geführt wurde die Gruppe von Ana Alberati und Alexandra van Heerden. Ana Alberati arbeitet als Portfoliomanagerin und Mandatsleiterin bei Pensimo Management AG, der Entwicklerin des Areals. Alexandra van Heerden ist als Mitarbeiterin von Itoba GmbH zuständig für das Siedlungsmanagement und die soziokulturelle Animation (siehe graue Infobox). Bei der Besichtigung des Areals zeigen sich die Dimensionen des Projekts:

  • Holzhochhaus (75 Meter): 156 Wohnungen
  • Wohnturm (75 Meter): 165 Wohnungen
  • Querbau: 56 Wohnungen, 6 Wohnateliers
  • Längsbau: 31 Maisonette-Lofts
  • Winkelbau: 37 Studios
  • Gewerbebau: 7200 Quadratmeter Gewerbefläche auf 6 Etagen
  • Cornershop und Pavillon: Begegnungszentren mit diversen Angeboten

Zwei weitere Baufelder sind in Planung, so dass am Ende rund 660 Wohneinheiten für circa 1600 Menschen zur Verfügung stehen werden.

Das Areal: Insgesamt sollen etwas 1600 Menschen hier wohnen.
Bild: Homepage Zwhatt (BIV/GRIP) (mit freundlicher Genehmigung von Pensimo Management AG)

Eingeplante soziale Nachhaltigkeit

Aus Sicht der Besuchergruppe spannend ist das Zwhatt-Projekt aber aus einem anderen Grund: Auf dem Areal werden Wir-Gefühl, lebendige Nachbarschaft und Zusammenhalt nicht dem Zufall überlassen.

Der Cornershop, ein Treffpunkt mitten im Zwhatt-Areal mit Terrassendach, Bar, Sommerkino, Velowerkstatt und Gästezimmern.
Bild: Tom Ammann

Pensimo hat dies von Anfang an mitkonzipiert, zunächst mit einer Reihe architektonischer bzw. technischer Massnahmen:

  • Gemeinschaftsräume
  • Saal mit Küche
  • Open-Air-Kino
  • Laubengänge
  • Gästezimmer
  • Gastronomiefläche
  • Sauna
  • Mobilitästs-Hub (siehe Infobox)
  • Info-Monitore in Eingängen und Liften
  • Velowerkstatt

Damit sich die Architektur auch mit Leben füllt und von den Bewohnenden nachhaltig genutzt wird, wurde Itoba GmbH als Siedlungsmanagerin engagiert. Die Aufgaben von Itoba sind:

  • Durchführung von Willkommensanlässen
  • Initialisierung und Begleitung partizipativer Prozesse
  • Nutzungskonzepte für die Gemeinschaftsräume
  • Organisation von Haus- und Siedlungsanlässen
  • Förderung von Bewohner-Initiativen
  • Moderation der Community App («Zwhatt-App»)
  • Organisation kreativer Aktivitäten

Ziel all dieser Massnahmen ist es, dass aus neu erstellten Mehrfamilien- und Hochhäusern ein lebendiges Quartier wird – mit einer eigenen Identität, getragen von Menschen, die nicht nur Wohnraum teilen, sondern sich auch als Nachbarn und Community verstehen.

Der Mobilitätshub im Zwhatt-Areal ist das zentrale Angebot für nachhaltige, gemeinschaftlich genutzte Mobilität im Quartier. Er bündelt verschiedene Verkehrsmittel – ÖV, Sharing-Fahrzeuge, E-Bikes und E-Cargobikes – und ermöglicht den Bewohnenden, flexibel und ohne eigenes Auto mobil zu sein. Ziel ist es, den privaten motorisierten Verkehr zu reduzieren, klimafreundliche Alternativen zu fördern und Fahrzeuge zu teilen. Innovativ: Wer auf ein Fahrzeug verzichtet, erhält ÖV-Gutscheine.

Am Entstehen: Das Zwhatt gehört zu den grössten Stadtentwicklungsprojekten der Schweiz.
Bild: Tom Ammann

Die Herausforderungen

Doch die Grösse des Areals bringt auch spezifische Herausforderungen mit sich:

Anonymität in der Masse: Das Risiko von Anonymität, Desinteresse und sozialer Fragmentierung wächst mit der Anzahl Bewohnenden. In einer Siedlung von der Grösse des Zwhatt-Areals lassen sie sich kaum ganz vermeiden.

Anonymität in der Vertikale: Die engen Lifte und Korridore sowie die schall- und licht-dichten Wohnungstüren in den Hochhäusern bieten kaum Gelegenheit für spontane Begegnungen und erschweren Nachbarschaft.

Verhältnis Privat-/Gemeinschaftsräume: In den Hochhäusern gibt es nur je einen Gemeinschaftsraum bzw. eine Dachterrasse (Sky Lounge) auf jeweils rund 160 Wohnungen. Dies birgt das Risiko, dass diese nicht «gerecht» genutzt, sondern von einzelnen Bewohnergruppen angeeignet werden.

