Die Kolumnen von Jung und Alt. Hier berichten abwechslungsweise die UND-AutorInnen Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.
Da habe ich kürzlich in der Zeitung – im Sport-, oder doch im hochgestochenen Kultur-Teil? – gelesen, etwas sei «weder Fleisch noch Vogel». Also, wie man halbwegs sicher annimmt, etwas nicht genau Definiertes, ja, nichts Rechtes. Ein Reflex hat sich gerührt: Die Redewendung tönt doch falsch! Sollte sie nicht lauten: «weder Fisch noch Vogel»? So jedenfalls habe ich sie im Repertoire, das heisst im Kopf. Und eine gewisse (biologische) Glaubwürdigkeit hätte diese Fassung ja: Man kann die zwei Kategorien «Fisch» und «Vogel» einander gegenüberstellen; auch gibt es wohl – doch da werde ich biologisch bereits unsicher – Grenzfälle, Berührungen zwischen beiden. Fliegende Fische etwa.
Was glaube ich mich nun hierzu fragen zu müssen? Einmal: Täuscht mich mein Kopf? Was sagen Spezialisten, Sammler von Redewendungen dazu? Also, wie heisst es «wirklich»? Sodann: Hat der Autor (oder die Autorin) sich ein Spielchen erlaubt, die Wendung bewusst abgeändert? Mit welcher Absicht? Und ist etwas Gelungenes herausgekommen?
Schliesslich aber: Muss ich solches wissen? Offenbar die Frage nach meinem Verhältnis zur Sprache und ihren Traditionen.
Ich bin also über – ah, nicht «in» – die Bücher gegangen. Als feste alte Wendung habe ich gefunden: «Das ist weder Fisch noch Fleisch». Oho! Gleich taucht Bedenken auf: Kann man die gegeneinander halten? In einem Kommentar heisst’s zu Recht: Auch Fische haben Fleisch. Ansonsten aber, ernährungstechnisch, aus der Sicht des Kochs, der ich ebenfalls ein bisschen bin, lässt sich der Gegensatz begreifen. Wogegen sich «Vogel» und «Fleisch» schlecht unterscheiden lassen! Ich muss zugunsten meiner Version einfach annehmen, dass ich sie «schon gelesen habe», oder gar gehört, auch wenn ich nicht sagen könnte, wo. Bildungsschotter halt.
Aus Obigem ergibt sich für mich, dass der zitierte Autor seiner Sache nicht – oder allzu – sicher ist, dass er eine kaum begründbare, unglückliche Variante geschaffen hat. Arrogante Empfehlung: Prüfe, überdenke die Sprüche, die du zu kennen meinst, und die du selber kreierst.
Am Ende bleibt die Frage: Muss ich Sprüche kennen, Sprichwörter, Redewendungen? Soll ich sie anwenden?
In einer Zeit – wahrscheinlich in jeder -, in der die gängige Sprache vereinfacht, reduziert wird, wohl tatsächlich verarmt – unter anderem wegen «undeutscher» Einflüsse, welche man wohl nicht verurteilen sollte -, in dieser Zeit darf man auf einen gewissen Reichtum pochen, auf Sprüche denn auch, die in den alten Büchern stehen, oder die alte Leute gebrauchen. Meistens machen die Sprüche eine Rede lebendiger, bunter. Es handelt sich ja häufig um Bilder, auch um Klänge. Freilich gibt es Leute, die im Blumigen ertrinken, die vor lauter ausschweifenden Dekorationen nichts mehr aussagen. Und solche, die Sprüche klopfen, bis sie hohl tönen.
Wenn man die Sprüche kennt, kann man mit ihnen spielen. Vorausgesetzt, das Gegenüber kennt sie ebenfalls. Demnach wünsche ich mir Dialogpartner, die Sprüche kennen… Dann, wenn’s hoch kommt, sollte man noch gut mit ihnen spielen, keinen Widersinn produzieren. Ist das viel verlangt?
Über dem allem steht meine Überzeugung, dass Sprache etwas Schönes ist, und dass man zu ihr Sorge tragen soll. Etwa: sie auf Händen tragen? Oder auf der Zunge? Zergehen lassen? Oder wie sagt man noch?
UND die Kolumnen
Heinz Gfeller ist pensionierter Gymnasiallehrer und freier Autor bei UND. Er wohnt in Bern. Abwechslungsweise schreiben als Kolumnisten Jürg Krebs, Livia Thurian, Heinz Gfeller und Elias Rüegsegger.
Also, für meine Ohren klingt ebenfalls „weder Fisch noch Vogel“ richtig. Als Beispiel kommt mir der Pinguin in den Sinn, der ja ein etwas „schräger Vogel“ ist.