
Liebe Trix, woher kommst du?
Ländliches Leben, geprägt von einem rücksichtsvollen Umgang mit der Natur, erfüllte meine Kindheit. Ein grosser Garten nahe am Waldrand mit Obstbäumen und Kleintieren war mein Spielplatz. Drei Generationen lebten unter einem Dach im ehemaligen Bauernhaus. Die weisen Gedanken meines stillen Grossvaters liessen mich schon früh über die wesentlichen Lebensfragen nachdenken. Der gehbehinderte boshafte Grossonkel bildete den Gegenpol. Als Familie verbrachten wir viel Zeit in der freien Natur, bei Bergwanderungen, auf Velotouren oder beim Skifahren am Gurnigel. Das einfache Leben in der Alphütte vom Skiklub, reduziert auf das Nötigste, formte mich nachhaltig. Scheu und mit wenig Selbstvertrauen wurde ich in der Schule zur Aussenseiterin. Zu den Pausengesprächen über Auslandferien und Freikirchenaktivitäten konnte ich wenig beitragen.
«Mich interessieren die Lebensgeschichte alter Menschen.»
Trix
Mich interessierten die Lebensgeschichten alter Menschen. Deshalb verbrachte ich mehr Zeit mit Betagten als mit «Schulgspänli». Als Teenager, ohne besondere Talente ausser Musik, wurde mir von der Familie eine KV-Lehre empfohlen. Nach dem Lehrabschluss fand ich meine erste Arbeitsstelle im Toggenburg und landete dort im Abseits. Mit breitem Berndeutsch, scheu und erst noch reformiert, erwies sich mein Start ins Erwachsenenleben als sehr schwierig. Ich musste 25 Jahre alt werden, bis ich mich getraute, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Die Ergebnisse der Tests beim BIZ waren für mich eine riesige Überraschung: Fahrradmechanikerin oder Heilpädagogin! Zwar repariere ich das Fahrrad grösstenteils selbst, aber die Heilpädagogik reizte mich viel mehr, zumal ich in diesem Beruf auch die Musik integrieren konnte. Die Ausbildung war eine echte Lebensschule für mich. Nach deren erfolgreichem Abschluss konnte ich an einer Heilpädagogischen Schule in Luzern unterrichten. Ich lernte einen Zimmermann kennen und zog zu ihm in sein Dorf in Obwalden. Meine Geschichte wiederholte sich in seiner schwierigen Familienstruktur. Die streng katholische Schwiegermutter liess mir keinen Platz und auch im Dorf blieb ich eine Fremde. Daran änderte auch die Geburt meiner Tochter Ayla nichts, im Gegenteil. Mein Mann konnte sich nicht für uns entscheiden. Trennung und der Umzug nach Unterseen waren der einzig vernünftige Ausweg.

Wo stehst du im Moment?
Seit einigen Jahren leben Ayla und ich wieder in unserem Elternhaus. Als Heilpädagogin in der besonderen Volkschule Interlaken belege ich ein 60% Pensum. Meine Klasse aus acht SchülerInnen besteht aus Jugendlichen mit schwersten kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen. Einige SchülerInnen sind blitzgescheit, aber die öffentliche Schule, mit ihren limitierten Ressourcen, kann ihnen aber nicht gerecht werden.
«In dieser Aufgabe habe ich meine Lebensdestination gefunden. Wenig reden, viel vorleben; wenig Besserwissen und eine ganz spezielle Konfliktbearbeitung.»
Trix
In dieser Aufgabe habe ich meine Lebensdestination gefunden. Wenig reden, viel vorleben; wenig Besserwissen und eine ganz spezielle Konfliktbearbeitung. Wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, setze ich mich mit meiner Gitarre in den Kreis, beginne zu spielen und es kehrt Ruhe ein. Die nötige Kraft dazu hole ich mir in meiner wieder gefundenen Heimat zu Hause. Abenteuerliche Wanderungen mit Ayla und unseren Zwergziegen und die Achtsamkeit für die Wunder der Natur zeigen mir den Weg zur Ruhe und zu mir. Oft beschliesse ich die anstrengenden Tage mit meiner ganz speziellen Meditation. Ich nehme mir meine Gibson Les Paul und spiele für mich allein Blues, Rock oder auch Jazziges.
Wo gehst du hin?
Ayla möchte Biologin werden. Als kreatives Vorbild werde ich weiterhin einen rücksichtsvollen Umgang mit der Umwelt pflegen. Die Reise zu mir selbst werde ich ganz bewusst mit Disziplin, Demut und Dankbarkeit fortsetzen.