
Marianne Senn (67)
Hast Du heute schon gelacht? – Ja, so befreiend und euphorisch wirkt doch ein fröhliches Lachen. Sorgen und Bedenken verblassen und wir schöpfen neue Kraft. Komische Situationen, ein guter Witz oder eigenes Versagen können der Auslöser sein. Es heisst ja: Wer über sich selbst lacht, lacht am besten. Voraussetzung ist die Fähigkeit, sich selbst reflektiert wahrzunehmen. Sich selbst gedanklich distanziert und humorvoll einzuschätzen mit einer Prise Gelassenheit. Aristoteles meinte, dies offenbare, dass jemand ein freier Mensch sei.
Was uns zum Lachen bringt
Humor setzt auch intellektuelle Fähigkeiten voraus und ist eine menschliche Errungenschaft. Grosse Affen zeigen zwar Ausdrucksweisen, welche dem menschlichen Lachen ähnlich sind: offener Mund, Retraktion der Lippen und laute Vokalisation. Dieses Verhalten wird aber ausschliesslich spielerisch oder bei körperlichem Kontakt beobachtet. Menschen fügen voneinander unabhängige Fakten oder Inhalte ohne gemeinsamen Nenner neu zusammen und kreieren ein unvorhergesehenes Bild oder eine unvorhergesehene Aussage. Die neue Einsicht bringt uns zum Lachen. Wir erkennen den Witz. Dies können Affen nicht, und selbst die künstliche Intelligenz wird dies wahrscheinlich nie erreichen. Komik sei Dank.
Lachen aktiviert Endorphine, Hormone, welche Glücksgefühle auslösen, die Ausdauer erhöhen und die Schmerzempfindlichkeit senken. Wohlgefühl verbreitet sich und das Immunsystem wird stimuliert. Die Anzahl an T-Zellen, weissen Blutkörperchen, welche zu den Abwehrzellen des Immunsystems gehören, nimmt zu und stärkt die Infektabwehr. Der Stresshormonspiegel sinkt, das bringt Entspannung. Lachen aktiviert auch das Herz-Kreislauf-System. Der Sauerstofffluss im Blut wird durch die verstärkte Atmung erhöht. Lachen wir uns also gesund.
Sozialer Kitt
Da Denken, Fühlen und Handeln hirntechnisch immer miteinander verbunden sind, liefert Lachen ein Verhaltenssignal des Vertrauens zu den Mitmenschen. Die Momente von geteilter Freude und geteiltem Glück festigen Freundschaften und fördern die Gruppenzugehörigkeit. Humor in der Arbeitswelt, wenn der Grund zum Lachen in einer positiven, verspielten und spontanen Interaktion liegt, fördert die Kreativität. Der gegenseitige Einklang wirkt konfliktbegrenzend und ermöglicht emotionale Offenheit im Austausch. Diese guten positiven Emotionen wirken als sozialer Kitt. Lachen ist ansteckend und heilungsfördernd. Lachend können auch Spannungen zwischen Unbekannten abgebaut und soziale Brücken erstellt werden.
Leider kann man mit Auslachen und Verspotten auch Dominanz demonstrieren und Spott als Machtmittel missbrauchen. Wird Humor als Mittel zum Mobbing missbraucht, so wirkt er sehr verletzend und extrem kontraproduktiv. Interessant ist auch, dass Diktaturen stets Satire und Witz bekämpfen. Im Mittelalter gab es wenigstens noch Hofnarren. Mit Witz taten sie manchmal ihre Ansicht kund. Die Zuhörerinnen und Zuhörer durften lachen und vielleicht damit auch Frust abbauen. ☐

…oder doch nicht?
«Rire c’est bon pour la santé» sagte Johann Schneider-Ammann am Tag der Kranken. Lachen macht Schmerzen erträglicher und scheint, wenn man dem Volksmund glaubt, die beste Medizin zu sein.
Tabea Arnold (25)
Mit todernster Miene sagte der Bundespräsident 2016 am Tag der Kranken, dass Lachen kranke Menschen aufmuntern und ihnen Momente des Glücks bescheren könne. «Rire c’est bon pour la santé», sagte Johann Schneider-Ammann. Doch was hat es damit auf sich? Die therapeutische Wirkung des Humors ist weithin anerkannt. So sei relativ gesichert, dass Lachen Schmerzen erträglicher macht. Immer mehr Psychologen und Mediziner beschäftigen sich mit der therapeutischen Anwendung von Humor und Lachen im Spital und während einer Therapie.
Lachen gegen Stress und Schmerzen
«Lachen ist der grösste Feind des Stresses», sagt die Humortherapeutin Erika Kunz. Statt Stresshormone werden beim Lachen Glückshormone ausgeschüttet. Selbst unter grössten Arbeitsbelastungen würden sich auf diese Weise Verspannungen lösen. «Wer die Mundwinkel hochzieht, richtet sich automatisch auf und vermeidet eine traurige Grundhaltung», erklärt sie. Die Reha-Klinik Bad Zurzach bietet die Humortherapie seit 1999 zur Unterstützung des Rehabilitationsprozesses an. Humor, bei der Schmerztherapie eingesetzt, wirkt wie eine positive Bewältigungsstrategie und hilft somit den PatientInnen, einen neuen Zugang zu ihrer Krankheit zu finden. In akuten Krisensituationen lassen sich mit Humor entspannende Wirkungen erzielen. Auch in der Psychiatrie und in der Psychologie erhofft man sich, durch gezielten Einsatz von Humor in der Therapie bessere Erfolge zu erzielen.
Zu wenig Forschung
Glaubt man den zahllosen Lachyoga-
Trainern, die den Schweizern seit ungefähr zehn Jahren die Bäuche kitzeln, ist
Lachen ein Allheilmittel. Es soll gegen Erkältung und Bluthochdruck helfen und
sogar gegen Krebs. Doch eine Mediziner-Faustregel besagt, dass, spätestens wenn
indische Experten zitiert werden, Skepsis angebracht ist. Und in der Tat: «Es
gibt noch zu wenig Forschung, um sagen zu können, dass das Lachen eine
medizinische Wirkung hat», sagt Willibald Ruch, Professor für Psychologie an
der Universität Zürich. Doch Lachen hat physiologische, psychologische und
lebensqualitätsbezogene Vorteile gezeigt. Die Untersuchung «The therapeutic
value of laughter in medicine» von Ramon Mora-Ripoll kommt zum Schluss, dass
Lachen positive Auswirkungen auf bestimmte Aspekte der Gesundheit hat. Lachen
soll bei der Prävention und Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden.
Weitere Forschung
ist gerechtfertigt. ☐