Am Brienzersee ist Irene Thomann (49) aufgewachsen – Wasser hat schon immer zu ihrem Leben gehört.
Untypischer Frauenberuf
Es sei nicht ihr Traum gewesen, auf einem Schiff zu arbeiten, allerdings habe es sie sehr angesprochen, sich in einem nicht typischen Frauenberuf behaupten zu können. 2010 hat sich die Malerin auf eine Stellenausschreibung bei der BLS Schifffahrt gemeldet, worauf sie anfänglich auf dem Brienzersee eingesetzt wurde, vorwiegend als Kassierin. Seit es die Winterschifffahrt gibt, fährt sie vermehrt auch auf dem Thunersee.
«Untypische Frauenberufe haben mich immer angesprochen.»
Irene Thomann
Als Matrosin musste sie die Handhabung der Seile lernen, alles was nautisch mit dem Schiff zu tun hat, was bei stürmischem Wetter zu tun ist. Und jedes Jahr werden sämtliche elf Notfallszenarien geübt. Es gibt unter anderem Übungen für medizinische Notfälle, «Mann über Bord» oder Hilfe in Seenot, wenn zum Beispiel ein anderes Schiff gekentert ist. Auch die Kursschiffe sind von der Regel, helfen zu müssen, nicht ausgenommen, da auf dem See eine Rettungspflicht besteht. Alle See-BenutzerInnen sind verpflichtet anderen Hilfe zu leisten, wenn diese in Not geraten sind. Das passiert nicht oft, es ist aber schon vorgekommen, dass von einem Kursschiff aus Hilfe geleistet wurde.
Immer unterwegs
Es ist eine Ganzjahres-Anstellung, auch wenn im Winter nur wenig Schiffe zirkulieren. Um bei der BLS Schifffahrt angestellt zu werden, muss man einen handwerklichen Beruf vorweisen können. Das ist die Bedingung, um im Winter in Thun, beziehungsweise in Interlaken Ost in der Werft zu arbeiten. Da sind Mechaniker, Schreiner, Elektriker, Zimmerleute, Sänitärinstallateure, Schlosser und auch Maler. Die Schiffe werden gewartet, repariert und für die nächste Saison in Stand gesetzt.
«Eine Arbeit voller Abwechsung und in einer unglaublich schönen Landschaft.»
Irene Thomann
Für den Beruf Schiffsführerin wurde Irene Thomann in Praxis und Theorie geprüft, Kapitänin ist sie trotzdem nicht. Zum Kapitän wird man befördert; ausser man hat die Prüfung für das Führen eines Dampfschiffes abgelegt, dann ist man automatisch Kapitän. Wichtig: Kapitäne sind die Einzigen, die einen weissen Hut tragen. Die ganze Mannschaft trägt die gleiche Uniform, allerdings gibt es für verschiedene Dienstgrade eine unterschiedliche Anzahl von goldenen Streifen auf den Patten. Nur der Kapitän oder die Kapitänin bekommt vier Streifen.
Immer draussen
Bereut hat sie es noch nie, sich für die Schifffahrt entschieden zu haben. Eine Arbeit voller Abwechslung, im Team, mit vielen Gästen aus aller Welt und in einer unglaublich schönen Landschaft. Bei aussergewöhnlich schlechten Wetterverhältnissen entscheidet der/die diensthabende SchiffsführerIn, ob gefahren wird. Sollte man auf dem See von einem Unwetter überrascht werden, dann wird «abgewettert», das heisst, man stellt sich in den Wind und wartet ab. Schiff und Passagiere werden so gut wie möglich gesichert.
Zum Schluss wollte ich noch wissen, warum die Schiffe in Thun rückwärts in den Kanal fahren, in Interlaken aber vorwärts. Ganz einfach: im Fluss wird immer mit dem Bug gegen die Strömung gefahren. Das hat mit dem Anker zu tun, der sich im Bug befindet. Zusätzlich ist im Bug ein Ruder, das ermöglicht überhaupt das Steuern beim Rückwärtsfahren im Fliessgewässer wie auch auf dem See. Es wird bei jeder Fahrt nach Thun und von Interlaken West in den Thunersee gebraucht.