
Drei zugkräftige KämpferInnen am ersten Thuner Generationenforum 2022 diskutierten über Zukunft – persönlich, heiter, kritisch. Wieso der Skilift Hondrich ein gutes Beispiel für einen optimistischen Blick in die Zukunft ist. Wer Entschleunigung mit mehr Life-Work-Balance und wer sich in der Politik generell mehr Tempo wünscht, das erfuhr das Publikum am Workshop und am Podium im Thuner Rathaus.
Freitag, 21. Januar 2022
Vier Fragen, drei exklusive Podiumsgäste und zwei Abende mit viel Publikum. Das war das Generationenforum Thun vom 19. und 20. Januar 2022. Im Workshop wie am Podium kamen die aktuellen Gesellschaftsprobleme auf den Tisch, es wurden Hoffnungen und Sehnsüchte ausgesprochen und auch ganz konkrete (Über-)Lebensstrategien verraten.

UND Generationentandem hat es wieder einmal gezeigt: Dranbleiben, gemeinsam und generationenübergreifend im Austausch sein – das bewegt im doppelten Wortsinn:
Viele der TeilnehmerInnen, die an den beiden aufeinanderfolgenden Abenden im Thuner Rathaus dabei waren, gingen mit einem Lächeln auf dem Gesicht nach Hause. Trotz düsteren Themen war der Workshop bereichernd und stimmte optimistisch. Das Podium schaffte den Bogen von den grossen, schier unlösbaren Problemen zu den kleinen, hoffnungsvollen Glücksmomenten.


Die PodiumsteilnehmerInnen blickten, nach einigen Einwänden, alle mit Optimismus in die Zukunft. Darleen Pfister (18), Gymnasiastin, im Vorstand Jugendparlament Kanton Bern, hat neben gemischten Gefühlen («es wird schon irgendwie gehen») viele persönliche Träume. Der Thuner Künstler Heinrich Gartentor (56) macht sich zwar Sorgen, dass sich die Pandemiegewohnheiten auf ein künftiges Kulturleben mit weniger Publikum auswirken könnte. Doch Krisen gebe es, seit er sich erinnern könne und dennoch seien wir da.

Ursula Haller (73), ehemalige Nationalrätin und Thuner Gemeinderätin, blickt mit Unruhe in die Krisengebiete, die es trotz Friedensbekenntnissen immer wieder gibt. Bis in diese Gebiete reiche ihr Einfluss nicht, doch gehe sie Krisen in ihrem Umfeld unvermindert mit Elan an.

Moderator Elias Rüegsegger (27) will es aber noch genauer wissen und fragt: «Fight – flight or freeze? Was gilt: kämpfen, fliehen oder erstarren, beim Gedanken an die Zukunft?»
Alle drei sind Fighter, Thuner eben, die an die Zukunft glauben, sich in der Gemeinschaft engagieren. Heinrich Gartentor erzählt nebenbei vom Skilift Hondrich, der aktuell, trotz Pandemie, viele Menschen an der frischen Luft wieder zusammen und ins gemeinsame Gespräch bringt – auch seine zum Teil eigenwilligen Nachbarn in Horrenbach.
Und was, wenn die Podiumsgäste an Thun denken? Darleen Pfister kämpft für mehr Junge, mehr Frauen an entscheidenden Stellen, auch in Thun. Ursula Haller ist überzeugt vom «Bijou» Thun, das dann auch mal seine Verkehrsprobleme lösen werde, und Heinrich Gartentor kämpft weiter, seufzt aber, dass die politischen Mühlen schon sehr, sehr langsam mahlten und fordert: «Mehr Tempo!»

Auch Warnungen, dass künftig noch mehr ältere Menschen entscheiden, vielleicht gar Reformen blockieren werden, will Ursula Haller nicht gelten lassen: 65- bis 85-Jährige seien alles andere als aussen vor, hätten noch Vieles und viel Erfahrung beizutragen.
Was aber wäre, wenn die Gäste ihr eigenes Todesdatum kennen würden? Nun drehen alle drei auf: «Gut, wissen wir es nicht», meint Heinrich Gartentor, «ansonsten würden wir anstatt über das Virus nur noch darüber sprechen!» Er freut sich in jedem Fall auf ein gutes Leben mit seiner Frau.

Darleen Pfister will noch schnell, schnell möglichst viel machen und bedankt sich gleich bei ihrer Familie für die Unterstützung all ihrer Projekte.
Glück, Miteinander und Füreinander und zwar jetzt, das sind Stichwörter für Ursula Haller: Sie setzt an zu einer öffentlichen Liebeserklärung an ihren Mann.
Am Abend vor dem Podium gab es im Rathaus Thun einen Workshop zum Thema. Moderator Fritz Zurflüh {67) erläuterte das Werkstattformat World Café, verwies auf die vier Tische, an denen über die vier zentralen Fragen des Abends nachgedacht werden soll.

