
Zur Finanzierung ihres Studiums in Deutschland röstete Kira Heer Kaffee. Nach dem Studium folgte der Umzug in die Schweiz. Hier war es ihr nicht möglich, als Geografin eine Anstellung zu finden, die sich auch mit dem Muttersein vereinbaren liess. Also kam die Rückbesinnung auf ihre Erfahrungen in der Kaffeerösterei in Köln, die ja nicht nur finanziell wichtig waren, sondern, wie Kira Heer sagt: «Für mich war es eine Herzensangelegenheit.» Ihren Kenntnissen mit den braunen Bohnen verdankt also Thun die erste lokale Kaffeerösterei.

Zuerst wurde getestet, ob dieses Unternehmen Erfolg versprechend sein könnte. «Wir haben in der Stadt mit dem Kaffeemobil Kaffee ausgeschenkt, oft auch gratis, um zu testen, ob der Kaffee auch schmeckt. Einfach einen Laden aufmachen und dann schauen, was daraus wird, kam für mich nicht in Frage. So wurde der Name bekannt und die Qualität unseres Kaffees überzeugte viele Leute.» Die Rösterei musste angepasst werden, da die SchweizerInnen gegenüber den Deutschen einen etwas stärkeren Kaffee bevorzugen. Der allgemeine Trend zu Nachhaltigkeit, zu Qualität, zu regionalen und saisonalen Produkten und fairem Handel führte dazu, dass kleine Unternehmen unterstützt wurden. Kira Heer war überzeugt, sich in Thun diesen Nischenplatz erobern zu können.
Ein Unternehmen zu starten braucht Geld
Wie schwierig war es, GeldgeberInnen zu finden? «Das haben mehrheitlich meine Freundinnen ermöglicht.» Es wurde zum Anliegen für Alt und Jung, dieses Projekt zu unterstützen. Der Vermieter stellte das Mobiliar, ihre FreundInnen übernahmen das grafische Gestalten von Karten und Flyern, ihre Mutter strich die Wände und ihre Schwiegermutter übernahm im Geschäft den Abwasch. «Bezahlen konnte ich zu Beginn niemanden, sogar meine kleine Tochter hat mitgeholfen und Kaffee abgepackt. Und um Transportkosten zu sparen, hat mein Vater die Röstmaschine selber aus Norddeutschland geholt.» Obwohl die Rösterei Heer zuerst ein 1-Frau-Betrieb war, sind heute Entscheidungen im Alleingang nicht mehr angesagt. Innovationen und Weiterentwicklung werden im Team besprochen.

2015 war Eröffnung, angeboten wurden fünf Kaffeesorten. Das hatte damit zu tun, dass Qualität wichtiger ist als ein grosses Sortiment. So konnte gewährleistet werden, dass der Kaffee immer frisch war. Anfänglich wurden 50 Kilo Kaffee im Monat verkauft, heute sind es 1500 Kilo. Für Kira Heer war es klar, dass es viel Kraft und Ausdauer braucht, bis ihr Unternehmen etwas abwirft. Mit fünf Jahren hatte sie gerechnet und genau so lange dauert es, bis der Laden richtig lief, und dann kam Covid-19. Es gab keine Gäste mehr und es kamen auch weniger KundInnen ins Geschäft.
Corona brachte eine nachhaltige Entwicklung
Allerdings begannen viele KundInnen online zu bestellen. Der Verkauf wurde sogar gesteigert. Eine positive Entwicklung wegen Corona. «Da alle Kaffees geschlossen waren, kauften vermehrt KaffeegeniesserInnen bei uns ein, und diese KundInnen sind uns treu geblieben.» Das führte unter anderem dazu, dass eine neue Röstmaschine gekauft werden musste. «Das habe ich als Risiko empfunden, in der Krise zu erweitern und eine Manufaktur in Uttigen in Betrieb zu nehmen. Diese Investition hat mich einige Nächte schlecht schlafen lassen.» Montags kann nun auch Kaffee direkt in der Uttiger Manufaktur gekauft werden.
Heute werden 16 Sorten Kaffee aus 12 Ländern angeboten. Alle aus ökologischem, biologischem Anbau und fairem Handel. Auch hauseigene Espresso- und Kaffeemischungen sind erhältlich.
Die feminine Seele des Kaffees

Zum Konzept gehören auch die jungen Frauen, die im Geschäft mitarbeiten. Lisa Essig ist eine von vier Rösterinnen. Die Buchhaltung ist in Frauenhand und man kann vergessen, dass das Kaffeegeschäft eigentlich eine Männerdomäne ist. «Einen Beruf mit Fähigkeitszeugnis ist Rösterin nicht», wie Kira Heer sagt, es ist eher learning by doing. Hauptsächlich hat Rösten mit Gefühl zu tun, man kann es eigentlich nicht lernen. «Ich weiss ganz intuitiv, wann der Kaffee fertig geröstet ist, und ich rieche es auch. Meine Mitarbeiterinnen konnten das anfänglich nur schwer glauben, aber jetzt vertrauen sie ebenfalls ihrem Gefühl.»
Das Angebot in der Rösterei Heer ist breit geworden: Selbst gemachte Kuchen, veganes Essen; auch hier stehen Qualität und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Ebenfalls werden Kurse angeboten: Baristakurse, Kaffeekunde, Röstkurse, um nur einige zu nennen.

Informieren Sie sich auf roestereiheer.ch und geniessen Sie in dem besonderen Ambiente des Kaffees eine erholsame Auszeit.