Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten die UND AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.

Es wird also Frühling. Die Pollen melden sich zurück, ebenso die Störche. Die Pelzkrägen werden zwar bleiben, doch wenigstens schauen wieder Gesichter daraus hervor. Man lässt versuchsweise die Fenster länger offen, ohne auf das Zimmer-Thermometer zu schielen. Auf der Sonnseite sind die Café-Terrassen schon wieder dicht besetzt. Im Innern des Cafés sitzen noch diejenigen, die an Wetterprognosen glauben.
Und da kommt’s vom Nebentisch: ein «Zeitfenster». Klar, es handelt sich um ein Organisationsproblem. Mir aber tun sich viel weitere Fragen auf.
Ein Modewort, natürlich. Und eine Zeiterscheinung – denn wir müssen uns einteilen. Wir haben nicht unbeschränkt Zeit, nicht einmal nur in unserem ganzen Leben, sondern sogar jeden Tag. Aber es kommt vor, dass wir etwas wichtig nehmen, eine Aufgabe, ein Thema; dem räumen wir dann so ein Fenster ein.
Es hat seinen Rahmen, versteht sich: Zwanzig Minuten können wir erübrigen, oder auch mal zwei Stunden. Die geben wir gern, doch mehr nicht; denn links und rechts stossen wir an die Mauern, an das, was ohnehin feststeht.
Immerhin: Durch ein Fenster kann man hinausschauen. Wenn unsere Aufgabe uns nicht allzu sehr in Beschlag nimmt, sehen wir vielleicht etwas, jemanden vorbeigehen, das oder der Interesse weckt. Grüsst gar jemand herein? Jetzt sind wir allerdings abgelenkt…
Dummerweise scheint die Sonne gerade durch diese Scheibe: Der Blick ist getrübt. Wir sollten sie putzen – aber dazu ist doch jetzt keine Zeit.
Man kann ein Fenster auch auftun. Wollen wir etwa lüften? Ungute Gerüche rauslassen, sie mit den Andern teilen? Uns wird kühler und wohler; die draussen lässt es doch kühl.
Beugen wir uns ein bisschen hinaus; das Fensterbrett stützt uns ja noch. So öffnet sich der Blick weiter, vielleicht kommt etwas zum Vorschein, was uns, von unserm Stammplatz aus, sonst entgeht, wofür wir keine Zeit haben. Die Welt ist breiter, höher, als es ausgesehen hat.
Man solle sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, heisst es. Fällt man sonst am Ende – aus der Zeit? Wenn uns kein Rahmen mehr hält, werden wir wohl das Gefühl für die Zeit, ja uns selbst verlieren.
Wir schliessen dieses Kapitel. Es hat schon lange genug gedauert.
Die gesammelten Kolumnen
Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger über Themen aller Art.