An je einem Tisch tauschen sich die Workshop-Teilnehmer jeweils eine Viertelstunde in wechselnden Gruppen über eine der Fragen aus. EinE ModeratorIn leitet das Gespräch, notiert und fasst am Schluss im Plenum zusammen. So kommen innert kürzester Zeit viele verschiedene Meinungen und Ideen zusammen.

Vier Menschen aus vier Generationen machten sich im Vorfeld bereits Gedanken und führten ins Thema ein.

Mit «Es sieht nicht gut aus für uns Junge» eröffnete Jérôme als jüngster Redner. Er lieferte zur Begründung negativ behaftete Stichwörter wie Cryptowährung oder Datenklau. Doch auf der anderen Seite seien wir bis jetzt doch ganz gut durch die Krise gekommen. Grosse Aufgaben warteten im Bildungswesen, in der Anwendung neuer Technologien und bei der Organisation der Berufswelt (4-Tage-Woche, Bedingungsloses Grundeinkommen). Insgesamt wünsche er sich für die Zukunft mehr Life-Work-Balance, statt Work-Life-Balance.

Die schon nicht mehr ganz junge Theologin sehnt sich danach, dass wir alle einfach mehr Mensch sein dürfen und danach, künftig diverser und weniger individualistisch unterwegs zu sein. Sie parke zwar momentan auch noch ihren Jeep vor dem nahen Hofladen und sie wisse ganz genau, dass sie mit den dort gekauften, nachhaltigen Produkten ihre Jeep-Umweltsünde nicht wett mache. Einmal sei es dann aber auch Zeit, den geliebten Jeep zu verkaufen und aufs Fahrrad umzusatteln. Jeder werde kleine Schritte machen müssen.

Viktor hat erst vor kurzem sein Unternehmen verkauft und versucht sich neu als Rentner. Er sei gesund, hätte ein gutes Berufsleben gehabt und erreicht, was er sich vorgenommen habe. Damit sei er privilegiert, doch das wisse er auch, geniesse darum umso mehr, was er habe: «Was wott me de meh?» Sollten Junge seine Erfahrung nutzen wollen, so sei er stets bereit, zu helfen und Erfahrung weiterzugeben.

Als Ältester beschloss Werner Kaiser die Einführungsrunde. Er mochte nicht präzise auf die Fragen eingehen. Er beobachtete und liess seine Erfahrung sprechen: Aktuell veranstalteten positive und negative Kräfte ein Wettrennen und die Dialogfähigkeit bleibe dabei auf der Strecke. «Es gibt so viele gute Menschen», rief er in den Saal. Die sollten mehr Gehör finden, denn ihre positive Kraft sei ansteckend. Als Beispiel nannte er junge KlimaaktivistInnen.
Mit Ambivalenz: Wir sehen den jetzigen Wohlstand, möchten ihn am liebsten behalten und haben dabei sehr wohl ein schlechtes Gewissen. Blicken wir munter und mit Optimismus in die Zukunft, machen wir es uns demnach vielleicht etwas zu leicht: Denn Handeln ist definitiv angesagt und das könnte uns empfindlich einschränken.
Wir sprechen immer von den grossen Ängsten wie Klimawandel oder Überbevölkerung. Doch was ist mit der eigenen, ganz persönlichen Angst? Da können wir gleich im Hier und Jetzt ansetzen, hinschauen und unsere eigene Bewältigungsstrategie genau dafür suchen. So bringen wir Bewegung in eventuell lähmende Angstzustände.

Hier werden die ganz grossen Sehnsüchte in die eine Waagschale geworfen: Echtheit, Respekt, Dialogbereitschaft, Gemeinschaftssinn, Generationenaustausch. Auf der anderen Seite zum Ausgleich: weniger Materialismus, viel weniger Eigennutz.
Wer es in den Pandemiejahren noch nicht gehört hätte: Eigenverantwortung ist und bleibt auch an diesem Abend zentral. Nicht bloss in Bezug auf die eigene Gesundheit und Risikobereitschaft. Es ist auch unabdingbar, die politischen und sozialen Möglichkeiten aktiv wahrzunehmen: sich aktiv einbringen, abstimmen, helfen, wo möglich. Das gibt nicht nur ein gutes Gefühl, denn wie sagte Werner Kaiser eingangs: Positive Kraft ist ansteckend.




Das Generationenforum versteht sich seit 2019 als Denk- und Machfabrik der Zivilgesellschaft in und um Thun. Organisiert von UND Generationentandem und gefördert von der Stadt Thun. Erfahre hier mehr über vergangene Generationenforen.