Komplexe Organisation: Das Siedlungsmanagement muss dutzende Interessen koordinieren und die fair verteilte Nutzung der gemeinschaftlichen Ressourcen unter den verschiedenen sozialen Gruppen (Familien, Singles, Senior:innen, Menschen mit kleinem Budget, Fremdsprachige …) gewährleisten. Ob diese schwierige Aufgabe gelingt, bleibt abzuwarten.

Nachbarschaft in kleinen Einheiten denken: Gemeinschaft entsteht zuerst auf der Etage, im Treppenhaus, im Haus.
Bild: Tom Ammann

Erfahrungen aus anderen Projekten

Die Erfahrungen aus grossen Genossenschafts-Projekten wie der Erlenmatt in Basel oder dem Hunziker-Areal und der Kalkbreite in Zürich zeigen, dass soziale Nachhaltigkeit auch im Grossformat möglich ist, wenn bestimmte Prinzipien beherzigt werden:

Nachbarschaft in kleinen Einheiten denken: Statt «eine grosse Gemeinschaft» braucht es viele kleine – pro Haus, Treppenhaus oder Etage.

Delegieren / Freiwillige mobilisieren: Itoba muss die soziokulturelle Animation nicht allein stemmen. Einzelne Bewohnende oder Hauskomitees können, auf freiwilliger Basis, sich ebenfalls entsprechend engagieren.

Gründung eines Siedlungsvereins: Ein Siedlungsverein, bei dem alle Bewohnenden automatisch Mitglied sind und wo sie ihre eigenen Aktivitäten und Projekte koordinieren, fördert das Wir-Gefühl und die Eigeninitiative.

Siedlungsmanagement als permanente Aufgabe: Das Mandat von Itoba ist temporär angedacht (Community Aufbauphase). In kleinen Siedlungen ist dies üblich, weil davon ausgegangen wird, dass die soziale Nachhaltigkeit danach zum «Selbstläufer» wird. Bei Grosssiedlungen dürfte diese Annahme eher nicht zutreffen, weshalb die permanente Etablierung eines professionellen Siedlungsmanagements anzustreben ist.

Regelmässige Rituale und Feste: Wiederkehrende Anlässe – vom Frühlings-Apero bis zum Quartier-Flohmarkt – stiften Identität und Kontinuität.

Realistische Ziele setzen: Das Ziel ist nicht eine «verschworene Dorfgemeinschaft». Wenn sich nur schon 10 bis 20 Prozent der Bewohnenden zur Mitwirkung an den sozialen Zielen von Zwhatt bewegen lassen, entsteht schon wesentlich mehr nachbarschaftliches Miteinander als in herkömmlichen Siedlungen.

Teil des Konzepts: Hier wird das Miteinander von Anfang mitgedacht.
Bild: Tom Ammann

Fazit

  • Zwhatt ist nicht nur ein Bauprojekt, sondern ein städtebauliches Experiment: Ein Labor für soziale Nachhaltigkeit im Grossformat.
  • Zwhatt kann ein Beispiel werden, dass Grosssiedlungen nicht zur Anonymität verurteilt sind – aber es braucht dazu eine klare Vision, einen gezielten und langfristigen Entwicklungsprozess und den Willen und die Unterstützung aller involvierten Akteure.
  • Je grösser eine Siedlung ist, desto wichtiger wird das Kleinteilige, das konkret Fassbare, das individuell erfahrbare Zwischenmenschliche. Besonders wenn Hochhäuser Treffpunkte statt Türme der Vereinzelung werden sollen, müssen Verwaltung, Bewohnende und Siedlungsmanagement sich gemeinsam dafür engagieren.
  • Last but not least: Soziale Nachhaltigkeit ist nicht mehr länger das ausschliessliche Anliegen gemeinnütziger Wohnbaugenossenschaften, sondern es befassen sich zunehmend auch marktorientierte Investoren und Wohnbauträger damit. Für die Schweizer Wohnbevölkerung ist das eine gute Nachricht…

Soziokulturelle Animation in Wohnsiedlungen bezeichnet die professionelle Förderung von Gemeinschaft, Teilhabe und Lebensqualität durch soziale, kulturelle und gemeinschaftsbildende Aktivitäten. Sie zielt darauf ab, Begegnung und Austausch unter den Bewohnenden zu ermöglichen, Integration und Solidarität zu stärken, Selbstorganisation und Mitgestaltung im Wohnumfeld zu fördern sowie die Identifikation mit dem Wohnort zu unterstützen. Inhalte der soziokulturellen Animation sind unter anderem Nachbarschaftsprojekte, gemeinsame Feste, partizipative Entscheidungsprozesse und kreative Aktivitäten.

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