Der angelsächsische Kulturraum – aber ist es Kultur? –, sagen wir: Der englische Sprachraum hat sie uns beschert. Oder eher: Aus einem kulturlosen Raum sind sie gekommen, in eine Sprache, die wie Englisch ausschaut. Eine Sprache, die wir umso besser verstehen, je weniger wir Englisch können – hier meine ich die alte Sprache, die einst einer Weltmacht gehörte und heute selber eine darstellt. Die den Anschein nicht von Bildung, sondern von Macht liefert.
Dem Trend folgend, wäre ich also Disc-Jockey (auch abgekürzt zu haben) und nicht Platten-Reiter, oder halt nur Jockey, oder Rapper, Banker, Broker, Trucker, Boarder, Fan, Killer. Nebenbei: Bei alldem hätte ich kein Problem damit, ob ich Männlein oder Weiblein sei – wie sich das in total veralteten Sprachen stellt, etwa dem Deutschen. Doch steigern wir: Ich wäre Trainer oder Coach, Leader, CEO, Winner, ja ein Win-Win-Winner. Ich wäre top, nicht nur cool, ich wäre der Hit, der Star.
Fast als Zusammenfassung von dem allen kommt mir der Influencer, die Influencerin (neudeutsch halt) vor. Nicht dass ich solche kenne, bewahre! Ich suche sie auch nicht, suche sie nicht auf an ihren Standplätzen – wie heisst’s? ihren Sites, den Seiten, nein: Pages, wo sie daheim sein sollen. Im Imaginären tummeln sie sich ja, nicht auf der Strasse, nicht im Laden; oder ich würde sie dort nicht erkennen, wie sie mich auch nicht. Vielleicht existieren sie ohnehin nicht wirklich.
Aber irgendwoher kenne ich doch ein paar. Die wirkungsvollsten schaffen es in die Gratiszeitung, ja darüber hinaus unter die Seriösen. Zum Beispiel wenn sie erst zwei-, dreijährig sind und Spielzeug vorführen. Oder mit 15 und ihrer Frisur Millionen verdienen. Verdienen?
Ja, sie sind vorzugsweise jung. Und schön. Farbig. Munter, fröhlich, von einer unmöglich anzukratzenden guten Laune. Sie amüsieren sich anscheinend ganz für sich. Dass sie mir etwas verkaufen wollten? Das wäre ja hässlich; davon geben sie sich keinen Anschein. Auch heissen sie nicht Verkäufer – welch verachteter Beruf –, noch nicht einmal Andreher oder Einflüsterer, Beschwatzer. Sondern ernsthafter: Beeinflusser. (Ertrüge sich auf deutsch wiederum schlecht.)
Sie lassen ihre Sache so einfliessen. Das ist ein subtiler Vorgang, ein unterschwelliger: unter der Erdoberfläche, unter dem Bewusstsein durch. Doch er schwemmt allerhand mit sich, fort oder herein. Ob die InfluencerInnen – nein, dass sie von irgendwoher unter Einfluss stünden – da, wo das Geld herkommt? –, geht niemanden etwas an. Wir sollen sie einfach betrachten, uns an ihrer Jugend, Schönheit, Freude erfreuen, sie so lange bestaunen, bis wir gekauft haben, als getreue Follower (deutsch: Folger – erneut unbrauchbar).
Folgen wir also? Im berndeutschen Sinn: gehorchen? Laufen wir nach? Ist sicher erwünscht. Warum sonst stellte man diese Kunstfiguren, diese glitzernden Fassaden auf, welche sich als ganz gewöhnliche Mitmenschen tarnen? Warum erhöbe man sie zu Idolen, wenn auch hohlen, unserer Medienwelt? Sie sonnen sich in dem Schein, Einfluss zu haben. Haben sie ihn?
Vielleicht sollten wir glücklich sein, wenn der/die InfluencerIn auf Kleider, Kosmetik, Spielsachen, Freizeitvergnügen, Reiseziele, auf Stil (besser: Style) und Moden (Fashion) beschränkt bliebe. Denn ähnliche vergnügte Glitter- und Zwitscher-Figuren sollen uns neuerdings auch auf andern Gebieten unter- und hochgejubelt werden – am fatalsten in der Politik. Von InfluencerInnen betört, werden wir die Fähigkeit abgeben, auszulesen – und werden sie wählen.