«Bücher sind für viele Schweizer:innen weit mehr als ein Zeitvertreib – sie sind Lebensbegleiter, Inspirationsquelle und ein ruhender Anker in einer zunehmend digitalen und schnelllebigen Welt.» So zu lesen im Lesebarometer 2025, erstellt von Sotomo im Auftrag von ex libris.

Lesen – eine einsame Beschäftigung älterer weiblicher Personen?
Passionierte Leser:innen schwärmen vom Abtauchen in Geschichte. Andere begeben sich beim Lesen auf Abenteuerreise. Laut der Umfrage von Sotomo teilen 57 Prozent der Schweizer Leser:innen ihre Begeisterung über Gelesenes gerne mit anderen, beispielsweise in festen Gruppen oder spontan mit Freunden. Damit hat Lesen auch eine soziale Komponente und ist nicht nur eine einsame Beschäftigung.
Die Branchenzahlen des Schweizer Buchhandels- und Verlagsverbands (SBVV) zeigen, dass der Buchhandel stark von weiblichen und eher älteren Kundinnen lebt. Diese Kundengruppe liest auch gerne umfangreiche Bücher. Jüngere Leser:innen dagegen greifen wegen Konzentrationsschwierigkeiten eher zu dünnen Büchern.

«Lesen macht sexy»
Das Lesebarometer zeigt auch: Lesen bildet, fördert Empathie, macht attraktiv. 84 Prozent der befragten Personen finden Lesefähigkeit und Konzentrationsfähigkeit wichtig. Beides braucht man nicht nur fürs Lesen von Büchern, da sind Fahrpläne, Anleitungen, Kommentare oder der Button «Vorlesen», der innert nützlicher Frist gefunden werden muss. Bücher und Hörbücher beurteilt die Umfrage als die einzigen Medien, die auch nach mehreren Stunden noch nicht nerven sondern entspannen. Und sie fördern die Konzentrationsfähigkeit und Einfühlungsvermögen für Personen und Situationen. Aufrufe zum Lesen von Büchern, oder Anhören von Hörbüchern sind somit sinnvoll. SRF titelt gar «Lesen macht sexy».
Freizeit = Lesezeit = Vorlesezeit
Gelesen werden vor allem Romane und diese in den Ferien, am Wochenende und vielfach vor dem Einschlafen. 34 Prozent der Schweizer:innen nutzen öffentliche Orte wie Zug, Café, Badi zum Lesen. Übrigens: auch im Offenen Höchhus gibt es viele Bücher für grosse und kleine Leser:innen.

Am schönsten sind jedoch Vorleserituale, regelmässig wiederkehrende Momente in Gemeinschaft, auf die sich alle freuen. Vorlesen sollte ganz unbedingt aus der Kindheit ins Erwachsenenleben gerettet werden! Nicht vergessen: Am 21. Mai 2025 ist wieder Schweizer Vorlesetag.
Lesend unterwegs
Lesen, zuhören, eintauchen, lernen und literarische Abenteuer in Gemeinschaft erleben, all dies gibt es beim literarischen Reisen in Kleingruppen mit Corinna Jäger-Trees. Nach vielen Berufsjahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Schweizerischen Literaturarchiv brach Corinna auf in eine neue Lebensphase und ist seither, gemeinsam mit den beiden Schauspieler:innen und professionellen Vorleser:innen Graziella Rossi und Helmut Vogel, lesend unterwegs in Italien und in der Schweiz.
Die nächste mehrtägige literarische Reise plant sie im Herbst 2025 an den Vierwaldstättersee. Sie lädt aber auch gerne zu Tagesauflügen in die Welt der Literatur ein. Nähere Informationen dazu gibt es hier.

Corinna, was hat dich bewogen nach der Pensionierung etwas Neues zu beginnen?
Es war mir schon lange bewusst, dass ich nach dem Abschuss meiner beruflichen Phase irgendeine Tätigkeit im literarischen Kontext würde weiterverfolgen wollen. Irgendwann habe ich kurzerhand 10 Zimmer auf dem Monte Verità für einen ersten Kurs reserviert, der dann auch zustande kam. Und von da an bin ich diesen Weg konsequent weiter gegangen.
Was bewirkt Lesen in der Gemeinschaft?
Der Austausch bei der Lektüre in der Gemeinschaft ist deshalb eine grosse Bereicherung, weil andere Sichtweisen an einen herangetragen werden. Lesen bedeutet bis zu einem gewissen Punkt auch immer, den eigenen Gedanken- und Erfahrungshorizont lesen. Der Austausch mit Mit-Lesenden trägt ganz neue Dimensionen in die eigene Sichtweise hinein.
Was geschieht beim Lesen/Vorlesen am Ort der Entstehung?
Die Lektüre von Texten am Ort ihrer Entstehung, ihrer Handlung oder an einem Ort enger Verbindung mit dem Autor gibt dem Text zusätzliche Dimensionen und erweitert das Verständnis dafür. Mein Reisekonzept bietet aber viel mehr als Literaturtourismus. Wir fragen, weshalb ein Ort zu einem literarischen Hotspot wird, welche historischen, politischen und kulturellen Implikationen dazu geführt haben und wie diese literarisch dargestellt werden. Es geht also um mehr als einfach zu sagen: Hier war Goethe. Er hat Venedig in dieser oder jener Weise gesehen. Ich habe mir das auch angeschaut. Die vorgestellten Texte werden in einen grösseren Zusammenhang gestellt, so dass Gegenden und Orte dadurch mit einem erweiterten Horizont betrachtet werden können.
Was sind für dich Klassiker? Und weshalb soll man sie lesen?
Es sind Werke, die grundsätzliche existentielle Fragen, Emotionen, zwischenmenschliche Konstellationen oder politische und kulturelle Verhältnisse in einer Weise thematisieren, die in ihrer Kernaussage vom herrschenden Zeitgeist losgelöst zu allen Zeiten Gültigkeit behalten. Gerade in schwierigen politischen und ökonomischen Zeiten wie der gegenwärtigen zeigt es sich, dass auch klassische, literarische Werke erhellen und inspirierend sein können im Versuch, das Chaos zu bannen, zu verstehen, was geschieht und eine gangbare Linie zu finden.
Was liest du, wenn du nicht «unternehmerisch» liest?
Ich geniesse es, mich da ein wenig treiben zu lassen, z.B. durch Lektürevorschläge in meiner Lesegruppe, die gar nichts mit meinen Schwerpunkten zu tun haben. Ich liebe es, die bereiste Gegend literarisch vor und während der Reise zu erkunden; oder ich blättere in einem Klassiker zu einem Thema, das mich gerade sehr beschäftigt.