Mit ihrem letzten Spiel muss Frau von X gewinnen, denn sie ist pleite. Spielerpech. Sie atmet tief durch, sendet ein Stossgebet zur Göttin Fortuna und stellt sich vor, ihr ganzes Gesicht sei voller Botox. Pokerface ist gefragt. Sie sinniert: «Wenn ich verliere, muss ich meine voll belastete Luxuswohnung im zwanzigsten Stockwerk verkaufen und Mieterin werden. Wie ich das hassen würde! Ein gesellschaftlicher Abstieg sondergleichen wäre das. Und mein teurer Gespiele würde mich verlassen, so viel ist sicher …»
Alles oder nichts
«Dieses letzte Spiel wird das spannendste meines Lebens. Nicht zittern, nur jetzt nicht zittern!» Frau von X zieht ziemlich schlechte Karten und kann kaum noch atmen. Ein Kerl aus Dubai spielt mit. Sie sah ihn noch nie hier, aber einmal im VIP-Club. Das verunsichert, gibt ihr aber einen zusätzlichen Kick, genau zu beobachten und scharf zu analysieren. Sie blufft und spielt profimässig. Die andern spielen immer verwirrter. Das ist ihr Glück: Frau von X gewinnt. Sie behält die Erleichterung für sich, zwinkert aber dem Kerl zu. Als sie das Lokal verlässt, kommt er hinterher, stellt sich vor und fragt, ob sie ihn im Spielen unterrichten würde. Sie stutzt kurz, denn darauf war sie noch nicht gekommen, sagt aber spontan: «Die erste Lektion ist gratis, dann kostet’s, mein Herr.» «Geld ist kein Problem», erwidert er verschmitzt. Und sie willigt ein.
Wieder allein, plant Frau von X: «Ich werde einen Begleitdienst für Spieler und Spielerinnen aufbauen – meine neue Karriere. Aber vorerst geniesse ich meinen geretteten Wohnhimmel – wie schon lange nicht mehr. Und den teuren Freund schmeisse ich raus. Das ist echte Emanzipation!» Sie entspannt sich und ein schelmisches Lächeln huscht über ihr Gesicht.