Machen uns Krankheiten unfrei? Philoso4en über Feuerläufer, den Mut zur Freiheit und das Schicksal

Jeder Mensch hat einen freien Willen und kann aus eigener Initiative Entscheidungen treffen. Doch gibt es Faktoren, die auf unser Leben einen enormen Einfluss haben ohne, dass wir uns dagegen wehren können. Einer dieser Faktoren sind Krankheiten. Entreissen sie uns die Willensfreiheit oder können wir sie bezwingen?

Wie spielt die Freiheit und die Gesundheit zusammen? – Illustration: Hansruedi Käppeli

Heilbar – unheilbar

Hansruedi Käppeli (66)

Es gibt heilbare und unheilbare Krankheiten. Wer an einer unheilbaren Krankheit leidet, ist nicht zu beneiden! Nun hört man hin und wieder von Menschen, die selbst von einer unheilbaren Krankheit genesen. Da stellt sich die Frage: «Was zeichnet diese Menschen aus, dass Heilung geschieht?» Kürzlich habe ich ein Video gesehen, in dem die Hornusser von Richigen zwecks mentalen Trainings «Feuerlaufen» praktizieren. Sie gehen barfuss über glühende Kohlen, ohne sich zu verbrennen. Es scheint möglich zu sein, mit inneren Bildern scheinbar Unmögliches zu visualisieren und dadurch möglich zu machen. Auch Gesundheit lässt sich visualisieren. Wirklichkeit ist das, was wirkt, auch wenn die Wirklichkeit bloss vorgestellt ist. Die Gedanken sind frei!

Buchtipp: Clemens Kuby, Gesund ohne Medizin, Anleitung zum Andersdenken.

Über die Wirklichkeit und wie wir sie manipulieren: Hansruedi Käppeli. – Bild: Mariëlle Schlunegger

Auf zwei Schienen

Mara Brügger (20)

Immer, wenn ich über das Schicksal nachdenke oder darüber, ob ich nun frei bin oder nicht, versinke ich in einer kleinen von mir geschaffenen Welt.

Einerseits bin ich mir ziemlich sicher, dass alles in unserem Leben vorbestimmt ist und dass alles, was wir tun, so sein muss. Ich stelle mir das Leben immer vor, als würden wir uns innerhalb zweier Schienen bewegen, die den Weg vorgeben, doch wo wir uns zwischen den beiden Schienen bewegen, können wir selber entscheiden. In dieser Entscheidung sind wir frei. Andererseits fällt es mir schwer, an etwas zu glauben, was Menschenleben so sehr zerstören kann wie schlimme Krankheiten oder schwere Schicksalsschläge. Doch eigentlich, wenn ich es mir richtig überlege, ist es mir egal, ob ich in meinen Entscheidungen nun frei bin oder nicht. Solange ich mich frei fühle, bin ich es auch. Stimmt doch, oder nicht?

Zwei Schienen die uns durchs Leben führen sieht Mara Brügger. – Bild: Elias Rüegsegger

Freiheit und Mut

Fritz Zurflüh (64)

Eine langjährige Freundin erkrankte vor Jahren an Krebs. Nach einer Operation erfolgte eine teilweise Heilung. Sie leidet seither an plötzlich auftretenden Müdigkeitsattacken. Wo sie auch ist, sie muss innert Minuten einen Liegeplatz finden. Das ist eine Einschränkung, das Gegenteil von Freiheit. Mich beeindruckt, wie sie ihr öffentliches Leben weiter führt, dass sie die Freiheit hat, auf Leute zuzugehen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Und die erfährt sie auch, sie begegnet auf einer persönlichen Ebene «fremden» Menschen und erlebt das als Bereicherung. Die Freiheit, die oft erst mit einer Portion Mut zur Freiheit wird, beginnt innen. Ihre Reife und ihre Gelassenheit lassen sie die äusseren Umstände, wie schwierig sie auch sind, mit Liebe umfassen. Sie entscheidet, ob sie ihre Einschränkungen als frei oder unfrei erleben will. Ich bin da noch unterwegs…

Krankheiten schränken uns ein, weiss Fritz Zurflüh. – Bild: Mariëlle Schlunegger

Nicht immer

Lisa Essig (20)

Nicht immer haben wir einen eigenen Willen. Einerseits sind wir frei in unserem Denken; aber Einflüsse, wie starke Krankheiten, sind Reize, die uns in unserem Denken und unserer Selbstbeherrschung dermassen einschränken können, dass wir dadurch unfrei werden. Aus unserem Körper können wir nicht einfach entschwinden. Es gibt einen gewissen Spielraum in unserem Tun: Je nachdem, wie meine Einstellung zu einem Thema ist, kann ich es aus einem positiven oder negativen Blickwinkel sehen. Die Frage ist, wo endet die Beeinflussung der Gedanken? Ich bin überzeugt, dass Gedanken freier sind als der Körper, denn mit Gedanken kann ich meine eigene Haltung ändern. Jedoch ist es mir nicht möglich, durch alleinige Gedankenkraft meine Krankheit, den Diabetes wegzudenken. Tote Beta-Zellen lassen sich auch durch noch so viel gedankliche Energie nicht rekonstruieren. Krankheiten können unsere vorhandene Unfreiheit verstärken, was die Frage aufwirft, ob wir Menschen überhaupt frei sind.

Lisa Essig: «Tote Beta-Zellen lassen sich nicht rekonstruieren» – Bild: Elias Rüegsegger