
Text: Valerie Knill (35), Brigitta Ingold (67), Ueli Ingold (66)
Die Kunst braucht ein Geheimnis
In ihrem Elternhaus, gebaut 1706 in der Burgdorfer Altstadt, treffen wir Valerie Knill, eine junge Frau voll kreativer Energie. Ihre sympathische und lebhafte Stimme macht es uns einfach, ihr zuzuhören. Valerie arbeitet als Regisseurin, Drehbuchautorin und Malerin und bildet sich nun bei Ahmet Tas zur Schauspielerin aus. Eine Vielfalt, die beeindruckt. Wichtig für Valerie ist nicht nur das Erlernen des Handwerkes, sondern auch das Vermitteln von Inhalten. Das immer wieder neue Dazulernen fasziniert Valerie. Die verschiedenen Tätigkeiten ergänzen sich und können zu einer Gesamtheit führen.
Bei Tee und Kaffee erzählt uns Valerie ihren Werdegang. Sie begann schon in der Kindheit zu malen und stellte alltägliche Gegenstände dar. Die Malerei war immer ihr Medium. Einen Bezug zu anderen Kunstformen hatte sie noch nicht, da es auch keine Berührungspunkte gab. Valerie besuchte das Gymnasium mit dem Schwerpunktfach «Bildnerisches Gestalten» und plante, später Malerin zu werden. Sie entschied sich dann aber zu einem Studium der Mathematik, da sie zu diesem Zeitpunkt uninspiriert war von der Kunst und einfach auch zu wenig wusste. «Mathematik kann auch ein kreatives Fach sein mit einer andern Realitätsebene, wie in der Kunst eigentlich auch», beschreibt es Valerie.
Das Studium abzubrechen und sich ganz der Kunst zu widmen, empfand Valerie als ein gewisses Risiko – aber auch als eine grosse Befreiung. «Jetzt kann ich alles machen, was ich will. Warum gehe ich nicht auf die Filmschule?»
«Diese Figuren tragen ein Geheimnis in sich –
Valerie Knill
und jeder Betrachter kann ein anders finden.»
In der gemütlichen Wohnküche sitzt Valerie vor einem ihrer Werke. Fünf graue, ungleiche Figuren mit schwarzen durchdringenden Augen. Auf den ersten Blick erscheint das Sichtbare stärker, präsenter zu sein als das Unsichtbare.
Diese Figuren tragen ein Geheimnis in sich – und jeder Betrachter kann ein anderes finden. Für Valerie verbirgt sich in der Kunst immer auch etwas Geheimnisvolles. In ihren Bildern entsteht das Unerklärliche beim Malen. Geheimnisse können sich auch ändern, je nach subjektiver Stimmigkeit. Ein Bild wird dann spannend, wenn du alles fliessen lässt, denn die Hand ist ehrlicher als der Kopf.

Ein Gefühl für die Struktur des Filmes entwickeln
«Ich malte immer sehr narrativ, wie eine Momentaufnahme einer Geschichte. Beim Film kann man das dann noch ausbauen und anderes ausdrücken.» Beim Drehen von eigenen Kurzfilmen lernte Valérie alle Facetten einer Filmproduktion kennen. Um einen Film zu drehen, braucht es mehr als eine Filmkamera und ein Drehbuch. Die Regie, die Schauspieler, der Drehort, das Licht, der Ton, alles muss zusammenspielen. Selbst Kurzfilme sind sehr arbeitsintensiv. Beim Erzählen lacht Valerie herzlich, man sieht, wie sehr sie das Filmemachen liebt: die Herausforderung als Drehbuchautorin, das Visuelle, die Momentaufnahmen, den Ton, die Stimmung und das Erzählen einer Geschichte.
Ein gutes Drehbuch zu schreiben ist eine grosse Herausforderung. «Die Inspiration ziehe ich aus meinem eigenen Leben.» Bei der kreativen Arbeit schützt sich Valerie vor zu vielen äusseren Einflüssen, zum Beispiel durch andere Filme.
Ein wichtiger und zeitaufwändiger Schritt ist es, die Charaktere genau auszuarbeiten mit all ihren psychologischen Hintergründen. Sich intensiv mit dem Charakter des Menschen auseinanderzusetzen ist für Valerie grundlegend. Dabei muss sich auch die Drehbuchautorin ständig weiterentwickeln. Wie stellst du eine Person mit versteckten Bedürfnissen dar, zum Beispiel einen Rebellen, der geliebt werden möchte?
«Du solltest wichtige Inputs einbeziehen, das Thema,
Valerie Knill
die Handlung eines Filmes optimal in Einklang und damit zur Geltung bringen.»
Das Drehen eines Filmes ist eine Teamarbeit. «Du drehst nicht einen Film für dich selbst. Der Film muss den Zuschauern ja auch gefallen und verständlich sein, allein schon wegen der hohen Kosten einer Filmproduktion.»
Mit der Teamarbeit kann die Handlung eines Filmes optimal in Einklang gebracht werden und das führt zu einer ansprechenden Filmproduktion.
Für Valerie muss ein Film nicht immer langsam und tiefschürfend sein, ein Film darf auch mal etwas Wildes, Farbiges haben mit viel Action, denn visuelle Spannungen und Farbwirkungen, Musik und Geräusche bereichern die Darstellung.

Chandigarh – die Kraft der Utopie, Living with Le Corbusier
Ein Dokumentarfilm von Thomas Karrer und Karin Bucher
Im letzten Herbst arbeitete Valerie mit Thomas Karrer und Karin Bucher zusammen. Es ging um den Film «Chandigarh – die Kraft der Utopie, Living with Le Corbusier». Chandigarh ist eine Stadt im Nordwesten Indiens, die in den 1950-er Jahren nach Plänen von Le Corbusier gebaut wurde. Valerie widmete sich der Ausarbeitung der Drehvorlage des Films. Es war schon viel Filmmaterial vorhanden. Es zeigte sich aber, dass noch einige Szenen nachgedreht werden mussten. Deshalb reisten sie im Oktober nach Indien. Kaum dort angekommen, beschlossen sie, den Film anders zu gestalten als ursprünglich angedacht. Dabei musste die Reihenfolge der Szenen geändert werden und der Film erhielt eine neue Struktur. Eine riesige Arbeit!
Im Geiste sind wir in Indien, sitzen aber im Altstadthaus in Burgdorf, wo es langsam dunkel wird. Wir haben eine spannende junge Künstlerin kennengelernt. Beeindruckend ist ihr grosses Spektrum des künstlerischen Ausdrucks. Eine grosse Bereicherung für uns.
Valerie Knill, geboren 1986, 2004 bis 2008 Gymnasium Burgdorf mit Schwerpunkt bildnerisches Gestalten, 2015 Diplom Practical Filmmaking, Metfilmschool Berlin, 2017/2020 Weiterbildung im Bereich Drehbuch, seit 2018 Coaching für Schauspiel und Drehbuch bei Ahmet Tas.
Filme von Valerie wurden an zahlreichen Festivals auf der ganzen Welt gezeigt.
Auszeichnungen: Future Generation, Tuzla Film Festival, 2016, Best student, Woodengate Film Festival, 2017, 3rd place international competition, Smiorgh Fim Festival, 2018