Die Qual der Wahl im Ruhestand

Die Qual der Wahl im Ruhestand

Als Senior:in nochmal die Schulbank drücken? Warum sollte ich das machen? Und wenn ja, was könnte ich denn machen? Wir haben uns nach Möglichkeiten in unserem direkten Umfeld umgeschaut.

Heute wird viel über «lebenslanges Lernen» gesprochen. Das schliesst nicht nur die Weiterbildung während des Berufslebens ein, sondern auch die nach der Pensionierung. Das Bild vom Ruhestand als Lebensphase, in der man nur noch die Beine hochlegt, ist überholt. Eine repräsentative Umfrage von 2021 macht deutlich, dass die Generation 60+ einen grossen Bildungshunger besitzt. Beispielhaft dafür ist die Entwicklung der Mitgliederzahlen der Seniorenuniversität Bern. Von 923 Mitgliedern im Jahr 2015 sind diese auf 2633 Mitglieder im Jahr 2024 angestiegen.

Geistig fit bleiben: Bildung im Ruhestand bedeutet auch Beteiligung
Bild: Nilai Scheiwiller

Sich im Alter weiterzubilden bietet eine Reihe von Vorteilen. Es fördert die geistige Fitness, es hilft, neue Interessen zu entdecken, es vergrössert das soziale Netzwerk und es stärkt das Selbstvertrauen. In der bereits erwähnten Umfrage ist die Erweiterung des Allgemeinwissens als wichtigstes Motiv für Bildungsaktivitäten in der dritten Lebensphase genannt worden. Dicht gefolgt von dem Wunsch, sich geistig fit zu halten. Nicht zuletzt machen das Lernen und das Sich-Weiterbilden einfach Spass. Viele der über 60-jährigen suchen nicht nur Bildungsangebote im Vorlesungsformat, sondern sie möchten sich aktiv beteiligen und ihren grossen Erfahrungs- und Wissensschatz einbringen.

Weiterbildung im Alter ist kein Muss – sondern ein Privileg, das neugierig hält.

Weiterbildung in der dritten Lebensphase hat nichts mehr mit dem Stress zu tun, den man während der Schulzeit oder dem Studium erlebt hat. Vielmehr kann man sich entspannt aus einer Vielzahl von Angeboten dasjenige heraussuchen, das massgeschneidert zu dem eigenen Interesse und Zeitbudget passt. Um nur ein paar Möglichkeiten der Region zu nennen:

Volkshochschule (VHS)

Die VHS Bern hat eine breite Palette von Angeboten zu Sprachen, Politik und Gesellschaft, zu Gesundheit und Bewegung, zur Umwelt, und zu kreativen Arbeiten. Selbst Studienreisen werden angeboten. Es gibt Kurse, die nur wenige Abende dauern, aber es gibt auch Kurse, die über ein ganzes Semester gehen. Ein grosser Vorteil in den Kursen der Volkshochschule ist, dass sie altersmässig gemischt sind – eine gute Gelegenheit, um einmal aus der 60+ Blase herauszukommen.

Pro Senectute

Pro Senectute bietet eigene Kurse, aber auch eine online-Suchmaschine zum Finden von Kursen.

Collegium60plus

Dies ist ein Verein, der vielfältige Aktivitäten für Menschen über 60 anbietet. Die Kursthemen reichen von «Yoga und Achtsamkeit» über «Geschichte der Alpen» bis zu «Nachhaltige Landwirtschaft». Der Verein sagt von sich: «Collegium 60plus ist wie ein gutes Restaurant. Von der abwechslungsreichen Menükarte wählen alle die Speisen, auf die sie gerade Lust haben.»

