Die Welt ist wie man sagt rund – und ich habe jetzt, im Alter, manchmal das Gefühl, mich wirklich an einer sich immer schneller drehenden Kugel festklammern zu müssen, um nicht ins Leere zu fallen.
Vor mehr als sechzig Jahren, während meiner Handelsschul-Ausbildung, gehörten Stenographie und das Zehnfinger-System zum wichtigsten «Muss» in der Ausbildung zur perfekten Sekretärin. Nur wenige Jahrzehnte später lehnte mich die Teilzeit-Sekretärinnen-Stellenvermittlung in Toronto als «unvermittelbar» ab, weil ich zu langsam, sprich «zu alt» war. Als ich, bald achtzig Jahre alt, von einem Freund einen Laptop geschenkt bekam, schüttelten meine Kinder den Kopf. Für mich begann damit die moderne Zeit, eine Welt mit nur wenigen Höhepunkten, nämlich nur denjenigen, wenn auf Knopfdruck tatsächlich auf dem Bildschirm das erschien, was ich wünschte.
Ich werde wohl bis zu meinem letzten Tag technisch unbegabt bleiben, habe jedoch eine sehr nützliche Gabe, deren ich mich nicht schäme: Ich kann verzweifelt, echt verzweifelt, um Hilfe bitten! Nicht ganz in allen, aber in den meisten Fällen, erbarmt man sich meiner.
Dabei habe ich schon einige Erfahrungen gesammelt. Die gebe ich gerne an andere Hilflose weiter. Frauen sind schneller bereit, mich zu retten. Sie erklären zackig, welche Taste man wo drücken muss – und machen es meistens gleich selber. Zum Beispiel Briefe versenden, Notizen speichern, Mappen öffnen. Auch Hotels und Informationen über Einkaufsmöglichkeiten finden, Fahrpläne hervorholen sind ihre Spezialität. Sie finden Erklärungen und Rezepte auf Google im Nu – ebenso, welchen Kurs oder welches Konzert man unbedingt besuchen sollte. Dann sind sie plötzlich knapp an Zeit, weil sie noch dieses und jenes erledigen müssen.
Nicht so die Männer. Die sagen dir erstmals, was alles an deinem Laptop nicht so ideal eingerichtet ist und möchten dir alles umstellen und, sozusagen, effizienter machen. Davor habe ich eine Todesangst! Ich könnte mich nie wieder an noch Neueres gewöhnen und endlich Begriffenes aufgeben! Wenn sie dann widerwillig aber gutmütig nachgeben, kommen die Fremdwörter, die ich einfach nicht verstehe. «Word aufrufen, Multifunktion, Office Schaltfläche, Symbolleiste, Formatierung!» Es endet damit, dass ich brav nicke und öfters sage: «Ahaa!», um nicht gar so dumm dazustehen. Dann reibt sich der Mann die Hände und fängt an, die Situation zu geniessen. Wie klug er doch ist! Er frägt, wo denn da mein Problem sei. «Aha, das haben wir gleich, zweimal antippen, speichern, weiterleiten, Message schreiben, Beilage, Text – das ist zu weit rechts und zu klein, kein Problem, verschieben, auf Tastendruck, Abstand – farbig? Man könnte sogar mit Musik!» Mir schwirrt der Kopf, er aber strahlt und presst ein letztes Mal: «Senden! Voilà! Ganz einfach! Kapiert?» Ich wünschte, ich könnte ehrlich sein und mich getrauen «nein» zu sagen! Aber ich bin so beschämt, dass ich bei der nächsten Panne lieber ein neues Opfer suche.
Vielleicht finde ich einmal eine wirklich geduldige Seele. Ich muss doch nicht mehr alles wissen – und Absatzformatierung, Testformatierung, Word-Tools bleiben mir so fremd wie das Gewirr unter einer Auto-Motorenhaube. Hauptsache, ich kann lieben Freunden einen Brief schreiben, den Sendeknopf drücken und mit grosser Freude feststellen, dass meine Post im Handumdrehen angekommen ist.