Universität Bern

Hier gibt es vor allem drei Möglichkeiten. Zunächst einmal die bereits genannte Seniorenuniversität. Sie bietet Vorlesungen von Dozierenden der Universität Bern, beispielsweise zu medizinischen, kulturellen oder historischen Themen. Die Vorträge finden einmal pro Woche in der Aula der Universität statt. Die Vorträge sind mit jeweils 200-300 Hörerinnen und Hörern gut besucht. Bei besonders beliebten Themen, wie zum Beispiel bei gesundheitlichen Themen oder Vorträgen zu Weltraumforschung oder einem bekannten Künstler ist der Saal manchmal auch so voll, dass der Vortrag per Video in einen zweiten Saal übertragen werden muss. Zusätzlich hat die Seniorenuni im letzten Jahr auch das Angebot an Exkursionen und Museumsbesuchen stark ausgebaut. Ganz wichtig: Für die Seniorenuniversität braucht es keine Matura – alle können kommen, unabhängig vom Ausbildungsabschluss. Eine zweite Möglichkeit, sich im Alter an der Universität weiterzubilden, besteht darin, sich als «Gasthörer:in» einzuschreiben. Damit kann man Vorlesungen besuchen, rein aus Interesse, ohne jeden Leistungs- oder Prüfungsstress. An der Universität Bern gibt es derzeit 155 solcher Gasthörer:innen. Schliesslich besteht eine dritte Möglichkeit zur Weiterbildung an der Universität darin, im Ruhestand ein vollwertiges Studium zu absolvieren. Das beinhaltet dann allerdings Prüfungen, dafür aber auch einen qualifizierenden Abschluss. An der Universität Bern gibt es im aktuellen Sommersemester 16 Bachelorstudierende der Generation 60+, 11 Masterstudierende und bemerkenswerterweise sogar 25 Doktorierende.

Bildungshunger im Ruhestand: die Seniorenuni Bern.
Bild: Lena Mathis

Besuch an der Seniorenuni
Lena Mathis (23)

Am Freitagnachmittag wuselt es in der Aula des Hauptgebäudes der Uni Bern. Viele Hörende sind eingetroffen, um einem Vortrag über Elementarteilchen – Quarks, Leptonen und Bosonen – beizuwohnen. Doch sind die Hörenden keine jungen Studierenden. Der Vortrag ist nämlich eine Veranstaltung der Seniorenuniversität Bern.

Eine der Hörerinnen hat die Mitgliedschaft bei der Seniorenuni von ihrer Tochter zur Pension geschenkt bekommen. Für sie sind die Besuche der Vorträge eine schöne Abwechslung zur Arbeit im Garten und im Haus. Sie schätzt es über Themen zu lernen, von denen sie nur wenig weiss. Auch zwei anderen Hörerinnen geht das so. Sogar in Bereichen, in denen sie sich auskennen, würden sie noch Neues dazulernen, erklären sie. Beide sind schon seit mehreren Jahren Mitglied der Seniorenuniversität und nehmen auch regelmässig an Exkursionen teil. Was die beiden ausserdem erfreut, ist, dass für die Teilnahme an den Veranstaltungen keine Matura notwendig ist. Dies wüssten viele gar nicht.

Universitäten haben nebst der Lehre und Forschung auch eine gesellschaftliche Verantwortung. In einer alternden Gesellschaft ist es wichtig, die immer grösser werdende Gruppe der Pensionierten anzusprechen und auch ihnen einen Platz an den Hochschulen zu verschaffen. Mit der Einführung von Veranstaltungen für Pensionierte nehmen viele Universitäten diese Verantwortung wahr. Und setzten auch ein wichtiges Zeichen – dass Bildung immer weitergehen kann.

UND Generationentandem

Last but not least wollen wir auch auf das Programm von UND hinweisen. Hier kann man sich aktiv in die verschiedensten Formate einbringen, bilden, weiterbilden und auch selbst gestalten. Geistige Fitness und soziale Kontakte werden so en passant gefördert.

Bildung im Dialog der Generationen: ein Workshop von UND Generationentandem.
Bild: Nilai Scheiwiller

Die Qual der Wahl in der Jugend
Wie finde ich den richtigen Weg nach der Schule oder Ausbildung? Zwischen Druck, Selbstzweifeln und Umwegen berichten junge und ältere Menschen von ihren Entscheidungen – und was sie daraus gelernt haben.

Jetzt lesen: Die Qual der Wahl in der Jugend

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